Urs Rauscher

Die Zweitreisenden


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      Urs Rauscher

      Die Zweitreisenden

      Band 2: Über WLAN nach Mogulstan

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       I.

       II.

       III.

       IV.

       V.

       VI.

       VII.

       VIII.

       IX.

       X.

       XI.

       XII.

       XIII.

       Impressum neobooks

      I.

      Martin stand an der Terrassentüre und drehte sich eine Zigarette. Gerade hatte er gegen Benjamin ein Spiel PSG gegen Bayern verloren. Sie hatten es auf ihrem riesigen Fernseher im riesigen Wohnzimmer gespielt. Wie fast jeden Abend. Wie seit ein paar Monaten.

      „Revanche“, brüllte Benjamin und fuchtelte triumphierend mit seinem Controller herum.

      „Gleich“, sagte Martin angefressen. Seinen Controller hatte er aufs Drei-Meter-Ledersofa gepfeffert. Jetzt blinkte dieser. Das schnurlose Gerät wollte geladen werden.

      „Lass dir die Verlierer-Zigarette schmecken“, spottete Benjamin.

      „Ja“, knurrte Martin und trat auf die Terrasse. Er wusste, dass Benjamin diesen Moment auskosten musste. Die nächste Niederlage kam bestimmt. Da sie das Spiel schon ungefähr gleich lang spielten, waren sie auch ungefähr gleich gut. Es kam nur auf die Tagesform an. Und darauf, wer gerade eine Glückssträhne hatte. In letzter Zeit hatte Benjamin wieder das Heft an sich gerissen. Nach ihrer Rückkehr war Martin besser gewesen, aber seit einer Woche kam er irgendwie nicht mehr aus seinem Tief heraus. Noch konnte er sich in der mentalen Balance halten, aber wenn er ein paarmal häufiger verlieren würde, wäre auch dieser Abend gelaufen.

      „Ich schalt mal um“, hörte er Benjamin von drinnen sagen. In den Spielpausen switchten sie nach wie vor gerne zwischen Spielkonsole und TV hin und her. Den Fanjubel in der Endlosschleife hatten sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört.

      Es war noch etwas kühl hier draußen. Einen Moment überlegte er, den Pulli zu holen, dann aber entschloss er sich zum Quickie-Rauchen Die Terrasse war pikobello aufgeräumt. Sämtliche Flaschen, Aschenbecher, Chipstüten, Tabakreste, Pizzakartons vom letzten Gelage hatte die Putzfrau entfernt. Es roch nach Blüten, frischen Gräsern, einem würzigen Wind; die Vorboten des Frühlings kamen durch die Nacht zu Martin. Im Erdgeschoss der Nachbarvilla brannte Licht. Man konnte es durch die 2-Meter Hecke schimmern sehen. Der schwerreiche Bauunternehmer aß wohl mit seiner Familie zu Abend. Es wurde Zeit, dass das nächste Gelage begann.

      „Matti, Schau dir das mal an!“, rief Benjamin von innen. Martin kannte diese Form von Ausrufen. Es konnte sich um nichts handeln, was sie noch betraf. Sie waren reich und unantastbar. Aber er beeilte sich, rein zu kommen. Es war doch noch etwas frisch für diese Jahreszeit.

      „Jetzt ist die Scheiße wieder am Dampfen“, sprach Benjamin vor sich hin, wie gefesselt von dem, was er vom Fernseher verabreicht bekam.

      Martin steckte seinen Controller ans Ladekabel und sah erst dann auf den 84-Zoll-Bildschirm. „Was meinst du?“

      „Es geht alles von vorne los“, sagte Benjamin konsterniert und sank ein Stück weiter in seinen Sessel ein.

      Martin sah in der Totalen ein großes Gebäude mit einem roten Logo. „Das kenn ich. Das ist die Arbeitsagentur.“

      „Ja“, sagte Benjamin wie von weit her.

      Martin guckte ungerührt. „Das betrifft uns doch gar nicht mehr.“

      „Doch!“ Benjamin fixierte seinen Freund. „Gerade uns!“

      „Warum? Worum geht’s?“

      Benjamin seufzte. „Es ist rausgekommen.“

      „Was?“ Martin stand immer noch auf dem Schlauch.

      „Die Machenschaften der Arbeitsagentur.“ Er schlug mit der Hand aufs Sofa. „Irgendjemand muss geplaudert haben. Irgendjemand, der an dem Projekt beteiligt war. Sicher nicht die faltige Frau. Die hat doch auch ne Menge bekommen.“

      „Ja. Die hat auch dick abkassiert.“ Noch grinste Martin zufrieden.

      Beide hatten sie modische Sidecut-Haarschnitte, die ein Friseur einmal in der Woche nachschnitt, wenn er sie zu Hause besuchte. Dann rasierte er ihnen auch den Bart. Dazwischen liefen sie mit Ein- bis Siebentagebart herum, was ebenfalls dem Zeitgeist entsprach. Eingekleidet wurden sie von einer Modeberaterin, die sie einmal monatlich besuchte und ihnen die neuesten Kreationen empfahl. So sahen sie beide nun aus wie die verwöhnten Kids eines Neureichen, die die Zeit bis zu ihrem Tod totschlagen mussten.

      Benjamin rutschte nervös auf dem Sofa hin und her. „Also muss es aus dem innersten Kreis kommen“, schlussfolgerte er.

      „Was genau wurde denn gesagt?“

      „Dass die Arbeitsagentur Menschen hat verschwinden lassen. Außerdem ist ein berühmter Professor verschwunden. Noch weiß wohl niemand von der Maschine. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch das ans Tageslicht kommt. Dann sind wir dran!“

      Martin schürzte die Lippen. „Warum sollten wir dran sein?“

      „Weil sie dann reden werden. Sie werden verraten, dass wir durch unser Stillschweigen Mithilfe geleistet haben. Das ist Beihilfe zum Mord!“

      Noch immer gab sich Martin betont gelassen. „Wo keine Leichen sind, ist auch kein Mord.“

      Benjamin krallte sich seinen Controller. Er spannte die Armmuskeln an. Dann zerschlug er das Plastikding auf dem Marmorboden. Die Splitter schlitterten über die glatte Fläche in alle Richtungen.

      „Das machst du weg!“, maulte Martin und holte eine neue Controllerpackung aus der Schublade der Mahagonikommode.

      „Ja, ja“, gab Benjamin zurück und ließ sich die verschweißte Verpackung geben.

      „Also noch ist nichts passiert“, glättete Martin die Wogen.

      Benjamin riss die Folie auf und den Pappkarton auseinander, dann steckte er den nagelneuen Controller ans Kabel.

      Martin ging zum Wohnzimmertisch mit der goldgerahmten Glasblatte. Mit einer der herumliegenden Gold-MasterCards teilte er eine Line vom Kokshaufen