Richard Baker

Schattenwelten


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des Lesers besser Bewohners. Das Grundstück trotzte dem chaotischen draußen und war freundlich nur nach innen gekehrt, wie eine Schildkröte in ihrem Haus. Lucullus lebte wie alle Reichen in einer Festung.Die Außenmauern hoch und mit Eisenstacheln versehen. Die Marmorfassade des zur Gasse gerichteten Eingangshauses hatte nur oben kleine Fenster angebracht. Auf einem der höchsten Punkte Roms erbaut, überschaute man von der Gartenterrasse das Suburaviertel, an klaren Tagen konnte man von dort bis nach Ostia sehen. Der Senator saß zur Stunde, wenn die Nacht auf den Morgen, Mata Matuta auf die Göttin Aurora trifft, zwischen vierter und fünfter Nachtwache auf der Terrasse im Park. Beim Bau der Anlage hatte man nur den kostbarsten Marmor verwendet, selbst die großen Flanierwege waren von quadratischen Marmorplatten bedeckt. Die Trinkbrunnen, auf denen kostbare Pfauen hockten und mit den Köpfen unter dem Gefieder schliefen, waren mit Korallen und Edelsteinen verziert. Abseits auf einem künstlichen Hügel befand sich der Familientempel der Venus geweiht sowie eine Bibliothek. Bewacht wurde der Reichtum von schweren doch sehr agilen Molosser Hunden und in der besten Gladiatorenschule Italias in Capua ausgebildeten Gladiatoren, die Lucullus zu duzend kaufte und überall in seinen Besitzungen als Wachen verteilte. Manchmal erstand er sich auch nur ein Paar um sie bei einer Lustbarkeit gegeneinander kämpfen zu lassen, aber nie mit scharfen Waffen, dazu war diese Investition zu kostspielig und im Gegensatz zu seinem Namen war er kein Verschwender, sondern Luxus und Dekadenz hatten einen Zweck zu erfüllen, sollten jemanden Wichtiges beeindrucken oder eine bestimmte Botschaft Vermitteln.Rufus Lucullus sinnierte und beobachtete den obersten Liktor der das marmorne Geländer unruhig auf und abging. Quintus war ein großer und muskulöser Mensch voller vibrierender Energie und einer der Wenigen von denen der Senator fasziniert war. Der Liktor des Gerichts trug eine dunkelbraune Tunika und ein schwarzes Tuch um den Hals gebunden. Er lief wie ein gefangener Löwe die Brüstung auf und ab und hielt die Hände zu Fäusten geballt, was er nur machte, wenn er in grüblerischer Stimmung war. Wenn man ihn erblickte, kniff man den Mund zusammen. Ein so entstellter Mann darf keinem römischen Beamten dienen, dachten die meisten Leute. Der scharfsinnigere Teil, zudem auch der Richter gehörte, sah die wunderbare Schönheit, die aus den grässlichen Narben sprach, die das Antlitz des Amtsdieners zerfurchten und es teilten. Wenn man ihn kannte, wurde der Anblick mit der Zeit immer weniger abstoßend und er hatte freundliche Augen. Der Volksmund behauptete, einen schönen Menschen könne nichts entstellen. Der Senator lächelte, als er in anschaute und sich fragte, ob er jemals die Freundschaft des Mannes erringen würde. Ein kleiner plumper Mann mit rundem rotem Gesicht war der Senator, wie Großvater und Vater vor ihm ein Mäzen Roms und der Künste und Förderer der Philosophen. Ein Patrizier der die Welt von oben herab beobachtete aber doch auffallend, sympathisch in seiner Verachtung für alles Rohe und Primitive war und Fehler übersehen konnte und der auch über sich uns seine Marotten lächeln konnte. Lucullus war in diesem Jahr zum Prätor dem obersten Richter gewählt, und als Mann von Scharfsinn sehr beunruhigt. Das Herz des Imperiums war Rom. War das Zentrum der Welt, war der marmorne Mittelpunkt der bewohnten Erde. Rom war das Machtzentrum, was vom Senat beschlossen, wurde dessen Auswirkungen fühlten Millionen über den Erdball verteilt. Es war die Stadt, reich an Kunst