Ino Weber

Integration von Muslimen


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      Zu den positiven Effekten zählt, dass nun endlich die nötigen Investitionen in Wohnungsbau, Infrastruktur und Bildung kräftig angestoßen werden. Es wird größere Reformen geben, die allen zugute kommen. Wie der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher betont, ist die Integrationsaufgabe zweifellos ein finanzieller Kraftakt, der aber gemeistert werden kann. Er warnt davor, mit dem Thema nun Ängste zu schüren und zeigte sich auch einigermaßen verärgert über die landesweit kursierenden Gerüchte. Letztlich müsse niemand um seinen Arbeitsplatz fürchten und es werde auch nicht zu einer Überlastung des Sozialsystems kommen oder gar Rentenkürzungen geben, so die feste Überzeugung dieses politisch sehr einflussreichen Wirtschaftsforschers.

      Jetzt schon eine Hochrechnung zu wagen, wo noch keinerlei Daten zur Verfügung stehen, und im Ergebnis allzu optimistische Annahmen zu verbreiten, ist allerdings auch nicht gerade seriös.

      Nach Veröffentlichung der DIW-Studie im November 2015 gab es reißerische Schlagzeilen wie diese: „Nach sieben Jahren bringt ein Flüchtling dem Staat Geld“. Dieser Unsinn taugt vielleicht für die üblichen Übertreibungen in der Boulevardpresse, aber von einer Zeitung wie „Die Welt“ hätte man es nicht erwartet.

      Hier haben wir wieder mal ein negatives Musterbeispiel dafür, wie in unserem Land unrealistische Meinungen unreflektiert medial verbreitet werden. Denn man hätte erkennen müssen, dass diesem Optimismus falsche Annahmen zugrunde liegen. In der Berechnung des Deckungsbeitrags wurden nämlich alles andere als die vollen Kosten berücksichtigt. Und verrückterweise erklärt man neuerdings sogar zusätzliche staatliche Ausgaben gleich noch zum wirtschaftlichen Gewinn. Der bereits zitierte Experte Daniel Stelter hat dafür die passende Kritik parat: „Da wird ein Wohlstandszuwachs auf Pump durch mehr öffentliche Ausgaben als Wohlstandsgewinn verkauft.“ Und auf die Illusionen bezogen, wonach in zehn Jahren ungefähr 40% der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert sein könnten: „Nichts davon hält einer genaueren Betrachtung statt.“ (aus dem langen Blog-Beitrag auf manager-magazin.de) – Fazit: Eine klare Irreführung der Öffentlichkeit.

      Gesellschaftliche Bedeutung und Problem der Assimilation

      Migration ist niemals zu verhindern, sondern wünschenswert und ein Menschenrecht. Integration ist ein besonderer sozialer Prozess, woran Migranten und Einheimische gleichermaßen mitwirken müssen. Zentrales Anliegen dabei ist Chancengleichheit und auch ein ähnlicher Lebensstandard. Was nicht verlangt wird, ist die Aufgabe der kulturellen Identität oder gar eine „vollständige Anpassung“ an die Lebensweise der Deutschen.

      Wollte man eine solche „Assimilation“ ernsthaft einfordern, so müsste eine klare Festlegung existieren, welche Normen und Werte hier eigentlich maßgebend sind, aber in der Hinsicht gibt es weder Klarheit noch konkrete Bestimmungen, allenfalls in sehr groben Umrissen. Dabei ist es ohnehin fraglich, ob eine allmähliche Assimilation der Einwanderer grundsätzlich wünschenswert sein könnte. Sarrazin hat dies klar befürwortet. Politischer Fakt und allgemeiner Konsens ist jedoch, lediglich die Integration anzustreben. Dies ist sicher vernünftig.

      Unabhängig von der verfehlten Gastarbeiterpolitik der BRD in den 1960er Jahren, später auch finanziellen Anreizen zur Auswanderung, war es schon immer so, dass viele Migranten irgendwann in ihr Heimatland zurückkehren. Eine repräsentative Umfrage des Instituts „Info GmbH“ unter rund eintausend Deutsch-Türken im Sommer 2012 ergab, dass sich nur 15% hier zuhause fühlen, während 45% gern in die Türkei ziehen möchten. Von diesen Rückkehrwilligen hat die Mehrheit einen positiven Hauptgrund, sie wollen nämlich das Rentnerdasein in der alten Heimat (bzw. im sonnigen Herkunftsland ihrer Eltern und Großeltern) genießen. Nur etwa ein Drittel der türkischen Migranten hat bislang die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.

