Norman Dark

Motel der Geister


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ich bin Coralie.«

      »Angenehm. Meinen Vornamen hat man Ihnen ja schon verraten.«

      »Dann bis morgen Nachmittag.«

      »Yep. Ich freue mich.«

      Tyson schloss die Tür, und Syrell sah Coralie an. »Ich schlage vor, Sie kommen nachher eine halbe Stunde früher, damit ich Sie am Empfang einweisen kann. Haben Sie schon mal in einem Motel gearbeitet?«

      »Nein, bisher nicht. Aber ich bin lernfähig und habe eine schnelle Auffassungsgabe.«

      »Okay, dann bis später!«

      Syrell Brewster lief über den Hof zurück zur Lobby. Coralie sah ihm nach. Ja, das wäre ein Mann nach meinem Geschmack, dachte sie. Nur leider kommt er nicht zur rechten Zeit.

      Nachdem sie ausgepackt und ihre Kleidung aufgehängt hatte, sah sie sich intensiv um, wo sie etwas deponieren konnte, das von anderen nicht gleich entdeckt werden würde. Aber erst, als sie den Teppich zurückschlug, fand sie, was sie suchte. Ein knarrendes Dielenbrett deutete auf einen Hohlraum hin. Coralie legte das in eine Plastiktüte gewickelte, dicke Geldbündel hinein, setzte das Brett wieder ordentlich ein und zog den Teppich glatt. Scheinbar hatte schon jemand vor ihr ein Versteck gebraucht, dachte sie. Nachdem sie anschließend einige Einkäufe in einem etwas entfernter gelegenen Supermarkt getätigt hatte, musste Coralie sich beeilen, um pünktlich ihren Dienst anzutreten. Sie wollte schon eine Stunde früher da sein, um sich in Ruhe einweisen zu lassen. Doch überraschender Weise stellten das Kreditkarten-Lesegerät, die Telefonanlage und der PC, auf dem die Buchungen erfasst wurden, keine große Herausforderung dar. Sie trug ein Kleid von zeitloser Eleganz und hatte ihre langen, goldblonden Haare kunstvoll aufgesteckt. Ein bewundernder Blick von Syrell Brewster war der Dank dafür.

      Gegen halb fünf traf der Barmann Rhett Collister ein. Er war das ganze Gegenteil von Syrell. Auf Coralie wirkte er ziemlich gewöhnlich, und sein anzügliches Grinsen fand sie mehr als unangebracht. Sie fand ihn auf Anhieb äußerst unsympathisch und war froh, nicht allzu viel mit ihm in Berührung zu kommen.

      »Hello, schöne Frau. Na, wenn das keine Augenweide hinter dem Tresen ist«, sagte er mit quäkender Stimme und reichte ihr seine feuchte Hand. Seine roten Haare trug er mit viel Gel zurückgestriegelt und sah damit aus wie ein Gigolo aus einem drittklassigen Film. »Ich bin Rhett, und wie werden Sie genannt?«

      »Coralie, aber sie dürfen gern Ms Williams zu mir sagen.«

      »Warum denn so förmlich? Wir sitzen doch alle im selben Boot. Ich werde Sie Cora nennen, wenn es Ihnen recht ist.«

      Coralie zuckte mit den Schultern. »Öfter mal was Neues. So hat mich noch niemand genannt. Aber ich will kein Spielverderber sein.« Was geht es dich an, dass meine Eltern und auch Yoda mich so gerufen haben, dachte sie.

      »Okay, dann werde ich mich mal um meine Gläser kümmern. Wenn Ihnen einer komisch kommt, brauchen Sie nur zu rufen.«

      Das werde ich bestimmt nicht tun, du Westentaschencasanova, dachte Coralie, sagte aber: »Gut zu wissen. Ich hoffe aber, die Gäste wissen sich zu benehmen. Heute scheint es allerdings ohnehin sehr ruhig zu sein.«

      »Das kann sich ganz plötzlich ändern. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Bus ankommt und der Trubel losgeht. Auch habe ich einige Stammgäste, die abends auf einen Drink vorbeikommen.«

      »Wie schön für Sie. Dann wird es nie langweilig.«

      »Ich sehe, wir verstehen uns.«

      Täusch dich mal nicht, dachte Coralie. Lächelte aber wie die Sphinx persönlich.

      Im Laufe des Abends kamen dann tatsächlich noch vier Gäste, die alle nicht gebucht hatten, doch das Kontingent an leeren Zimmern war noch lange nicht verbraucht. Zuerst traf eine Mutter mit Tochter ein, danach zwei einzelne Herren und zum Schluss ein junges Pärchen, mit dem es zunächst einige Probleme gab, denn das Mädchen wollte nicht bleiben.

