den Typus des Antigermanen hin." (Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts II, München 1899)
Heinrich Böhmer (1869-1927, evangelischer Kirchenhistoriker):
"Als Seelenführer und Organisator war er trotz seiner ‘wenigen Wahrheiten' im vollen Sinne des Wortes ein Genie. Die letzte Ursache und stärkste Triebkraft seiner Produktivität waren drei Eigenschaften: eine durch methodische Schulung fast ins Übermenschliche gesteigerte Willenskraft, ein ganz aufs Praktische gerichteter, aber der schärfsten Konzentration fähiger Verstand und endlich die in eiserner Selbstzucht erworbene Fähigkeit, das eigene Ich bis zum letzten Hauche den Idealen zu opfern, an die er glaubt." (Studien zur Geschichte der Gesellschaft Jesu I, Bonn 1914)
Egon Friedell (1878-1938, Kulturkritiker):
„Ignatius von Loyola ist eigentlich, ganz ähnlich wie sein großer Gegenspieler Luther, eine Erscheinung, die noch vom Mittelalter herkommt, eine Mischung aus einem kühnen Ritter und einem verzückten Heiligen ... Die Zentralidee, von der sein ganzes Leben beherrscht war, bestand in nichts anderem als in der Überzeugung, dass der Geist souverän sei und unsere Physis ein bloßes Instrument, auf dem er, wenn er die nötige Willenskraft und Selbstzucht besitze, nach Belieben spielen könne, ja dass er die ganze Welt nach seinem Ebenbild zu formen vermöge, wenn er nur ernstlich dazu entschlossen sei, kurz: dass die Seele stärker sei als die Materie." (Kulturgeschichte der Neuzeit, München 1928)
Kurt Tucholsky (1890-1935, Schriftsteller):
"Was das Militär aller Länder mit roher Gewalt versucht und nie zu Ende geführt hat, hier in den Geistlichen Übungen ist es mit der glänzendsten Geschmeidigkeit gelungen: Menschen ergreifen, umformen, in den Zustand der Halblähmung bringen, um dann aus den Geschwächten die große Stärke herauszuholen." (Zwei Klöster, 1927)
Rene Fülöp-Miller (1891-1963, Kulturhistoriker):
"Nur wenige Menschen haben seit Anbeginn historischer Zeiten eine Idee mit einer so strengen Konsequenz bis zu Ende gedacht, einen Gedanken mit so außerordentlicher Willensanspannung verwirklicht und so tief auf alles mennschliche Denken, Fühlen und Handeln eingewirkt wie Ignatius von Loyola." (Macht und Geheimnis der Jesuiten, München 1951)
Ludwig Marcuse (1894-1971, Philosoph und Essayist):
„Loyola hat den alten Menschentraum von einem würdigen und gerechten Leben, der sich zwischen Platon und Marx kaum verändert hat, aus einem Inhalt des Gebets zu einem Kampfziel gemacht." Er nennt ihn "den grösßten und klügsten Diktator, der nicht ohne das ausgekommen ist, was man nicht anders als Vernunft, Freiheit, gesunden Menschenverstand nennen kann". ,,Er wollte den freien, aufrechten, klugen, aktiven Jasager." (‘Ignatius von Loyola‘ und ‘Das Märchen von der Sicherheit‘, Zürich 1981)
Das Exerzitienbuch.
Die Geistlichen Übungen wurden für einen bestimmten Menschentyp geschrieben, von dem Ignatius sagt: "Die großen Exerzitien würde ich ganz wenigen geben, und zwar Leuten von hoher Bildung, angesehener Stellung und großem Heilsverlangen oder guter Eignung für die Gesellschaft." Im Direktorium weist er die Exerzitienleiter an, "niemals einem noch wenig erleuchteten Geist oder einem zu schwachen Herzen eine übermässige Bürde aufzuerlegen".
Dieses Buch wurde nicht für die geschrieben, die nur lesen, sondern für die, die handeln wollen. Es ist eine Anleitung für ein Leben aus dem Glauben. Ursprünglich von der Inquisition verdächtigt, wird es nach eingehender Prüfung von der Kirche als das Instrument zur Erneuerung des christlichen Lebens ausdrücklich empfohlen: Kein anderes Werk kann damit verglichen werden. Seiner Wirkung wegen wird es gern ‘Schicksalsbuch der Menschheit‘ genannt.
Die Fundamente legte Ignatius 1522/1523 in Manresa. Er hat - so berichtet Pater da Camara - die Geistlichen Übungen "nicht in einem Zug niedergeschrieben, sondern zunächst nur einige Punkte, die er in seinem Inneren beobachtete und die er nutzbringend fand". Viele Gedanken sind nicht neu. Schon der Kirchenlehrer Augustinus dachte über das Verhältnis von Gottesstaat und Weltreich nach. Aber im Unterschied zu ihm ging Ignatius diese Frage nicht spekulativ, sondern pragmatisch an: Was ist zu tun, dass sich das Reich Gottes durchsetzt?
