Sylvia M. Dölger

Zum Teufel mit Barbie!


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Stress gegeben. Dabei war Bella wirklich nicht gefährlich. Noch suchte Sue nach anderen Spinnenfans, um Erfahrungen mit ihnen über diese besondere Art mit dem komplizierten lateinischen Namen ›Poecilotheria metallica‹ auszutauschen. Sollte sie kurz nach einem passenden Forum googeln? Schon huschten ihre Hände über die Tastatur, riefen abwechselnd verschiedene Seiten auf.

      Es klopfte energischer.

      »Die zehn Minuten sind noch nicht um.« Sue stand trotzdem auf und öffnete die Tür. »Was gibt‘s denn, Mom?« Sie ließ sich zurück aufs Bett fallen. Ihre Mutter betrat das Zimmer und setzte sich dazu. Der Laptop blieb geöffnet. So konnte sie sehen, wenn sich jemand über ICQ meldete oder ihr Nachrichten schrieb. Sue wartete auf Vanessa. Sie wollten etwas gemeinsam unternehmen. Endlich! Der vertraute Ton piepte, Vanis war on. »Kommst du nachher mit ins Kino?«, erschien auf dem Bildschirm.

      »Na, ich sehe dich ja kaum noch. Wie war denn dein Tag, Liebes?« Die Mutter wollte ihr eine der störrischen Fransen aus dem Gesicht streichen, doch Sue zuckte zurück.

      »Mom, ich bin kein kleines Mädchen mehr.« Sie schüttelte ihre kurzen Haare, die immer mal wieder in anderen Farben leuchteten. Zurzeit stand sie auf rote Strähnchen im Pony. Die ließen ihren dunklen Teint strahlen.

      »Na, das weiß ich doch. Gibt es etwas Neues?« Ihre Mutter lächelte, wodurch die Falten um ihre braunen Augen sichtbar wurden.

      »Nö.«

      »Und die Schule?«

      »Ganz okay. Was willst du eigentlich?«

      »Na, in wenigen Wochen ist doch dein achtzehnter Geburtstag.«

      »Ja?«

      Ihre Mutter lächelte wie ein kleines Mädchen, irgendwie geheimnisvoll und verschmitzt zugleich.

      »Du magst immer noch keine Überraschungen, stimmt‘s?« Sie zog eine Augenbraue hoch.

      »Das weißt du doch genau.« Sues Blick wurde noch eindringlicher. »Was hast du vor?« Sie betonte jedes Wort einzeln.

      »Dein Vater und ich dachten«, ihre Mutter zögerte, zupfte irgendetwas von der Jeans und sah Sue an, »wir wollen dir eine Reise nach Thailand schenken!« Jetzt strahlte sie, als hätte sie einen Preis gewonnen.

      »Danke, nein. Gebt mir lieber das Geld für den Führerschein.« Sue wendete sich ab, als ihre Mutter weitersprach.

      »Du bist alt genug, um endlich deine Wurzeln kennen zu lernen.«

      »Wie oft wollt ihr das eigentlich noch versuchen? Ihr seid meine Eltern, hier ist mein Leben, und das ist mehr als genug!« Sie war lauter geworden als beabsichtigt. Aber das Thema nervte. Lieber antwortete sie Vanessa.

      »Du musst ja auch nicht nach Ariya suchen.«

      »Nenn sie nicht so. Wir kennen die Frau doch gar nicht!«

      »Aber Ariya ist doch ihr Name. Ein hübscher übrigens. Bitte beruhige dich. Die Idee, dass du deine leibliche Mutter triffst, habe ich längst aufgegeben. Allerdings könntest du das Land deiner Herkunft anschauen. Es ist wunderschön. Allein diese Strände.«

      Ihre Mutter schaute verträumt in die Ferne. Sue ahnte, dass sie gleich wieder die alten Geschichten von der Adoption erzählen würde. Als hätte sie das nicht schon tausend Mal gehört. Sowieso schien jeder sie ständig daran erinnern zu wollen. Sie musste an diesen einen Tag im Kindergarten denken. Die anderen hatten sie gehänselt und zum Weinen gebracht.

