Claus Beese

Vom Angelkahn zur Motoryacht


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die dänischen Inseln liegen mir weit mehr als Mallorca, und öffnet sich vor mir das Schleusentor in Kiel-Holtenau, so kreischen mir die Möwen, die unser Schiff umkreisen, einen lang ersehnten Willkommensgruß zu. Und stets dann, wenn das Boot in einen der Fördehäfen gleitet und die Leinen belegt sind, stellt sich bei mir ein so vollkommenes »Zuhause«-Gefühl ein, dass es fast weh tut.

      Sollte es da vielleicht so etwas wie einen Familienfluch geben, der auf mir lastet und mir ein normales Leben an Land verwehrt? Bin ich gar verhext? Oder einfach nur ein wenig durchgedreht?

      Natürlich weiß ich, dass mein Vater schon als junger Mann auf verschiedenen Ozeanriesen über die Weltmeere gefahren ist. So war er damals, nach seiner Ausbildung zum Schiffs-Steward, zum absoluten und einzigen Lieblings-Steward der berühmten Schauspielerin Zarah Leander avanciert und durfte sogar eine kleine Nebenrolle in ihrem Film „La Habanera“ übernehmen, der an Bord des Luxus-Liners „ADOLPH WOERMANN“ gedreht wurde, kurz bevor der Dampfer 1939 von seiner Mannschaft mitten im Atlantik versenkt wurde. Dem britischen Zerstörer „AJAX“, der das deutsche Dampfschiff zum Stoppen aufgefordert hatte, blieb das Nachsehen und die Pflicht, Mannschaft und Passagiere aus dem Wasser zu fischen und sie nach Kanada in Gefangenschaft zu übergeben.

      Aber das allein beweist noch gar nichts, es könnte lediglich darauf hin deuten, dass die Seefahrt gelegentlich mal in unserer Familie eine gewisse Rolle gespielt hatte. Es begründet nicht, warum auch ich auf den absonderlichen Tick mit den Schiffen verfiel. In mir dämmert der Gedanke, dass es wohl etwas anderes sein muss. Vielleicht eine Art Suchtverhalten, das sich erst im Laufe der Zeit manifestiert. So, wie man anfängt, gelegentlich mal eine Zigarette zu rauchen, um später als asthmatisch keuchender Kettenraucher zu enden, könnte es auch in meinem Fall gewesen sein. Es schleicht sich mit kleinen Schritten ein, die man erst gar nicht bemerkt, und dann…..schlägt es erbarmungslos zu.

      Während meiner anglerischen Laufbahn im zarten Jugendalter kam es uns ganz natürlich vor, dass man am Ufer immer nur die „Kleinen“ fing. Die wirklich „Großen“ mussten da draußen sein, dort, wo unsere Schnüre nicht mehr hin reichten. Wenn also die „Großen“ nicht zu uns kamen, so mussten wir wohl notgedrungen zu ihnen hinaus. In dem Drang, die wirklich dicken Fische dieser Welt an den Haken zu bekommen und dingfest zu machen, kam uns alles gelegen, was irgendwie nach einem Boot aussah und schwimmen konnte. Dies wiederum trug erheblich dazu bei, dass einige Kapitäne der deutschen Handelsflotte sowie tapfere Beamte der Wasserschutz-Polizei in ihrem Dienst unverhältnismäßig früh ergrauten. Denn bereits nach den ersten Ruderversuchen stand fest, dass diese Art der Fortbewegung unseren Aktionsradius auf der strömungsreichen Weser nicht wirklich vergrößerte. Und in dem Maße, in dem wir mit einem führerscheinfreien Außenbord-Motor mobiler wurden, nahmen die Abdrücke zuschnappender Gebisse an den „Haspeln“ (Rudern) der Binnenschiffe zu, in die so mancher Skipper außer sich vor Wut und Verzweiflung hinein biss.

      So soll denn auch dieses Buch der schwache Versuch einer Rechtfertigung für die Gründe sein, die mich von der einen (Angeln) zur nächsten Sucht (Boot fahren) geführt haben und der mir einredet, dass ein kultivierter Mann sich auf gar keinen Fall anders fortbewegen kann, als auf eigenen, wenn auch schwankenden Planken auf den Wogen des Meeres oder zumindest einiger Flüsse und Flüsschen. Hierbei nimmt der weltgewandte Skipper auch gelegentlich mal das Befahren des einen oder anderen Kanals in Kauf, was natürlich nicht wirklich einen hohen Anspruch an das Können und die hervorragende Seemannschaft von Kapitän und Mannschaft stellt. Andererseits macht auch das Zurechtkommen mit zeitweiliger Unterforderung einen Teil der Führungsqualitäten eines Freizeitkapitäns aus.

