Lina-Marie Lang

Angriff der Keshani


Скачать книгу

ion>

      Die Ashara-Chroniken

      Buch Drei

      Angriff der Keshani

      Das dritte Buch der Keshani-Trilogie

      Lina-Marie Lang

      EREL TREL

      

      

      Nach den schrecklichen Entdeckungen in Miragar und der Begegnung mit der Aillyl Moriel, waren Nadira und ihre Gefährten jetzt wieder in Erel Trel angekommen. Ihre Erlebnisse, als sie das Gebiet der Zwillingsstädte das erste Mal durchquert hatten, waren ihnen noch gut in Erinnerung. Keiner von ihnen wollte, dass sich diese Erfahrungen wiederholten. Damals waren sie nur knapp mit dem Leben davongekommen.

      „Was machen wir jetzt?", fragte Callanor. Sie hatten zwar die Höhle verlassen, waren aber noch nicht in das Tal von Erel Trel hinuntergestiegen. Noch immer hatten sie einen beeindruckenden Blick über das Land. Vor ihnen erstreckte sich das Tal von Erel Trel, das Land der verfluchten Zwillingsstädte. Ein Land in dem kaum Pflanzen wuchsen und keine Menschenseele lebte. Dahinter erstreckte sich der große Südwald von Alluria. Gerade noch vom Wald versteckt verlief der große Strom, der Lissiri, der aus Androtor kam und im Süden in das Meer mündete. Dieses erstreckte sich zu ihrer Rechten bis weit in den Horizont hinein. Der Lissiri war außerdem die Westgrenze ihres Heimatlandes Alluria.

      Zu ihrer Linken erstreckte sich das Tal von Erel Trel bis zum Horizont. Dahinter lag das alte Kaiserreich Androtor, aber es war von hier aus nicht zu sehen. Nadira glaubte einen dunklen Schatten im Norden über dem Tal hängen zu sehen, das musste Trel sein. Die verfluchte Stadt, in der sie auf seltsame Schattenwesen getroffen waren. Ein kalter Schauer der Angst fuhr durch Nadiras ganzen Leib und sie sah schnell weg. An der Küste, etwa auf halben Weg zum Wald, lag die zweite verfluchte Stadt: Erel.

      Sie mussten so schnell wie möglich nach Alluria gelangen und die Dynari warnen. Die Keshani bereiteten einen Krieg vor und hatten bereits eine ganze Armee schrecklicher Monster über den Pass der Tokar Berge geschickt. Ob diese schon in Erel Trel angekommen waren oder die Gefährten einen Vorsprung hatten, wusste niemand.

      „Im Süden liegt Giagan", sagte Darec. Giagan war die westlichste Stadt Allurias. Sie lag Mitten im Delta des Lissiri und war, nach dem Untergang von Erel, eine der wichtigsten Handelsstädte des Südens geworden. Giagan war außerdem die nächste Stadt, die sie erreichen konnten.

      „Wir sollten direkt nach Seraint", sagte Brancus. Seraint war die Stadt, in der die meisten von ihnen lebten. Nadira konnte Brancus Bedürfnis nach Hause zurückzukehren sehr gut verstehen. Aber der Weg war zu weit. Sie würden Seraint niemals reichen, bevor die Guul, die Kreaturen der Keshani, in Alluria angekommen waren.

      „Dazu müssten wir nach Norden", sagte Callanor. „Und dort sind die Guul."

      „Wir wissen nicht, ob sie schon dort sind", wandte Brancus ein.

      „Aber der Weg nach Seraint ist zu lang", sagte Nadira. „Wir müssen die Dynari früher warnen, und dafür sorgen, dass die Bevölkerung in Sicherheit gebracht wird."

      Brancus musterte Nadira einige Zeit stumm. Wahrscheinlich überlegte er gerade, ob er wieder versuchen sollte, ihre Autorität zu untergraben. Aber diesmal schien er sich dagegen zu entscheiden. „Du hast recht, fürchte ich", sagte er. Aber es gefällt mir nicht."

      „Mir gefällt die ganze Situation nicht", sagte Nadira. „Aber ich kann sie auch nicht ändern."

      „Also gehen wir nach Giagan?", fragte Darec. Nadira sah erst Callanor dann Brancus fragend an. Keiner der beiden widersprach. Der Weg nach Giagan würde sie nicht weit in den Norden führen, wo sich wahrscheinlich eine ganze Armee von Monstern aufhielt. Aber er führte sie gefährlich nahe an Erel heran.

      „Aber wir halten uns erst nördlich", sagte Nadira. „Ich will Erel nicht zu nahe kommen." Niemand widersprach ihr. Also setzen sie sich schließlich in Bewegung. Es dauerte nicht lange, bis sie den schmalen Pass, der von dem geheimen Durchgang herab führte, hinter sich gelassen hatten.