      Auch wenn die widersprüchliche Stimmungslage bei den Türken und türkischstämmigen Menschen Sorgen bereitet, so darf dies nicht über die insgesamt sehr hohe Integrationsbereitschaft der Migranten hinweg täuschen. Denn nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung im Jahr 2010 sind 86% der Männer mit Migrationshintergrund stark am beruflichen Weiterkommen interessiert. Dieser Wert liegt deutlich höher als bei Männern ohne ausländische Wurzeln! Allerdings ist zu beachten, dass diese Zahl nichts über die kleinere Gruppe der Muslime aussagt.

      Es gibt noch eine Reihe anderer erstaunlicher Daten, die geeignet sind, die gängigen Vorurteile aufzubrechen oder zumindest jene volle deutsche Wahrheit aufzeigen, die bei Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky und Co naturgemäß nicht zur Geltung kommt. Wer in erster Linie die Problemlage verdeutlichen will, kann gar kein objektives Bild zeichnen, er könnte sich aber sehr wohl bemühen, vernünftig zu argumentieren und sollte nicht so tun, als sei die Situation vollkommen hoffnungslos.

      Aufgeschlossenheit und gute Erwerbsbeteiligung

      Ein solidarisches Bewusstsein ist möglich, trotz aller momentanen Unstimmigkeiten, und ansatzweise bereits erkennbar. Deutschlands Migranten, rund 16 Millionen an der Zahl, sind längst ein tragender Teil der Gesellschaft geworden, die übergroße Mehrheit von ihnen zahlt brav Steuern und ist nicht von Sozialtransfers abhängig. Rund 70% der Migranten und Migrantinnen sind im erwerbsfähigen Alter, während sie bei den Rentnern lediglich 8% ausmachen, ein eklatanter Unterschied zu den angestammten Deutschen, die bereits zu 22% das Rentnerdasein genießen.

      Mit ihrem aufschlussreichen „Faktencheck“ widerlegt die Bertelsmann-Stiftung zehn Vorurteile und nennt diesbezüglich recht erstaunliche Umfrageergebnisse (*), wovon nur zwei Punkte erwähnt seien:

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      (*) siehe www.bertelsmann-stiftung.de, Menüpunkt „Presse“, Unterpunkt „Nachrichten“, dort die Suchfunktion nutzen; – die Mitteilung stammt vom 23.9.2010 und trägt den Titel „Deutschland schafft sich NICHT ab“; googeln nach diesem Titel führt schneller zum Ziel. (Tipp: bei der Suche den Satz in Anführungszeichen setzen!)

      a) „Eine überwältigende Mehrheit der Migranten wünscht sich nach einer Umfrage des Instituts Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung von 2009 einen engen sozialen Kontakt zur deutschen Mehrheitsbevölkerung.“

      b) Auch der verbreitete Vorwurf der religiösen Intoleranz oder Radikalität, womit die Gruppe muslimischer Migranten pauschal konfrontiert wird, ist so nicht gerechtfertigt, denn: „Nach den Ergebnissen des Religionsmonitors der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2008 erklären unter den religiösen Muslimen hierzulande 67 Prozent, dass jede Religion einen wahren Kern hat, und 86 Prozent, man solle offen gegenüber allen Religionen sein.“

      Inzwischen gibt es eine Vielzahl sinnvoller Maßnahmen zur Integration und sie sind auch ökonomisch dringend notwendig, denn die Migranten haben eine deutlich höhere Geburtenrate. Somit wird diese Gruppe mit Sicherheit noch stärker werden. Nicht jedem gefällt diese Tatsache, aber sie ist im Hinblick auf unser derzeitiges Rentensystem durchaus positiv zu werten. Wir kommen allerdings nicht umhin, uns die spezifischen Probleme der Migranten näher zu betrachten, mit der gebotenen Genauigkeit und Fairness zu differenzieren, um die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt zufriedenstellend zu gestalten.

      Jeder Bürger ist dazu aufgefordert, sich um mehr Wissen und eine nüchterne Erkenntnis zu bemühen.

      „Aufwendungen für eine bessere Integration von sozial und wirtschaftlich Abgehängten sind keine Almosen für Bedürftige, sondern Zukunftsinvestitionen im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse“.

      Dies stellen die Autoren einer 2009 herausgegebenen Studie (*) fest. Mit den „Abgehängten“ sind hier sowohl Migranten als auch Einheimische gemeint. – Doch die Studie benennt ansonsten kaum Pluspunkte, spricht dafür alle vorhandenen Defizite schonungslos an. Immerhin wird klar: Schuldzuweisungen und Sozialneid, gerade auch die häufig vorgebrachten Klagen über den vergleichsweise etwas höheren Anteil an Transferleistungen für Migranten, führen uns keinen einzigen Schritt weiter. Festzuhalten bleibt: Das Problem ist lösbar. Die Potenziale sind vorhanden, sie müssen nur mit aller Entschlossenheit ausgeschöpft werden.

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      (*) „Ungenutzte Potenziale – Zur Lage der Integration in Deutschland“, Zitat S. 79

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