Ignatius legt Wert auf die Beobachtung der Seelenregungen und auf die Unterscheidung der Geister. Er meint: Der Teufel verhalte sich "wie ein Hauptmann, der Kräfte und Lage einer Burg ausspäht, um sie dann an der schwächsten Stelle anzugreifen", er versuche, das Gewissen zu verwirren: "Findet er einen Menschen mit einem laxen Gewissen, setzt er alles daran, ihm die lässliche Sünde als ein Nichts, die schwere als eine lässliche, die ganz schwere aber als eine Kleinigkeit hinzustellen. Findet er dagegen jemand mit einem sehr zarten Gewissen, dann sucht er ihn zu verwirren, indem er als Sünde erklärt, was keine Sünde ist."
Die Geistlichen Übungen betonen die Haltung der Indifferenz. Der Exerzitant soll von allen ungeord-neten Neigungen frei werden und lernen, alle Lebensbereiche zu ordnen. Ignatius versteht darunter nicht die Ataraxie, die Gleichgültigkeit allen Dingen gegenüber, die von den Stoikern als höchste aller Tugenden gepriesen wurde. Für ihn ist sie auch nicht gleichbedeutend mit der Tugend der Gelassen-heit, wie sie die Mystiker dank ihrer Gottverbundenheit besaßen. Er sieht Indifferenz als die Vorübung an, die einen Menschen für den Dienst Gottes fähig macht.
Ewiges Wort, eingeborener Sohn Gottes! Lehre mich die wahre Grossmut. Lehre mich, Dir zu dienen, wie Du es verdienst: Geben, ohne zu zählen, kämpfen, ohne der Wunden zu achten, arbeiten, ohne Ruhe zu suchen, mich hingeben, ohne Lohn zu erwarten. Mir genüge das frohe Wissen, Deinen heiligen Willen erfüllt zu haben.
Ignatius hatte selbst Erleuchtungen und hielt doch nichts von Privatoffenbarungen und Visionen. - Eben deshalb. Er wusste, wie leicht man seine schlechten Träume dafür halten kann.
Der erste General des Ordens
Auch wenn Ignatius sich nicht bekehrt hätte, wäre er General geworden. Er hätte dann ein gut bewaffnete Armee geführt, aber mit ihr sehr viel weniger Eroberungen machen können.
Ignatius wurde gegen seinen Willen zum Ordensgeneral gewählt. Er hatte sich mit vielen Einwänden gewehrt: "Er habe mehr Bereitschaft, regiert zu werden als zu regieren ... Er sei nicht imstande, über sich zu herrschen, geschweige über andere ... Er besitze üble Gewohnheiten ... Sein Gesundheitszustand sei schlecht."
Als Ordensgeneral schickte er seine Leute in die entferntesten Teile der Welt. Er selbst verließ Rom nie und aß und schlief in seinem Arbeitszimmer. Er diktierte an wichtige Persönlichkeiten und an die versprengten Mitglieder seiner Gesellschaft täglich bis zu dreißig Briefe, die er bis zu zwanzigmal abschreiben ließ, weil er der Ansicht war: "Das geschriebene bleibt und gibt immer Zeugnis. Man kann es nicht so leicht verbessern oder kommentieren wie das gesprochene Wort, und es kann jederzeit als Zeugnis gegen sich selbst verwendet werden."
Von "langen Gebeten" hielt er nicht viel. "Einem wahrhaft abgetöteten Menschen", so meinte er, "genüge eine Viertelstunde, um sich mit Gott im Gebet zu vereinigen". Er konnte von sich sagen: "Ich finde die Andacht in allem und wo immer ich will." Nadal, sein Sekretär, berichtet über ihn: "Er fand den Aufschwung aus was immer für einer Sache, so etwa im Garten beim Anblick eines Orangenblattes, durch das er zu tiefsinnigen Erwägungen und Erhebungen angeregt wurde."
Er fürchtete nichts so sehr wie die ‘Illusionen‘, von denen die "langen Gebete" oft begleitet werden. So schrieb er dem Herzog von Gandia, Francisco de Borja: "Was die regelmässige Zeit für geistliche Übungen betrifft, so meine ich, Sie sollten die Hälfte davon fahren lassen ... Ich halte es für besser, wenn Sie die Hälfte der Gebetszeit für das Studium, auf die Staatsgeschäfte oder für geistliche Gespräche verwenden." Und einer Gruppe spanischer Jesuiten, die für längere Gebetszeiten kämpften, ließ er mitteilen: "Abgesehen vom pflichtmäßigen Breviergebet soll auf Gebet oder Betrachtung und auf die Gewissensprüfung nicht mehr als eine Stunde verwendet werden, damit mehr Zeit und Aufmerksamkeit für andere Dinge im Dienste