      Um mehr Verständnis beim geneigten Leser zu wecken, beleuchten wir doch einfach das ganze Drama von Anfang an:

      Drei Jungs, verrückt danach, jeden Bach und jede Pfütze auf eventuell vorhandenen Fischbestand zu untersuchen um ihn dann radikal mit der Angelrute zu dezimieren, sind nun einmal nicht in der Lage, ihren Tatendrang auf die Ufer von Teichen und Flüssen zu beschränken. Unser Städtchen, gelegen an einem der größeren norddeutschen Flüsse,

      verfügt über einen kleinen Hafen, in dem damals noch Sand und Kies umgeschlagen wurde und eine Menge kleinerer und größerer Boote eines Wassersportvereins zu Hause sind. Da lag es natürlich nahe, auch dort die Fische das Fürchten zu lehren und so ganz nebenbei mit den Bootsleuten ins Gespräch zu kommen, von denen einige mit ihren Kähnen zum Fischen mit Reusen oder Sperrlage hinausfuhren. Die Eigner dieser Boote hatten ein Herz für uns Jungs, und wenn wir es schafften, früh genug aus den Federn zu kommen, so hatten sie ihren Spaß daran, uns mit hinaus auf die Weser zu nehmen, um die Aalkörbe und Aalleinen zu kontrollieren. Bei der oftmals starken Strömung war es nicht immer leicht, die Gerätschaften vom Grund der Weser ins Boot zu wuchten, und die Fischer nahmen uns hart dran. Dafür ankerten sie mit uns nach getaner Arbeit oft nahe der Fahrrinne und wetteiferten mit uns, wer die meisten Aale mit der Angelrute fängt. So verdienten wir uns die ersten Seemannsbeine als Moses auf verschiedenen Angelkähnen, lernten, dass man zu Vorne „Bug“ sagt, links Backbord und rechts Steuerbord heißt, und Luv und Lee auch nicht immer an der gleichen Seite der Schiffe sind.

      Ich möchte bei der Schilderung der näheren Umstände, die zu meinem heutigen, kostspieligen Hobby und der damit verbundenen Verelendung meiner nächsten Angehörigen führten, nur kurz die Geschichten erwähnen, die unsere Schlauchboot-Ära betrafen.

      Das Schlauchboot, welches eigentlich meinem Angelfreund Bodo gehörte, einem mich um Haupteslänge überragenden, langen und dürren Schlacks mit unendlich viel technischem Sachverstand und anglerischem Knowhow, hatte uns so manches Abenteuer beschert. Es bestand mit uns mehrere haarsträubende nächtliche Abenteuer in den verwunschenen Seitenarmen der Weser und hätte im wahrsten Sinne des Wortes um ein Haar zu unserem Untergang geführt. Es war reines Glück, dass uns damals das Binnenschiff nicht versenkt hatte, als wir an der Fahrrinnentonne festgemacht hatten um den ganz dicken Aalen so nahe wie möglich zu sein. Es hätte nicht viel gefehlt, und wir wären den Biestern näher gewesen, als uns lieb gewesen wäre. Aber diese Geschichten füllen schon ein anderes Buch, und so will ich dieses mit der Schilderung eines Abenteuers beginnen, das dafür sorgte, dass nach langer Zeit meine Wikinger-Gene in mir erwachten und es mich nicht länger mehr auf heimischer Scholle hielt. So fand unsere Gummi-Kreuzer-Ära ein abruptes Ende und das Verhängnis mit dem richtigen „Bootje fahren“ begann.

      Ich wünsche viel Vergnügen!

      Geplatzte Pläne

      »Jetzt flippen sie ganz aus!«, stellte Bruno, der Kassierer auf der kleinen Fähre zwischen Blumenthal und Motzen, sachlich fest. Mit einem etwas hilflosen Gesichtsausdruck schob er sich seinen Elbsegler in den Nacken und kratzte sich ratlos das schon etwas schüttere Haar. Kurt, der Skipper der Fähre, hing laut lachend auf der Kommandobrücke über seinem großen Ruderrad.

      »Ihr solltet endlich den Führerschein machen, dann könntet ihr euch ‘nen Kleinlaster für euer Gepäck nehmen«, prustete er von oben runter. Bodo und ich waren beleidigt und tauschten einen bezeichnenden Blick miteinander aus. Irgendwie mussten wir doch unsere Angelausrüstung nebst Schlauchboot, Außenborder, Spritkanister und allem, was man sonst noch so braucht, zum Einsatzort transportieren. Und die Idee mit der Wupp, also dem Fahrradanhänger, war doch einfach genial gewesen. Wir hatten sie noch nicht einmal kaufen müssen, denn Bodos technische Fähigkeiten als Schlosser waren genau so immens wie seine Fähigkeiten, benötigte Materialien zu »organisieren«.

       »Na los, steigt schon ab und schiebt den Krempel nach vorn neben die Winsch«, brummelte Bruno. Der Schlacks sprang gekonnt aus dem Sattel und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Irgendwie musste sich wohl unterwegs die Last auf dem Anhänger verschoben haben, denn nachdem der Lange seinen dürren Hintern aus dem Sattel geschwungen hatte, machte der Karren unerwartet Männchen und die plötzlich aufsteigende Deichsel lupfte Bodos Rennrad hoch in die Luft. Kassierer Bruno brachte sich mit einem Sprung aus der Gefahrenzone, als sich der gesamte Karreninhalt über das Deck der Fähre ergoss.

       »Beim Klabautermann!«, fluchte er.»Ihr seid ja gemeingefährlich!«

Bild 175763 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.