Beate Müller-Guthof

Adventstories


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meine Frage nicht zu verstehen und antwortet: „Morgen Abend“ und ob ich Zeit und Lust habe, ihn zu begleiten. Er habe doch kein Auto und fahre zwar gerne Rad, aber nicht 100km bei minus fünf Grad. Bei Facebook habe seine Aktion schon zig Likes und er werde auch nicht auf intakte Mauern sprühen.

      Vielleicht, denke ich, ist ja seine Frau nicht einfach mal eben so auf Kur, sondern hatte –so kurz vor Weihnachten- so ihre GRÜNDE. Jedoch -wer weiss, vielleicht ist er ja eben doch ein edler Prinz, getarnt als Landschaftsirgendetwas, und ich befinde mich in einer karmischen Prüfung, die mir auferlegt, das Sein vom Schein zu unterscheiden, also sage ich zu. Ich meine, wie oft hat man in seinem Leben die Chance, mit einem waschechten Prinzen die Weihnachtsbotschaft in die verschneite Stadt zu tragen.

      Am nächsten Abend hole ich mit meinem kleinen Fiat (der übrigens Lumpi heisst) Matthias ab. Er trägt eine dicke Sweatshirt-Jacke mit fest gezurrter Kapuze und ist mit einer riesigen Messenger-Tasche behangen. In der Hand zwei Thermoskannen („Kaffee?“ „Glühwein?“) und eine Dose („Kekse? Hab ich selbst gebacken!“). Ich greife zu und wir starten unsere Mission. Wir beginnen mit der Innenstadt und ich lenke störende Passanten mit dummen Fragen und einem auseinandergefalteten Stadtplan ab, während der Prinz in Aktion tritt. Am Brandenburger Tor wird auf den Boden gesprüht, auf dem Fernsehturm von innen gegen die Scheibe, an der Polizeistation Mitte wagen wir einen Treppen-Tag. Natürlich alles mit ökologisch einwandfreien Lacken. Dann immer noch ein Foto und weiter im Takt. Zwischendurch machen wir Stop in einer russischen Bar und tanzen auf der überfüllten Tanzfläche.

      Mein Prinz und ich.

      Was für ein schöner Abend, Schneeflocken wirbeln die einsamer werdende Stadt in die Nacht, Liebe und Hoffnung wirbeln in dem kleinen Fiat (der Leser wisse: alles rein platonisch) und das Radio plärrt „ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“...

      Wir sind irgendwo zwischen Tempelhof und Britz, ich bleibe im Auto, da es ohnehin auf der Strasse so leer geworden ist und Matthias kommt und kommt nicht wieder. Und als er schlussendlich doch auftaucht, bemerke ich seinen leicht wankenden Gang. Blut läuft ihm aus der Nase.

      „Die Weihnachtsbotschaft ist ihnen schnuppe, haben sie gesagt und wie viele Likes meine Aktion auf Facebook hat, ist ihnen auch egal. WE don't like it, haben sie mir ins Ohr geknurrt. Wenn ich glauben würde, dass ein Toy mal eben King durchs Crossen ihrer Hits mit Wacks wie meinen Quickies werden könne, dann hätte ich mich geschnitten, aber so was von, denn sie würden sich jetzt gerade sehr gedisst fühlen. Dies ist ihr Turf, haben sie gesagt, und ich werde jetzt mal lernen, was Respekt vor ihrer Crew heißt,“, Matthias wischt sich mit dem Sweatshirtärmel das Blut von der Nase. „aber dann wollten sie noch wissen, was ich denn überhaupt mit meinem Weihnachtsbotschaftsquatsch meine, und als ich Liebe, Friede, Glaube, Hoffnung, Licht und Wunder sagte, haben sie sich ausgeschüttet vor Lachen. Dieser Moment war meine Chance schnell wegzurennen. Naja, Glück gehabt. Weiter geht’s, oder?“

      ***

      4

       24.12., 12.24h

      Noch ein paar Rechnungen ausgestellt, das Weihnachtschnäpperken mit den Monteuren und dann Richtung Kling Glöckchen klingelingeling...

      Klingeling,

      Klingeling klingeling-

      Wer wird denn da noch was wollen so kurz vorm Feste?

      Klingeling klingeling klingeling.

      Doch nicht etwa Finanzamt?

      Klingeling klingeling klingeling klingeling

      Ganz schön hartnäckig. Bestimmt Finanzamt.

