Ben Worthmann

Tödlicher Besuch


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lassen.

      Er duschte ausgiebig, rasierte sich, föhnte sich das dunkle, neuerdings von immer mehr grauen Strähnen durchzogene Haar, das er gern etwas zu lang trug, verpflasterte die Wunde über dem Auge und rieb sich den Körper mit einer schmerzstillenden Salbe ein, die er sonst manchmal gegen Muskelkater benutzte. Dann zog er sich eine dunkelgraue Cordhose und einen schwarzen Rollkragenpullover an, trank zwei Tassen Kaffee und aß ein Vollkornbrötchen mit Quark und Honig. Anschließend fühlte er sich nicht mehr ganz so schlecht. Vielleicht sollte er versuchen, diese Geschichte einfach zu vergessen, sie abzuhaken, so zu tun, als sei sie gar nicht geschehen. Mit Vergesslichkeit kannte er sich immerhin ein bisschen aus, dachte er mit leiser Bitterkeit. Bis Anna Mitte der nächsten Woche zurück war, würden die äußeren Blessuren hoffentlich verschwunden sein.

      Doch dann fiel ihm wieder die junge Nachbarin ein, die nette Frau Stegmüller, ja, so hieß sie. Anna war ziemlich leutselig und nutzte bestimmt jede Gelegenheit, um mit den Leuten in der Straße näher ins Gespräch zu kommen. Dass die beiden Frauen sich schon begegnet waren, hatte er mitbekommen. Und wenn sie einander das nächste Mal über den Weg liefen, musste er damit rechnen, dass diese Frau Stegmüller irgendwelche Bemerkungen machen würde, trotz ihrer Zusage, die Sache für sich zu behalten. So recht mochte er nicht auf ihre Diskretion vertrauen. Was Anna sagen würde, wenn sie erführe, dass er mitten in der Nacht blutend und hilflos dort bei der Nachbarin aufgetaucht war, wollte er sich lieber nicht vorstellen. Er würde in Erklärungsnot geraten und ziemlich blöd dastehen. Und er hasste solche Situationen. Er wusste, dass er im Lauf der Jahre in mancherlei Hinsicht dünnhäutiger geworden war.

      Das Beste war wohl, wenn er der Frau jetzt gleich den Werkzeugkoffer zurückbrachte und die Gelegenheit nutzte, noch einmal mit Nachdruck klarzustellen, dass da wirklich nichts weiter gewesen war, nur ein kleines Missgeschick, das der Erwähnung kaum lohnte. Vielleicht gelang es ihm ja, ihr ein regelrechtes Versprechen abzuringen, nicht darüber zu reden.

      Aber er wollte jetzt nicht zu Fuß gehen, sondern den Wagen nehmen. Dann könnte er anschließend gleich weiter in die Stadt fahren und später irgendwo zu Mittag essen. Er zog seinen Mantel an, steckte Handy und Schlüssel ein und ging zur Garage. Was er sah, als er sie öffnete, brachte alles wieder ins Wanken, auch ihn selbst, sodass er sich kurz am Türrahmen festhalten musste. Die Doppelgarage war leer, sein Volvo-Kombi verschwunden.

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