Norman Dark

Motel der Geister


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wollen Sie denn da? Doch nicht etwa übernachten?«

      »Nein, arbeiten. Die suchen jemanden für den Empfang.«

      »Das kann ich mir denken. Da hält es doch keiner lange aus. Ich kann Sie nur warnen. Dort ist es nicht geheuer. Es soll nur so wimmeln von Geistern. Da sind Menschen spurlos verschwunden, und Morde hat es auch schon gegeben.«

      »Danke für die Warnung, aber ich bin nicht ängstlich, und an Übersinnliches glaube ich schon gleich gar nicht.«

      »Sie müssen ja wissen, was Sie tun. Mich würden dort keine zehn Pferde hinkriegen, weil mir mein Leben lieb ist.«

      »Okay, Maddy. Falls man mich einstellt, halte ich Sie auf dem Laufenden.«

      »Sofern Sie noch dazu in der Lage sind. Sorry. Eigentlich geht es mich ja nichts an. Jeder ist seines Glückes Schmied. So heißt es doch?«

      Coralie lachte, genoss ihren Donut und den Kaffee und machte sich dann auf den Weg. Es sollte kaum eine Viertelstunde bis zum Motel sein.

      Das Sunrise Motel war ein doppelstöckiger Bau, der in Weiß und Hellblau gestrichen war. Die Türen in hellem Türkis passten gut dazu. Trotzdem wirkte das Gebäude nicht heiter. Vielmehr ging eine gewisse Schwermut von ihm aus. Doch das konnte auch Einbildung sein, dachte Coralie. Sie parkte ihren weinroten Studebaker Commander von 1958, der ihr ganzer Stolz war, vor dem Haus und stieg aus. Zu ihrer Überraschung wurde sie schon vor der Lobby erwartet. Eine ältere Lady, die im Rollstuhl saß und ihr dünnes Haar unter einem Turban verbarg, und ein jüngerer, gutaussehender Mann mit ein wenig verhangen wirkenden Augen, der ihn schob.

      »Hello, Sie müssen Ms Williams sein. Ich bin Florentina Ramirez, und das ist mein Sohn, Laron. Finden Sie nicht, dass Sie etwas zu hübsch sind für den Job?«

      »Danke für das Kompliment, aber muss man am Empfang hässlich sein?«

      »Das nicht gerade, doch man sollte den Männerfantasien keinen Vorschub leisten. Unsere Gäste sind mitunter raue Kerle, für die eine Frau Freiwild ist.«

      »Ich denke, ich werde mit ihnen fertig. Und was meinen Appetit auf Männer betrifft, bin ich gerade auf Diät, um nicht zu sagen: abstinent.«

      »Da hat wohl jemand schlechte Erfahrungen gemacht?«, fragte Ramirez junior und verströmte dabei eine Wolke seines aufdringlichen Aftershaves.

      »Laron, das geht uns wirklich nichts an«, fuhr ihm seine Mutter über den Mund. »Wir haben uns weitgehend aus dem Geschäft zurückgezogen, damit mein Sohn ganz für mich da sein kann. Der Geschäftsführer, Mr. Brewster, den Sie gleich kennenlernen werden, vertritt uns. Sie können ihm sagen, dass wir mit Ihnen einverstanden sind. Oder was meinst du, Laron?«

      »Doch, ich finde, sie passt ganz gut.«

      »Danke, ich freue mich.«

      »Fine, dann lassen Sie ihn nicht länger warten.«

      Syrell Brewster war ein dunkelhaariger Mann in den besten Jahren, dessen auffälligstes Merkmal seine Brille mit dicken Gläsern war. Dahinter konnte man wache, hellblaue Augen erkennen, die durchdringend blickten. Er trug einen Businessanzug, der ihm sehr gut stand und ihm etwas Würdevolles verlieh.

      »So, Sie möchten bei uns arbeiten?«, sagte er mit angenehmer Stimme, aber mit etwas distanzierter Klangfärbung.

      »Ganz recht. Und ich soll Ihnen von Mrs. Ramirez ausrichten, dass sie einverstanden ist. Ebenso wie ihr Sohn übrigens.«

      »Und wann wollen Sie das erfahren haben?«

      »Gerade eben vor der Tür.«

      Syrell sah sie mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht an, wies aber mit der Hand in Richtung Bar.