      »Nein, hier gefällt’s mir nicht, Burt. Komm lass uns weiterfahren.«

      »Jetzt mach kein Theater, Cybil. Das ist schon das dritte Motel, das du ablehnst.«

      »Ja, das erste war völlig verkommen, das zweite glühte nur so vor Hitze, aber keines war so unheimlich wie dieses hier. Spürst du nicht auch die seltsame Atmosphäre? Hier kriege ich Albträume, garantiert.«

      »Du bist hysterisch, Baby. Die nette Lady muss ja denken, du hast nicht alle Latten am Zaun. Wir schieben nachher ein schönes Nümmerchen, und danach schläfst du in meinem Arm ein, wie immer.«

      »Ach, Burt. Ich fange gleich an zu heulen.«

      »Nein, das nicht auch noch. Komm, wir nehmen drüben an der Bar noch einen Drink, dann geht es dir gleich besser.«

      »Ich weiß nicht.«

      »Hören sie nicht auf sie, Lady. Manchmal kann sie eine echte Dramaqueen sein.«

      »Ich würde die Bedenken Ihrer Braut nicht auf die leichte Schulter nehmen«, sagte Coralie. »Wir Frauen haben oft eine sensiblere Wahrnehmung. Und unsere Gäste sollen sich vor allem wohlfühlen.«

      »Siehst du, da hörst du es.«

      »Ja, ich werde schon dafür sorgen, dass du dich wohlfühlst. Und jetzt Ende der Diskussion. Wir haben eine lange Fahrt hinter uns, und ich bin müde. Den Schlüssel, bitte.«

      »Wie Sie wollen. Zahlen Sie mit Kreditkarte?«

      »Ja, was denn sonst? Wer zahlt schließlich heute noch bar?«

      Coralie reichte den Schlüssel herüber. »Zimmer 24. Das ist gleich hier unten neben der Treppe.«

      »Danke, ich hatte schon Sorge, Sie geben uns eins in der oberen Etage. Da ist es noch heißer, sagte Cybil kläglich.

      »Keine Sorge, die Apartments haben alle einen Decken-Ventilator.«

      »Dafür riskiert man unten, dass einem jemand auf dem Kopf herumtrampelt«, gab Cybil nicht auf.

      »Auch in dieser Hinsicht kann ich Sie beruhigen, Das Apartment darüber ist zurzeit nicht vermietet.«

      »Na also. Und jetzt brauche ich auch einen Drink«, meinte Burt.

      Die junge Frau schien sich schnell beruhigt zu haben, denn schon bald erklang ein silberhelles Lachen von der Bar her, vermischt mit der quäkenden Stimme von Rhett.

      Coralie war froh, als ihre Schicht vorbei war. Die Männer an der Bar wollten sie noch zu einem Drink einladen, doch sie winkte ab. Sie war zu müde und wollte nur noch ins Bett. Als sie sich im Bad abschminkte, sah sie im Spiegel, wie auf der Wand hinter ihr etwas blitzte. Sie tat so, als würde sie etwas aus dem Zimmer holen müssen, schlich auf Knien zurück und richtete sich dort auf, wo sie zuvor etwas bemerkt hatte. Es war ein Loch in der Wand, gut getarnt durch das Muster der Tapete über den Fliesen. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und schaute hindurch. Dabei blickte sie direkt in ein fremdes Auge.

      Coralie erschrak heftig und wäre um ein Haar nach hinten über gefallen. Doch dann griff sie beherzt nach der Rolle Toilettenpapier, riss ein paar Blätter ab und stopfte das Loch blitzschnell zu. Sie wartete noch etwa eine Viertelstunde, ob das Papierknäuel von der anderen Seite herausgestoßen wurde. Als das nicht geschah, wusch sie sich, putzte die Zähne – immer mit dem Blick auf das Loch – und fiel schließlich todmüde ins Bett.

      Als sie mitten in der Nacht wach wurde, wusste sie nicht gleich, was sie geweckt hatte. Doch sie spürte, nicht mehr allein im Zimmer zu sein. Auch nahm sie den intensiven Duft eines Aftershaves wahr, das ihr sehr bekannt vorkam. Genau diese Marke hatte Ramirez junior benutzt, war sie sich sicher. Vorsichtig blinzelte sie leicht und sah durch einen Spalt zwischen ihren dichten Wimpern hindurch. Neben ihrem Bett stand Laron Ramirez völlig unbeweglich und starrte sie nur an. Das bläuliche Licht, dass durch die Vorhänge fiel, gab ihm ein bizarres Aussehen.

      Nachdem sie minutenlang wie erstarrt dagelegen hatte, gab sie sich einen Ruck und ließ sich seitlich aus dem Bett fallen. Anschließend hangelte sie nach dem Schalter