Arno von Rosen

Xzentrische Weltzeit Geschichten


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greller Aufschrei zerriss die Stille in der Höhle, und wurde durch das Gewölbe noch verstärkt. Sofort trat Koller ein paar Schritte auf sie zu.

      „Es ist ein Notizbuch meines Vaters! Ich kenne es. Er hatte es immer bei sich.“

      Sybille drehte sich um, und hatte Tränen in den Augen. Sie wischte sie mit dem Ärmel weg, und hielt triumphierend das Büchlein vor sich.

      „Ich wusste es Friedrich, ich wusste es“, schluchzte sie. „Jetzt werde ich vielleicht erfahren, was meinem Vater zugestoßen ist.“ Sie drückte den gefundenen Schatz an ihre Brust, und lief zurück zum Felsbrocken. Friedrich Koller warf noch einen Blick in die Grotte und folgte ihr.

      Als sie das Höhlensystem verließen, begann es bereits zu dämmern. Koller war erleichtert, als er sah, dass ihre Träger bereits die Zelte aufgebaut, und eine Feuerstelle eingerichtet hatten. Wenigstens würde es bald etwas zu Essen geben. Danach ließen sich die überraschenden Ereignisse etwas besser verarbeiten.

      Das Feuer knisterte beruhigend, und aus dem nahen Dschungel drangen die Geräusche der nachtaktiven Tiere zu ihnen herüber. Seit dem Essen wurde kaum ein Wort gesprochen, und die Träger hatten sich schon in ihre Schlafzelte zurückgezogen. Koller lehnte sich gemütlich in seinen Klappstuhl zurück, und Sybille hielt sich an einer heißen Tasse Kaffee fest und starrte in die Glut.

      „Hast Du schon hinein gesehen?“

      Sybille schüttelte den Kopf, machte den Mund auf, und schloss ihn wieder, bevor sie leise antwortete.

      „Ich wollte es erst, aber dann bekam ich Angst, was wohl darin stehen mag. Immerhin ist das alles, was es in den letzten 23 Jahren als Lebenszeichen von meinem Vater gab.“

      Friedrich hielt ihr die ausgestreckte Hand hin, und es dauerte eine Weile, bis sie zögerlich das kleine rote Buch aus der Jackentasche zog und es ihm bedächtig in die Hand legte. Koller lächelte, und sah sich das Objekt von allen Seiten an, roch am Einband, an den Seiten, und öffnete es dann vorsichtig.

      Zunächst erschienen nur ältere Notizen, die bereits vor der Expedition eingetragen wurden, bis er schließlich den Beginn der Höhlenaufzeichnungen fand. Er überflog die ersten Zeilen, und warf dann einen Blick auf die Ethnologin, die nervös auf ihren Stuhl herum rutschte. Mit leiser Stimme las er den ersten Eintrag vor.

      „17. April. Endlich habe ich mein Ziel erreicht. Meine Begleiter haben mir geholfen das Lager aufzubauen und sind sofort wieder umgekehrt. Angeblich soll auf der Höhle ein Fluch liegen, aber ich konnte ihnen den Aberglauben nicht ausreden. Sie werden mich in sechs Wochen wieder abholen. Bis dahin habe ich noch eine Menge Arbeit, wenn ich alles vermessen und dokumentieren will.“

      Koller sah zu Sybille rüber, der Tränen in den Augen standen.

      „Soll ich weiter lesen“, fragte er sanft. Sie nickte, und er blätterte die Seite um.

      „21. April. Der Regen lässt schon seit Tagen nicht mehr nach. Kein Problem, solange ich im Berg bin, aber mein Zelt ist ständig nass und das Bettzeug ist klamm. Bisher habe ich die Gänge auf der linken Seite abgelaufen, und bin etwa drei Kilometer weit gekommen, bis kein Durchlass mehr zu finden war.

       23. April. Endlich ist es trocken, und die Vermessungen gehen mir jetzt leichter von der Hand. Der mittlere Teil der Höhle ist sehr verzweigt. Habe eine große Grotte gefunden, mit Kalksteinablagerungen an den Decken. Ich habe sogar noch neue Tiere entdeckt, mit blinden Augen und ohne Hautpigmente. Leben ist überall möglich scheint es.

       26. April. Der Regen ist mit aller Macht zurück. Ich war gezwungen, dass Zelt umzustellen, da sich an der alten Stelle ein Bach gebildet hatte. Zwei Tage verloren. Mir fehlt meine Kleine, und meine Frau.

       27. April. Trotz des Regens setze ich die Untersuchung des Mittelteils fort. Ich habe erste Aufnahmen der Grotte gemacht, auch wenn es schwer war, die Fotoausrüstung bis dorthin zu schleppen. Was aus den Aufnahmen geworden ist, werde ich leider erst in ein paar Monaten wissen, wenn ich wieder zu Hause bin.