      Klingeling klingeling klingeling klingeling klingeling.

      Naaaaagut, ich komm ja schon.

      „Blechzange und Söhne, Oldtimer und Neuwagencare, Alois Blechzange am Apparat“

      „Ich weiß, mein Lieber.“

      Dumpfe Stimme, ziemlicher Hall. Klingt irgendwie nach Ferngespräch.

      Mein Lieber? Wahrscheinlich nicht Finanzamt.

      „Alois, ich habe ein Problem“, sagt die tiefe Stimme. Und jetzt bin ich sicher- Finanzamt wirklich nicht. Die haben keine Probleme, die bereiten nur welche. Muss zwischen den Feiertagen unbedingt diese leidige Steuerklärung...

      „Kennst du dich mit Schlitten aus?“

      Seit wann duzen Kunden eigentlich ihren Master, pardon, ich meine, Werkstattmeister? Sei’s drum, der Kunde ist ja König.

      „Und ob ich mich mit Schlitten auskenne.“

      Habe gerade dem aus dem Fernsehen, na, wie heißt er noch mal, achja dem Tony Danony seinen Aston Martin zur Care gehabt. Das sind die Sternstunden, die man sich als Junge erträumt. Und komme sogar mit Lenas Lumpi, einem recht eigenwilligen Fiat, klar. Wobei man den natürlich nicht unbedingt als Schlitten bezeichnen kann -ist aber trotzdem eine Leistung.

      „Da sind Sie, pardon, da bist du, goldrichtig. Mit wem habe ich überhaupt die Ehre?“

      „Alois, mein Name tut hier nichts zur Sache, wohl aber meine Mission.“

      Mission- Spinner gibt’s. Ich habe auch eine Mission.

      Mission Gans abholen. Deswegen wollen wir uns heute mal kurz halten.

      „Herr, äh, also, es ist kurz vor Mittach, äh, Feierabend und im neuen Jahr stehen wir Ihnen, also, äh , dir mit altbekannter Kompetenz und neuen Schraubenschlüsseln zu Dienste, es wäre also super...“ Super sagt man doch, wenn man sich duzt, oder? „...also super, wenn wir für Ihre, sorry, deine Mission gleich im Neuen Jahr einen Termin machen könnten...“

      „Die Mission kann nicht warten und der Schlitten zieht nicht, ich komme jetzt sofort vorbeigesaust, o.k.?“

      „Aber...“

      „Nichts aber“, grummelt es väterlich in mein Ohr.

      „Du guckst dir den Schlitten an und ich werde dich fürstlich mit Talern entlohnen. Wahlweise Gold- oder Schokotaler.“

      Ohgottogott, Typen gibt’s.

      Wie werd ich den denn jetzt los, ohne dass mein Ruf ruiniert ist. Ich meine, das kennt man ja, nachher ist es einer dieser Witzheinis vom Radio und dann kannst du aus die Maus mit der Werkstatt einpacken. Auf der anderen Seite, wenn ich zu spät mit dem Braten nach Hause komme, kann ich irgendwie auch einpacken. Nämlich meinen Koffer, weil dann Tini auspackt. Nämlich ihr Nudelholz.

      „Mein Herr, welches Modell fahren Sie, also fährst du denn?“

      „Fahren, hohoho. Also, ich fliege einen Christmas 3000, Kufen verchromt mit 16 RS...“

      „PS“ rutscht es mir heraus und ich schäme mich sofort.

      Denn wie lautet das 2. Gebot der Goldenen Tipps für jede Werkstatt? Der Kunde hat immer Recht.

      „RS“ weiss es natürlich der Anrufer besser.

      Und: „Schau ihn dir einfach an...“

      Klick.

      Und im nächsten Moment -klingeling klingeling klingeling- schwingen 16 Renntiere in meinem Werkstatthof ihre Glöckchen und hinten im Christmas 3000 sitzt: ER. DER KUNDE.

      Also, für mich jedenfalls ist Weihnachten gelaufen und meine Monteure, fürchte ich, müssen heute auch Überstunden machen.

      5

       Der Wunsch

      Den ganzen Nachmittag saß Marlene schon in ihrem Sessel und feilte am WUNSCH.

      Übermorgen war Weihnachtsfeier in ihrem Wohnbereich und es war Tradition, dass jeder Heimbewohner und auch das Pflegepersonal einen Wunsch an den Weihnachtsbaum hängte.

      Der