Helge Hanerth

Lebensweisheiten eines ordentlichen Trinkers


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      Helge Hanerth

      Lebensweisheiten eines ordentlichen Trinkers

      Einblicke in ein anderes Leben mit Alkohol und in das Kuckucksnest der MPU

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Vorwort

       Das neue Leben mit Führerschein

       Eine Idee entsteht: Das Trinkprojekt

       Das Leben im Trinkprojekt

       Auf dem Weg zur vierten MPU: Die Blaukreuzoption und andere therapeutische Möglichkeiten

       MPU – Der vierte Versuch

       Kritik an mir und den anderen Beteiligten

       Kritik am Verfahren der MPU

       Das kompakte 1x1 für eine erfolgreiche MPU

       Was ihr wollt, oder wieso der Weg der Wahrheit

       Quellenverzeichnis

       Impressum neobooks

      Vorwort

      Nie habe ich gedacht, dass ich ein zweites Buch schreiben würde über Alkohol. Nie habe ich gedacht, dass eine zweite Trinkphase möglich ist. Nie habe ich einen Rückfall für möglich gehalten. Aber das hier ist tatsächlich eine Fortsetzung. Entscheiden Sie selbst, ob es auch ein Rückfall ist. So erzähle ich also weiter über Alkohol und den Kampf gegen seine Folgen.

      Die sorgten diesmal für unglaubliche juristische und gutachterliche Konsequenzen. Wieder wurde mir der Führerschein entzogen. Diesmal nach einer Personenkontrolle an einer S-Bahn Station. Ich war mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Die Streifenpolizisten waren anderer Meinung. Der folgende Antrag eines Staatsanwalts auf ein Gerichtsverfahren wurde ohne hinreichenden Tatverdacht abgelehnt. Den Führerschein erhielt ich zurück, bis auf Intervention des Staatsanwalts bei der Verkehrsbehörde diese den Führerschein wieder einzog. Diesmal musste er nichts beweisen. Es reichte seine vor Gericht widerlegte Version der Dinge, damit die Führerscheinstelle wohlwollend Bedenken erhob, die mich plötzlich beweispflichtig machten, obwohl kein Vergehen vorlag. Nur durch eine Medizinisch-Psychologische Begutachtung (MPU) konnte ich da wieder rauskommen. Dieser raffinierte Dreh des Staatsanwalts führte mich diesmal noch tiefer in ein Kuckucksnest absonderlicher Merkwürdigkeiten fern jeglicher Wahrheit, aber offizieller Realität.

      Mein Vertrauen in gutachterliche Präzision auf wissenschaftlicher Basis wurde zu tiefst erschüttert. Der Gutachter hatte sich ein entsprechend seiner Erfahrung plausibles Bild gemacht, dem ich nur noch zustimmen sollte. Ein makabrer Höhepunkt seiner Annahmen war, das er von einer tatsächlichen Trunkenheitsfahrt als Anlass für die MPU ausging. Das war bei ihm wohl bisher immer so gewesen. So sah er keinen Grund an seinen Überzeugungen aus Erfahrung zu zweifeln, in denen es einen Fall wie den meinen nicht gab. Er ging also ganz selbstverständlich von der Anwendbarkeit seiner Erfahrungen aus, so das er es nicht für nötig erachtet hatte im Vorfeld meine Akte zu studieren. Ganz offiziell lag lediglich ein Verstoß gegen die Abstinenzpflicht vor. Daraus machte der Gutachter eine wiederholte Trunkenheitsfahrt. Meine Einwände fand er unglaubwürdig. Das entsprach einfach nicht seiner Erfahrung.

      Der Experte war einem Kernproblem bei der Begutachtung erlegen. Wenn allgemeine Annahmen erhoben werden ohne ausreichende Wissensgrundlage, können die im Einzelfall in Widerspruch zur Realität stehen. Der Klient, der dann bei der Wahrheit bleibt, kann unmöglich gegen die Überzeugung des Gutachters bestehen. Glaube versetzt Berge, nicht das Wissen.