      »Dann passen Sie ganz gut hierher.«

      »Das meinte Ramirez junior auch schon.«

      »Dort arbeitet Ihr Kollege, Rhett Collister«, sagte Syrell, ohne auf ihre Äußerung einzugehen. »Doch seine Schicht beginnt erst am frühen Nachmittag. Wen Sie gleich kennenlernen können, sind die Zimmermädchen, Grace und Judy. Kommt mal bitte, ihr beiden!«

      Aus einem Nebenraum kamen zwei junge Frauen sehr unterschiedlichen Typs. Die eine brünett mit halblangen Haaren, schlanker Figur und unergründlicher Miene. Mr. Brewster stellte sie als Grace Mason vor, die andere rothaarig, mit weiblichen Rundungen und kokettem Lächeln, deren Name Judy Black war.

      »Das ist Ihre neue Kollegin, Coralie Williams. Sie wird ab heute am Empfang tätig sein und sich mit Mr. Smith abwechseln, damit ich mich wieder voll und ganz der Büroarbeit widmen kann.«

      Grace nickte zur Begrüßung, und Judy deutete sogar so etwas wie einen Knicks an.

      »Auf gute Zusammenarbeit«, sagte Coralie, worauf beide wiederum nickten.

      »So, damit ist die Vorstellungsrunde beendet. Grace, Sie vertreten mich bitte am Empfang, derweil ich Ms Williams ihre Unterkunft zeige, und Judy, Sie können sich wieder um die Zimmer kümmern«, sagte Syrell. »Kommen Sie, ich führe Sie kurz herum.«

      Brewsters Rede ließ keinen Widerspruch zu. Man musste ihm einfach folgen, was auch Grace und Judy beherzigten. Irgendetwas hatte dieser Mann, dachte Coralie, geißelte sich aber im nächsten Augenblick für ihre Gedanken. Vor kaum einer Viertelstunde hatte sie schließlich noch behauptet, an Männern nicht interessiert zu sein.

      »Einen Blick in die einzelnen Apartments können Sie ohne mich werfen. Ich zeige Ihnen jetzt den Bereich, der Ihnen zur Verfügung steht. Sofern Sie darauf zurückgreifen und nicht außerhalb wohnen wollen.«

      »Ach, ich finde es ganz praktisch, auf dem Gelände zu wohnen. Falls es sich nicht gerade um eine Bruchbude handelt.«

      »Das trauen Sie mir hoffentlich nicht zu, Ihnen etwas derartiges zuzumuten?«

      »Weiß man’s? Die Einschätzungen gehen da mitunter sehr auseinander.«

      »Ich kann Sie beruhigen. Es ist ein sehr hübsches Apartment, in dem Sie ungestört sind.«

      Sie liefen auf einen flachen Bau zu, der sich an das Motel und ein etwas größeres Gebäude schmiegte.

      »Wer wohnt dort?«, fragte Coralie interessiert.

      »Dort haben Mrs. Ramirez und ihr Sohn gewohnt, bevor … bevor sie sich aus dem Geschäft zurückgezogen haben.«

      Coralie wagte nicht nachzufragen, warum sie dort nicht wohnen geblieben waren. Aber vielleicht brauchten sie den Abstand.

      Das Apartment, das man ihr zuwies, war ziemlich groß, zweckmäßig eingerichtet, aber nicht ungemütlich. Es verfügte über einen Essplatz am Fenster, ein Bad und sogar eine Pantry.

      »Na, zufrieden?«, fragte Brewster.

      »Durchaus. Ich hätte es schlechter treffen können.«

      »Ein Lob auszusprechen, ist nicht so Ihr Ding, wie?«

      »Doch, ich bin nur nicht der Typ, der gleich in Begeisterungsschreie ausbricht.«

      »Verstehe. Somit sind wir seelenverwandt. Ich bin in dieser Hinsicht auch eher zurückhaltend. Jetzt können Sie in Ruhe auspacken, und wenn Sie mögen, könnten Sie um 16:00 Uhr Ihre erste Schicht beginnen, die dann bis 23:00 Uhr dauert. Danach ist der Empfang nicht mehr besetzt. Morgen lösen Sie dann Mr. Smith ab. Mal sehen, ob er da ist.«

      Brewster klopfte zwei Türen weiter an, und sofort erschien ein etwas jüngerer Dunkelblonder mit durchtrainierter Figur.

      »Ah, Tyson, schön, dass Sie da sind. Ich möchte Ihnen Ihre neue Kollegin, Ms Williams vorstellen. Sie übernimmt heute gleich die Spätschicht. Das bleibt dann für den Rest der Woche so, und nächste Woche tauscht ihr dann.«

      »Welcome, welch Glanz in unserer Hütte.«

      »Halten Sie sich bitte zurück, Tyson. Ms Williams mag wie ein Vamp aussehen, aber sie steht weder dem Personal noch den Gästen erotisch zur Verfügung.«

      »Besser