Ben Worthmann

Tödlicher Besuch


Скачать книгу

440-828a-7ef545601877">

      Ben Worthmann

      Tödlicher Besuch

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1.

       2.

       3.

       4.

       5.

       6.

       7.

       8.

       9.

       10.

       11.

       12.

       13.

       14.

       15.

       16.

       17.

       18.

       19.

       20.

       21.

       22.

       23.

       24.

       25.

       26.

       27.

       28.

       Impressum neobooks

      1.

      „Möchtest du noch etwas trinken? Mal einen Gin vielleicht oder doch lieber einen Kaffee?“

      Sie nippte an ihrem Rotwein, schaute auf ihre Armbanduhr, nachdem sie das Glas auf dem flachen Couchtisch abgestellt hatte, und schüttelte den Kopf. Infolge der Bewegung schimmerten im matten Schein der Stehlampe ein paar kleine Lichtreflexe auf ihrem kinnlangen kastanienbraunen Haar.

      „Danke, lass mal“, sagte sie mit ihrer Stimme, die fast etwas zu jung klang im Vergleich zu ihrem schmalen, ebenmäßigen Gesicht mit den winzigen Fältchen um Augen und Mund. „Es ist spät geworden, schon nach zwölf. Ich glaube, es wird langsam Zeit für mich.“

      „Du willst also gehen?“

      „Es ist besser. Jedenfalls heute. Bestellst du mir ein Taxi? Ich muss noch mal kurz verschwinden.“

      Er nickte wortlos und hätte auf Anhieb kaum zu sagen gewusst, ob es wirklich Enttäuschung war, was er empfand. Oder doch, ja, im Grunde und bei ehrlicher Prüfung seiner selbst wusste er, dass es keine Enttäuschung war, sondern ihr Gegenteil, Erleichterung. Er hatte einen Fehler gemacht, und inzwischen fragte er sich, wieso er eigentlich auf den Gedanken hatte kommen können, diese Frau zu sich einzuladen, sie einfach zu fragen, ob sie noch mitkäme. So etwas war sonst ganz und gar nicht seine Art. Jedenfalls nicht mehr, seit sein Leben in neuen, geordneten Bahnen verlief, was ja nun mittlerweile seit etlichen Jahren der Fall war.

      Ausgerechnet jetzt, kurz vor Annas Rückkehr, eine fremde Frau mit nach Hause zu nehmen, das war wirklich eine besonders schlechte Idee gewesen. Da half auch keine billige Ausrede wie etwa die, dass diese Frau es ihm aber auch verdammt leicht gemacht und nach nur kurzem, womöglich nicht einmal ganz ernst gemeintem Zögern eingewilligt hatte. Fast hatte es für ihn so ausgesehen, als habe sie nur darauf gewartet.

      Doch dann, in den gut eineinhalb Stunden, seit sie in seinem Haus angekommen waren, war gar nichts weiter geschehen, außer dass sie miteinander geredet und einige Glas Wein getrunken hatten. Es hatte ihm gefallen, sich mit ihr zu unterhalten. Sie war lebhaft und vielseitig interessiert und konnte sich gut ausdrücken. Aber ihr Gespräch, bei dem es im wahrsten Sinn um Gott und die Welt gegangen war, beflügelt dann auch noch von den Wirkungen des Weins, war immer merkwürdig unpersönlich geblieben. Einige Male war sie aufgestanden, um die Bilder an den Wänden und die Bücherreihen in den beiden hohen Regalen zu betrachten, doch sie hatte nichts dazu gesagt, keine Fragen gestellt. Das hatte ihn insofern irritiert, als gerade seine Bilder zuvor in dem Lokal ein Thema gewesen waren, das sie besonders zu interessieren schien. Und letztlich hatte er sie sogar als Argument für seine Einladung benutzt, wenn auch eher beiläufig, da besonderer Nachdruck gar nicht notwendig gewesen war.

      Auch zu dem Ensemble von Fotos und Zeitungsausschnitten, das hinter Glas über der kleinen Vitrine mit den Trophäen hing, hatte sie nichts gesagt. Doch das war ihm weniger befremdlich vorgekommen, da er davon ausging, dass sie damit ohnehin wenig anfangen konnte und es ihr vermutlich schwerfiel, sie in einen Zusammenhang mit ihm zu bringen. Bei der Gelegenheit war ihm wieder eingefallen, dass er all das Zeug am liebsten weggeworfen hätte, doch Anna beharrte darauf, dass auch dies zu seinem Leben gehörte und dass es falsch sei, bestimmte Kapitel davon auslöschen zu wollen.

      Mehr und mehr war es ihm vorgekommen, als umgebe seine Besucherin eine Aura aus Unbefangenheit und freundlicher Unverbindlichkeit, sodass von ihr zeitweilig alles zu gewärtigen schien oder eben am Ende auch gar nichts. Und mochte auch anfangs einiges nach einem unausgesprochenen Arrangement für den Rest der Nacht ausgesehen haben – zumindest nach den gängigen Maßstäben -, so hatte es im weiteren Verlauf des Abends von ihrer Seite keinerlei noch so geringes Signal mehr gegeben, das auf erotische Abenteuerlust hätte schließen lassen.

      Jetzt erhob sie sich vom Sofa, griff nach ihrer Handtasche, einem Beutel aus weichem dunklem Leder, blieb einen Moment lang vor ihm stehen und berührte kurz seine Schulter, während sich ihre Blicke trafen. Sie hatte große, sehr dunkle Augen, über deren Farbe er sich noch genauso wenig klar geworden war wie über ihr Alter, das irgendwo zwischen Ende zwanzig und Mitte dreißig liegen mochte. Und irgendetwas war