       29. April. Die Sonne ist zurück, aber ich habe vorgesorgt. Habe mir verschiedene Pflanzen aus dem Dschungel geholt, an denen Wasser einfach abzuperlen scheint, und diese über meinem Zeltdach befestigt. Es ist jetzt alles trocken. Die Natur ist doch wunderbar!

       02. Mai. War jetzt zwei Tage am Stück in der Höhle, um nicht immer Zeit zu verlieren beim Ein- und Aussteigen. Ich mache jetzt einen Tag Pause und schreibe die Ergebnisse in meine Tabellen. Ich gäbe etwas darum, würde endlich mal jemand eine tragbare Minischreibmaschine erfinden. Bis dahin schleppe ich mich am Papier krumm und buckelig.

       05. Mai. Heute wird meine kleine Bille drei Jahre alt, und ich wünschte, wir könnten gemeinsam ihren Geburtstag feiern. Ich weiß nicht, ob das mit einem exotischen Tier klappt, aber wir werden uns nach meiner Rückkehr einen kleinen Hund ansehen. Morgen verlasse ich die mittlere Sektion und gehe die rechten Gänge ab.“

      Koller blickte zur Wissenschaftlerin, die aber ihren Blick auf das Feuer gerichtet hielt. Immer noch rannen ihr Tränen über die Wangen, aber jetzt lächelte sie dabei.

      „Meine Mutter hat mir später einen Hund gekauft, weißt Du. Ich habe ihn Tarzan genannt, wie den Dschungelhelden, weil er immer auf mich aufgepasst hat. Er hätte meinem Vater sicher gefallen, auch wenn er eine Promenadenmischung aus dem Tierheim war. Der konnte sogar Türen aufmachen.“

      Friedrich sagte nichts, sondern las weiter.

      „07. Mai. Die Regenzeit neigt sich ihrem Ende zu. Das Camp ist jetzt trocken und die Nächte angenehm zum Schlafen. Allerdings sind meine Vorräte schneller geschwunden, als berechnet. Ich werde meine Tagesration herabsetzen, da ich erst Anfang Juni mit den Trägern rechnen kann.

       08. Mai. Ich habe wieder eine große Kammer gefunden, mit einem See darin. Er ist aber zu tief, um hindurch zu waten. Ich werde meine spärliche Taucherausrüstung ausprobieren müssen. Zum Glück habe ich diesen neuen Hochleistungsscheinwerfer mitgenommen, der auch unter Wasser funktioniert. Ich glaube aber, dass hinter dem Wasser der Gang weiter gehen könnte, deshalb wage ich es.

       10. Mai. Heute konnte ich in der Höhle ein Erdbeben spüren Einige Steine haben sich aus der Decke gelöst. Ich werde eventuelle Nachbeben abwarten, bevor ich zum See zurückgehe. Derweil werde ich mein Jagdglück probieren, und nach essbaren Früchten suchen. Schließlich werden die Tiere im Urwald ja auch irgendwie satt.

       13. Mai. Habe kein Wild erlegen können, aber Obst gefunden. Es schmeckt ausgezeichnet und ergänzt meinen Speiseplan ausreichend. Morgen kehre ich zurück in den Berg, um den See zu untersuchen und den Gang dahinter, falls es ihn gibt, was ich hoffe.

       15. Mai. Das Wasser war sehr kalt, aber ich habe das andere Ufer erreicht. Durch einen Erdrutsch ist aber der weitere Weg versperrt. Ich werde versuchen das Geröll zu beseitigen. Draußen ist jetzt sonniges Wetter. Mist.

       18. Mai. Habe wirklich alles versucht, komme aber mit meinen bloßen Händen und einem Spaten nicht weiter. Für Notfälle habe ich mir eine Stange Dynamit mitgenommen, ich weiß aber nicht, ob die Detonation nicht doch zu stark wäre. Das Risiko ist sehr hoch, aber ich habe nicht mehr viel Zeit, bis die Expedition endet.

       20. Mai. Habe mich entschlossen zu sprengen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es keine gute Lösung, da wichtige Spuren zerstört werden könnten. Morgen schaffe ich alles aus der Grotte raus, damit meine Ausrüstung keinen Schaden nimmt.

       22. Mai. Alles ist vorbereitet. Ich habe ein Loch in den unteren Teil des Felsbrockens gebohrt und es so gut wie möglich wieder verschlossen, damit der Stein kaputt geht. Nach dem Zünden der Schnur, habe ich noch fast drei Minuten bis zur Explosion. Ich muss es bis dahin ans andere Ufer schaffen und in den Gang hinaus, um der Druckwelle zu entgehen. Ich nehme nur den Scheinwerfer mit, um schneller schwimmen zu können.“

      Es vergingen ein paar Augenblicke, bis Sybille ihn ansah.

      „Warum liest Du nicht weiter? Sind die Aufzeichnungen zu