      »Du warst nicht im Bauch von deiner Mama!«

      Damals spürte sie schon ihre Andersartigkeit. Sie war nicht blond und hellhäutig wie ihre Freundin Vanessa. Auch anders als ihre Eltern. Die Erzieherin hatte sie getröstet, indem sie ihr zwei unterschiedliche Barbiepuppen zeigte: Eine mit rosiger Haut und eine, die fast aussah wie Sue. Sie strich ihr über den Kopf und erklärte: »Schau nur, dein Gesicht sieht genau so süß aus wie das von dieser Thai-Barbie. Es ist nicht das Wichtigste, wer dich auf die Welt gebracht hat. Deine Mama ist deine Mama. Verstehst du, Engelchen?«

      Sue hatte verstanden. Sie sah vielleicht so aus wie diese Barbie, aber sie war keines dieser thailändischen Püppchen! Sie hatte mehr drauf, als hübsch auszusehen. Und Lächeln hasste sie abgrundtief. Immer diese Thailänder mit ihrem aufgesetzten Dauergrinsen.

      »Liebes, interessiert dich das denn nicht?« Sue spürte wie die Stimme der Mutter in ihrer Brust vibrierte.

      »Doch, klar. Ich habe ja die Bildbände.« Der Bildschirmschoner ging an und zeigte Fotos von ihr und Vanessa. Ihre Mutter stand auf.

      »Überlege es dir noch mal. Wir würden gemeinsam reisen.«

      »Mhm. Ich gehe heute noch mit Vanessa ins Kino.« Sue tippte eine Taste auf dem Computer, damit der Bildschirmschoner verschwand und ihre Mutter sie in Ruhe ließe.

      Sofort war Sue wieder ›manga_girl‹ und loggte sich in ihrem Lieblingsnetzwerk ein. Dort fand sie Leute, die sie von ihrer alten Schule und von Partys kannte. Im Postfach warteten neue Freundschaftsanfragen. Die Namen kannte sie von einer anderen Community. Sie bestätigte alle, immerhin sollten die auch die aktuellen Bilder von ihr sehen können. Echt heiß sah sie darauf aus, mit ihrem neuen Glitzershirt und dem kurzen Jeansrock. Sue klickte sich durch ein paar Seiten, bis sie in einem Chatroom hängen blieb. Schnell überflog sie ein paar Zeilen. Das ICQ Fenster sprang auf: Lisa, aus Hamburg. Die kannte sie aus einem Italienurlaub.

       manga_girl: meine mom will mit mir nach thailand reisen

       lisa: mensch, wie cool ist das denn? deine mom ist voll nett!

       manga_girl: ja, schon, aber ich will nicht und das weiß sie.

       lisa: nee jetzt, du willst nicht? warum denn nicht?^^

       manga_girl: weiß ich auch nicht. würzburg ist doch mein zuhause. ich spreche kein wort thai.

       lisa: hast du angst vor thailand?

       manga_girl: hm, weiß nicht, hab eig. nie angst.

       lisa: cool, bis bald bussi, cu.

       manga_girl: cu, machs gut. hf

      Niemand mehr im ICQ on, mit dem Sue reden konnte. Sie öffnete wie gewohnt mehrere Webseiten und sprang von einem Netzwerk ins nächste. Hier fand sie viele Fotos, nette Zeilen und sammelte Flirtpoints. Siehe da, ein neuer Typ hatte sich gemeldet.

      »Hey Süße!«

       Rasch checkte sie sein Profil. Der Neue nannte sich Jimmy und hatte ein Bild von sich on gestellt: Ein lässiger Junge in Jeans grinste sie an und sah auch noch gut aus. Spontan antwortete sie ihm.

      2 »Wen interessiert das denn?«

      Noch ein wenig Eyeliner, etwas Lipgloss. Das reichte schon. Wie schön, dass Vanessa heute Zeit hatte! Sue warf einen letzten Blick auf das Longshirt, das unter dem Pullover hervorschaute, rief ein »tschüss, wird spät heute!« und schmiss die Eingangstür hinter sich zu. Das Kino war ganz in der Nähe, sie konnte laufen.

      Vanessa wartete schon. Sue erkannte sie schon von Weitem an ihrem hellblonden Pferdeschwanz. Doch wer waren die anderen?

      »Hi, Sue!«

      Sie wollte die Freundin mit dem üblichen ›Victory‹ begrüßen, ließ ihre Hand jedoch auf halber Strecke wieder sinken. Metall funkelte an Vanessas Lippe. Der Ring war neu. Früher hatte sie immer alles über die beste Freundin gewusst.

      »Ich hab ein paar Klassenkameraden mitgebracht.« Vanessa rollte das ›R‹ wie eine waschechte Fränkin.

      »Kein Problem«, murmelte Sue. Früher waren sie immer zu zweit ins Kino gegangen.

      »Hey, das ist Benni!« Die blauen Augen ihrer Freundin leuchteten. Von dem hatte Sue schon viel gehört – immerhin handelte jede zweite SMS von dem Typen. Vanessas großer