      Der trockene Boden und die brauen Pflanzen des Tals von Erel Trel weckten in Nadira sofort Unbehagen. Sie hatten bei ihrer ersten Reise durch Erel Trel einige unangenehme Erfahrungen mit den tierischen Bewohnern des Landes gemacht. Erfahrungen, die keiner von ihnen wiederholen wollte. Mit etwas Glück hielten die Wölfe und Bären sich weiter im Norden auf, aber Nadira wollte nicht so recht daran glauben, dass sie so ein Glück haben würden.

      Nachdem sie einige Stunden durch das Ödland geritten waren, bewegte sich die Sonne langsam aber sicher dem Horizont entgegen. In der letzten Nacht hatten sie nicht viel geschlafen und die Erschöpfung saß tief in ihnen. Vor allem Tinju, der vor wenigen Tagen schwer verletzt worden und noch nicht wieder ganz bei Kräften war, sah erschöpft aus. Aber er war zu sehr Krieger, um sich zu beklagen.

      „Es wird Zeit, dass wir einen Lagerplatz suchen", sagte Callanor und Nadira glaubte zu hören, wie alle erleichtert aufatmeten. Ähnlich wie in ihrer ersten Nacht in Erel Trel, wählten sie den Schutz eines großen Felsens als Platz für ihr Lager. Inzwischen waren sie geübt darin das Lager aufzubauen und gut aufeinander eingestellt.

      Aurel bereitete das Essen zu und Callanor teilte Wachen ein. Zu ihrer Überraschung wurden auch Nadira und Brancus zur Wache eingeteilt. Nur Aurel und Tinju blieben verschont. Tinju wegen seines Gesundheitszustandes, Aurel wegen … das blieb Callanors Geheimnis.

      Nadira würde die letzte Wache zusammen mit Lledar übernehmen, aber zunächst kroch sie in ihr Zelt und schlief innerhalb kürzester Zeit ein. Anfangs hatte sie in dem Zelt so gut wie gar nicht schlafen können. Sie war es gewöhnt, in mehr oder weniger komfortablen Betten zu schlafen. Das Schlafen in einem Schlafsack auf dem harten Boden hatte sie zunächst auf eine harte Probe gestellt, sie hatte sich jedoch daran gewöhnt.

      Die Nacht war viel zu schnell um und ihre Wache begann. Callanor weckte sie und Nadira schleppte sich müde und noch schläfrig nach draußen.

      In der Mitte des Lagers brannte ein Feuer, die Zelte waren wie immer im Kreis darum errichtet worden. Lledar saß bereits neben dem Feuer, und als Nadira aus dem Zelt kletterte, sich streckte und ausgiebig gähnte, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.

      „War irgendwas?", fragte sie Callanor schließlich.

      „Nein. Bis jetzt war alles ruhig", sagte er, dann kroch er in sein Zelt. Er schien die mittlere, und damit die anstrengendste Wache, allein übernommen zu haben.

      „Ich bin froh, dass ich nicht die mittlere Wache hatte", sagte Lledar. Mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden war nicht besonders angenehm. Von Darec hatte Nadira erfahren, dass er dann oft Probleme hatte, wieder einzuschlafen, wenn seine Wache vorbei war. Das Ergebnis war, dass man am nächsten Morgen nicht ausgeschlafen war. Nadira selbst hatte noch nie die mittlere Wache übernommen. Und darüber war sie froh und hoffte, dass es so bleiben würde.

      Sie setzte sich gegenüber Lledar ans Feuer und die Zeit zog sich zäh dahin. Ab und zu stand einer von beiden auf und sah sich im Lager und in der näheren Umgebung ein wenig um, aber es blieb alles ruhig.

      Die Stunden zogen sich dahin, aber schließlich zeigte eine leichte Rotfärbung des Horizonts, dass der Morgen langsam dämmerte. Eine leichte Briese hatte eingesetzt und mit ihr kam nicht nur Bewegung in die stickige Luft, die Briese trug auch noch etwas anderes mit sich, ein Geräusch: Heulen.

      Das Geräusch war leise, sehr leise und Nadira war sich nicht einmal sicher, ob es wirklich existierte. Sie sah zu Lledar hinüber und zu ihrem Schrecken erkannte sie, dass auch dieser wachsam in die Nacht lauschte.

      „Du hörst es auch?", fragte sie, nachdem sie endlich genug Mut für die Antwort gesammelt hatte.

      Lledar nickte. „Ich höre es. Und ich hoffe, es ist nicht das, was ich befürchte."

      „Sollen wir Callanor wecken?"

      „Es scheint weit weg zu sein", sagte er. „Ich glaube nicht, dass Gefahr besteht. Lassen wir ihn schlafen, solange es nicht näherkommt."

      Es kam nicht näher, und als die Sonne ganz aufgegangen