Michael Schenk

Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt


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Alnoa. Es ist das letzte der alten Königreiche und noch immer

      stark. Seine Festungen und Truppen schützen den Süden und halten die Pforte

      von Alnoa bei Maratran sowie den Pass von Dergoret. Das vergangene

      Königreich von Jalanne und die südliche Öde von Irghil bilden einen

      zusätzlichen Schutz gegen das Vordringen der Orks.« Der Finger glitt am

      mächtigen Ostgebirge entlang nach oben. »Das Land des Pferdevolkes. Und

      hier die Stadt Merdonan an den Weißen Sümpfen, wo wir Seite an Seite

      standen. Jenseits dieser Sümpfe führt der Pass von Merdoret ins Reich der

      Finsternis. Doch Merdonan ist stark, und die Sümpfe bilden ein natürliches

      Hindernis. Auch von dort droht nur wenig Gefahr.«

      Tasmund stieß ein leises Schnauben aus. »Erst vor acht Jahreswenden

      fochten wir dort, und es war ein harter Kampf.«

      »Aber Ihr habt ihn bestanden.«

      »Mit Eurer Hilfe, Jalan-olud-Deshay.« Garodem erhob sich hinter seinem

      Schreibtisch. »Mit der Hilfe von fünftausend elfischen Bogen, die uns in

      Zukunft fehlen werden.«

      »Ja«, sagte Jalan schlicht. »Sie werden Euch fehlen.« Es lag nicht in seiner

      Art, die Situation zu beschönigen. »Und Ihr werdet in Zukunft noch eine

      weitere Grenze schützen müssen. Hier oben im Norden.« Sein Finger glitt den

      nördlichen Pass entlang und folgte dem Verlauf des Eten. »Die nördliche Öde

      des toten Reiches Rushaan. Dahinter liegt das Eisland, doch von dort droht

      keine Gefahr. Die kommt vielmehr von hier.« Er tippte auf eine bestimmte

      Stelle. »Der Pass von Rushaan. Der Schwarze Lord hat zwei Möglichkeiten,

      mit seinen Truppen von der Ebene Cantarim in Euer Land vorzustoßen. Über

      den Pass von Merdoret und die Weißen Sümpfe oder über den Pass von

      Rushaan, an der nördlichen Öde vorbei und weiter durch den Pass des Eten

      nach Süden.«

      »Und direkt in unsere Hochmark«, brummte Garodem.

      »So ist es«, bestätigte Jalan. »Doch bislang war diese nördliche Grenze

      geschützt. Hier, am Pass von Rushaan, liegt Niyashaar. Eine kleine Feste, die

      von den Häusern des Waldes gehalten wird. Es ist nur ein Vorposten, nicht

      stark genug, um einem massiven Angriff standzuhalten.«

      Garodem trat neben Jalan. »Ich verstehe. Er soll Euch Zeit verschaffen,

      nicht wahr?« Er tippte auf den Pass des Eten. »Warum habt Ihr den Posten

      nicht hier errichtet?«

      »Es gab … Gründe«, antwortete Jalan ausweichend.

      »Jedenfalls werden wir Niyashaar bald aufgeben«, meldete sich Elodarion

      zu Wort. »Dann wird der Pass von Rushaan offen und ungeschützt sein.«

      Garodem stieß ein leises Schnauben aus. »Wir können die Orks nicht bis

      zur Hochmark vorstoßen lassen. Das ließe uns zu wenig Raum zum

      Manövrieren. Und zu wenig Zeit, um die Truppen zu versammeln. Wir

      müssten den Feind, genauso wie Ihr Elfen, früh genug entdecken, um noch

      angemessen reagieren zu können.« Der Pferdefürst nickte sorgenvoll.

      »Außerdem würde es unsere kleinen Freunde in Bedrängnis bringen. An

      diesem Pass liegt die grüne Kristallstadt Nal’t’rund. Sie könnte einem

      massiven Ansturm der Legionen nicht standhalten, wenn niemand sie

      unterstützt.«

      Tasmund nickte. »Und der Schwarze Lord weiß, wo die Stadt liegt.«

      Garodem und Tasmund waren beide erfahrene Kämpfer. Sie hatten oft

      genug in der Schlacht gestanden und erlebt, wie die sorgfältige Planung eines

      Kampfes zerfiel, sobald man dem Feind begegnete. Sie waren Pragmatiker,

      und über den Abzug der Elfen zu jammern, würde an ihrer Situation nichts

      ändern. Sie mussten sich der neuen Lage stellen und eine Lösung für das

      Problem finden.

      »Niyashaar liegt ungünstig.« Tasmund leckte sich über die Lippen, nippte

      an seinem Becher und trat zu den anderen. »Viel zu weite Wege. Es würde zu

      lange dauern, bis wir Nachrichten von dort bekämen und den Posten

      verstärken könnten. Der nördliche Ausgang des Passes Eten, noch oberhalb

      Nal’t’runds, wäre ein guter Kompromiss. Wir könnten die Befestigung

      innerhalb des Passes anlegen. Dann würde auch eine kleine Truppe reichen,

      um eine große Übermacht für längere Zeit aufzuhalten.«

      »Eine solche Befestigung muss erst erbaut werden.« Garodem ließ sich

      nachschenken und nahm ein paar Schlucke, um etwas Zeit zu gewinnen und

      seine Gedanken zu ordnen. »Wir bräuchten viele Hände, um das zu

      vollbringen.«

      »Und bis ein solches Bollwerk vollständig errichtet ist, müsste ein

      Vordringen der Orks über den Pass von Rushaan verhindert werden.«

      »Richtig, Tasmund, mein Freund«, stimmte Garodem zu. »Oder zumindest

      so lange aufgehalten werden, bis sich die Pferdelords und unsere kleinen

      Freunde in ausreichender Zahl gesammelt haben.«

      Jalan trat ein wenig zurück, und in seinem Blick lag Verständnis. »Ich

      bedauere sehr, dass es keinen anderen Weg für mein Volk gibt. Aber wir

      müssen gehen und Euch zurücklassen. Daher kann ich Euch, als aufrechter

      Freund, nur raten, Niyashaar zu besetzen und den Pass des Eten im Norden zu

      befestigen. Der Schwarze Lord wird es rasch bemerken, wenn der Weg für

      ihn frei ist, und er wird die Gelegenheit nutzen.«

      »Ich verstehe. Also werden wir sehr schnell eine Truppe hinschicken

      müssen, um die Lage zu erkunden und dann entscheiden zu können, was zu

      tun ist.« Garodem seufzte schwer. »Es gibt nur einen Mann, dem ich diese

      Aufgabe anvertrauen kann. Meinem Ersten Schwertmann Nedeam.«

      Jalan wich dem Blick seiner menschlichen Freunde aus. Elodarion

      hingegen trat zu ihnen und legte ihnen die Hände auf die Schultern. »In

      diesem Augenblick spricht der gute Herr Marnalf mit Nedeam. Dabei wird

      sich erweisen, ob Euer Erster Schwertmann noch Euer Vertrauen verdient.«