Michael Schenk

Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen


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einen Korb, der frisch geschürft, aber noch nicht bearbeitet ist.«

      »Nicht viel.«

      Der Schwingenführer seufzte. »Nein, das ist nicht viel. Es reicht nicht für

      alle Schwingen. Nur für ein paar Streifenflüge zum Schutz des Horstes und

      für den Feueratem von drei oder vier Lederschwingen.«

      »Wenig Gelbstein … wenig Zeit.« Der dreieckige Kopf pendelte auf dem

      langen Hals vor und zurück, während Feedanaa intensiv nachdachte. »Horst

      muss gehen Norden … viel früh. Menschfreund fliegen Schwinge Nord.

      Suchen Gelbstein. Schnell. Freund Schädelkopf … nicken oder schütteln?«

      »Ich nicke und stimme dir zu, Herrin des Horstes.« Mordeschdar nickte

      bestätigend. »Unsere Lage ist ernst. Wir haben nicht genug Gelbstein, um

      unseren Horst zu verteidigen. Nicht genug, um in der Ebene zu jagen und

      unseren Jägern Schutz zu bieten. Wir brauchen neue Gelbsteinvorkommen.

      Neue Quellen.«

      Feedanaa nickte. Sie hatte die menschliche Geste übernommen. »Brauchen

      neue Quellen. Rasch.«

      »Mit Anbruch des kommenden Tages wird die Expedition in den Norden

      beginnen«, versicherte Mordeschdar.

      Die Schwingenreiter verneigten sich erneut und zogen sich dann zurück. In

      der Nähe des zerstörten Arsenals berieten sie sich untereinander.

      »Das verfluchte Unwetter hat unsere Pläne zunichtegemacht«, knurrte

      Palschudar missmutig. »Wir wollten den Norden erst in zwei oder drei

      Jahreswenden erkunden.«

      »Nun brechen wir eben etwas früher auf.« Mordeschdar hakte die Daumen

      hinter seinen Leibgurt und wippte leicht auf den Fersen. »Im Grunde macht es

      keinen großen Unterschied.«

      »Den macht es wohl«, warf ein anderer ein. »Wir brauchen mehrere

      Schwingen, um das nördliche Gebirge auszukundschaften und dort nach

      Gelbstein zu suchen. Mehrere Schwingen und viel Zeit. Die Tiere müssen tief

      in die Gebirgsschluchten vordringen, denn sie riechen den Gelbstein nur auf

      geringe Entfernung. Das braucht seine Zeit.«

      »Und während sie schnüffeln«, ergänzte Palschudar, »müssen andere

      Schwingen sie mit ihrem Feueratem schützen.«

      »Dafür ist nicht genug Gelbstein übrig«, stellte Mordeschdar mit leiser

      Stimme fest. »Zumal wir noch den Horst sichern müssen. Ihr kennt Feedanaa.

      Auch wenn uns hier eigentlich keine Gefahr droht, legt sie Wert darauf, dass

      er immer gut geschützt ist.«

      Palschudar sah den Schwingenführer skeptisch an. »Schön. Wie viele

      Schwingen willst zu entsenden?«

      »Eine«, knurrte Mordeschdar.

      »Eine?«

      Der Schwingenführer nickte. »Jene, die am besten dafür geeignet ist. Die

      mit dem besten Geruchssinn.«

      »Den haben die Jungen«, sagte ein Reiter lakonisch.

      »So ist es.«

      Die Männer sahen Anschudar an, und der junge Schwingenreiter begriff.

      »Ich?«

      »Nein, Showaa«, korrigierte Mordeschdar und lächelte knapp. »Sie ist

      unbestreitbar die Jüngste. Aber da du ihr Schwingenreiter bist, wirst du sie

      begleiten.« Der Schwingenführer legte eine Hand auf die Schulter des

      überraschten Jungen. »Es wird ein großes Abenteuer für dich und deine

      Showaa werden. Du musst das nördliche Gebirge erkunden und nach

      Gelbstein suchen. Das bedeutet eine große Verantwortung für dich und

      Showaa. Eine Verantwortung für die Zukunft unseres Volkes,

      Schwingenreiter.«

      Anschudar nickte benommen. »Dann werden wir sie auf uns nehmen.«

      Mordeschdar sah unbewusst nach Norden. »Ein fremdes und vielleicht

      feindliches Gebirge, junger Schwingenreiter. Dort gibt es Bodenläufer.

      Angeblich sollen einige von ihnen auf Pferden reiten. Aber das ist sicherlich

      nur eine alte Legende.«

      »In jedem Fall wird es dort Orks geben«, meinte Palschudar. »Diese Brut

      der Finsternis hat sich ja überall ausgebreitet.«

      Anschudar nickte. »Ich werde vorsichtig sein und auf Showaa achten.«

      »Dann nutze Wind und Schwingen, Anschudar«, sagte Mordeschdar

      freundlich.

      »Nutze Wind und Schwingen«, stimmten die anderen Schwingenreiter ein.

      Am kommenden Morgen würden Anschudar und Showaa aufbrechen.

      Nach Norden. Der Fremde entgegen. Um nach der Zukunft des Horstes zu

      suchen und vielleicht den Tod zu finden.

      Kapitel 3

      Der Wind war schneidend und strich unbarmherzig durch die Täler der

      Hochmark. Der Winter kam früh. Eigentlich viel zu früh, und er würde sehr

      lang und kalt werden. Obwohl die Menschen der Mark daran gewöhnt waren,

      bereiteten sie sich in diesem Jahr besonders gründlich darauf vor. Überall auf

      den Feldern um die Stadt Eternas wurde fieberhaft die zweite Ernte

      eingebracht. Denn Getreide, das nicht innerhalb weniger Tage in den

      Scheunen und Vorratshäusern lag, würde dem Frost zum Opfer fallen. Viel

      früher als gewohnt wurden die Ställe ausgebessert und die Dächer darauf

      überprüft, ob sie der Last von Schnee und Eis standhalten würden.

      Es war früh am Morgen, und die Schritte des Mannes knirschten auf dem

      Boden der kleinen Koppel, der von Reif überzogen war. Er war von schlanker

      Statur und hatte sich eng in den grünen Umhang der Pferdelords gehüllt,

      dennoch konnte er ein Frösteln nicht unterdrücken. An seinem rotbraunen

      Helm mit dem goldenen Symbol des Pferdevolkes wippte bei jedem Schritt

      ein blau gefärbter Rosshaarschweif auf und nieder. Dieser und der schmale

      blaue Saum des Umhangs zeigten an, dass er ein Schwertmann der Hochmark