      Ich war enttäuscht, dass man mich auf ein statistisches Niveau stutzte, das mit meiner Lebensrealität überhaupt nicht zusammenpasste. Die relativen Aussagen von Statistiken wurden zum absoluten Maßstab erklärt. Man erwartete, dass ich ihre Annahmen bestätigte. Darüber hinaus interessierte man sich nur für Maßnahmen, die ich ergriffen hatte, um aus dem tiefen Loch des Alkoholismus herauszukommen, in dem ich mich nie sah. Es war doch alles ganz lustig gewesen und die Trinkphase längst abgeschlossen.

      Ich war schockiert, wie man Fakten ignorierte, wenn sie nicht die Überzeugungen der Experten und ihre Statistiken stützten. So entstanden einige systematische Fehler in ihren Folgerungen, die durch und durch falsch waren und den Prinzipien einer empirischen Vorgehensweise krass widersprachen. Vorsichtige Kritik wurde mir schnell als Unschuldsfantasie oder Widerstandstendenz ausgelegt. So kreierte man ein surreales Kuckucksnest in dem selbstherrlich des Gutachters Gespür und Bauchgefühle regierten. Assoziationen ohne rationalen Bezug dienten der Bestätigung von Überzeugungen. Wenn dem etwas widersprach, dann gehörte es auch nicht in die MPU. Die Rechtfertigungen blieben diffus, denn er suchte nur die Plausibilität, die er vorgab. Er wusste, die Beweislast lag bei mir.

      Damit konnte ich mich nicht abfinden, weder als Betroffener noch als Wissenschaftler. Offizieller Unsinn muss öffentlich gemacht werden, wenn die Abweichung amtlicher Feststellungen von der Realität krass wird. Gutachterliche Qualität mit wissenschaftlichen Methoden muss eine größere und vor allem reproduzierbare Qualität haben. Sie muss unabhängig und frei von Gesinnung sein. Dafür ist die Tragweite solcher Entscheidungen zu weitreichend. Ich hoffe meine Erlebnisse können das deutlich machen.

      Wieder fiel mir nach einer geplanten Trinkphase während eines längeren Auslandsaufenthalts meiner Familie ein alkoholfreies Leben leicht. Alkohol war doch immer die zweite Wahl gewesen. Und es gab so viele Alternativen. Nur wenn nichts anderes ging, dann war das nur noch eine letzte Option, um zu peppen was andere Kicks eigentlich besser konnten. Alkohol bot mir doch nur Feierabendlaune und Bettschwere als vorübergehenden Strohwitwer. Alle meine Hobbys waren prickelnder. Aber nach Feierabend, wenn ich mich im Job durchgesetzt hatte, war es doch ein netter Ausklang zu verdientem Schlummer.

      Das auslösendes Ereignis zu diesem Verfahren war ein Sportunfall, der mir beide Beine brach. Nach der Rehabilitation hatte ich sowieso vor, mein altes Leben wieder zu führen. Alkohol füllte nur ein Zeitfenster. Alkohol zerstreute vorübergehend die Sehnsucht nach mehr. Alkohol blieb ein Mittel zum Zweck. Das alkoholische Craving war keine Gefahr für Prägungen, die tiefer gingen.

      Das war nach meinen Überlegungen überhaupt die zentrale Bedingung, um eine Trinkphase zuzulassen. Bei meinen Lebensprinzipien hatte sich doch nichts geändert. Weiterhin galt: Ich wollte meine Familie. Ich liebte meine Arbeit und meine Hobbys viel zu sehr und wollte sie pur genießen. Nur dann erlebe ich Details und Zwischentöne. In der Tiefe solcher Erlebnisse liegt die Ursache für Nachhaltigkeit und angenehme Erinnerungen. In solchen Situationen tötet Alkohol jedes Feingefühl. Das wusste ich doch so glasklar. Dieser Eindruck hatte sich durch die alkoholfreie Zeit nach meiner ersten Trinkphase noch verstärkt. Alkohol blieb das Substitut für die besseren Alternativen. Die Verachtung gegenüber Alkohol war sogar gewachsen. Konnte es überhaupt eine Droge geben, die mehr drauf hat als die Leidenschaft aktiver Kicks? Aus meiner Alkoholerfahrung heraus, gibt es auf diese Frage ein klares Nein! Wie bescheiden