und Künstlern und noch reicher an Literaten und Philosophen die Stadt atmete seine Menschen und spuckte Kultur in noch nie da gewesenen Umfang. Es war eine Stadt größer und internationaler als Alexandria. Hier lebten die Menschen der unterschiedlichsten Kulturen aus den entferntesten Provinzen dicht bei dicht beisammen. Nordländer mit roten Haaren neben nubischen Händlern. Auf den Straßen wimmelte es normalerweise von Leben, reiche Damen besorgten ihre Geschäfte in Sänften getragen, griechische Ärzte liefen in Gruppen und voller Würde zum Asklepios Tempel auf der Tiberinsel, gallische Offiziere der angeworbenen Hilfstruppen belagerten die Schenken, italische Senatoren kauften Wein neben dem hiberischen Seemann, der zu Geld gekommen war. Emon Priester palaverten mit orientalischen Geschäftsleuten über den Verkauf von germanischen Sklaven. Rom hatte eine Million Einwohner, es war eine Stadt, wie sie nie zuvor existierte. Und das dieses Leben für seine Bewohner weiter ungestört verlief, war eine der Aufgaben, mit denen sich ein Prätor konfrontiert sah.Lucullus stand auf und schlenderte mit einem Becher Falernerwein in der Hand und dem Sklaven, der die Weinamphore trug im Schlepptau zur Balustrade, und sah hinab in die elende Welt der Anderen. Senator Lucullus sah mit besorgter Miene in den schwarzen Himmel. Seine runden abfallenden Schultern unter der mit dem Purpurstreifen gesäumten Toga sanken ein, als er sich mit den breiten Händen auf die Brüstung der Marmorterrasse stützte und auf Rom hinabschaute. Aus dem in Schatten gehüllten unendlichen Häusermeer drang kein einziger Laut herauf. Er lauschte, in den Feigenbäumen des mit kunstvollen Statuen gesäumten Gartens sangen seltene Singvögel, die in jedem Winter ersetzt werden mussten. Seine exotischen Vögel vertrugen keine Kälte und die Verpaarung mit einheimischen Vögeln hatte bisher keinen Erfolg in Form eines Geleges gezeigt.„Die Senatoren haben Rom verlassen“, sagte er endlich. „Die Herrschaft hat wieder das Gesindel. Die Stadt der Städte ist bei Nacht zum Ort des Schreckens für seine Bewohner geworden. Die Angst kann ich bis hier oben hinauf riechen.“Quintus, der nun neben ihm stand, hörte dem Senator schweigend und mit besorgtem Ausdruck in seinem von Messerschnitten entstellten Gesicht zu. Die rechte Hand des Liktors des römischen Kriminalgerichtes ruhte auf dem Leder umwickelten Griff des Kurzschwertes, das er unter dem Umhang verdeckt trug. Selbst hier oben auf der Terrasse, 80 Meter über Rom, war es drückend heiß trotz des künstlichen Flusses, der im Park entlang plätscherte und in dem sich wie Schweine gemästete exotische Fische tummelten.Der Prätor verschränkte die Arme. Die Augen waren weiter auf die in bedrohliche Schwärze gehüllte Stadt gerichtet. Er vermisste den Anblick der zahllosen roten Dächer, das strahlende Weiß des Marmors, der zu Gebirgen für Häuserfassaden, Kolonnaden und Tempel verbaut wurde. Er vermisste den Anblick, wenn die blutrote Sonne sich auf den vergoldeten Dachpfannen der Tempel spiegelte und die Luft mit seinem Glanz erfüllte. Von hier konnte er, den Merkur Tempel Suburas sehen ein uraltes Gebäude, dessen bronzenes Dach von Alter und Zeit oxidiert war und grün leuchtete.„Roms Farbe ist nicht das Braun des Adlers, der unsere Legionen schmückt. Es ist das Rot der unendlichen Schieferdächer, das Eierschalenweiß des Marmors.“ Er hob beide Hände, als übe er für eine Rede und sprach weiter: „Und nun? Nachts sind die einzigen Menschen, die man erblickt vertierte Staatssklaven, die auf ihren Karren die Leichen in die Abfallgruben vor die Stadtmauer schaffen. Und bei Dunkelheit hört man nur das Leid der Hilflosen und das Gelächter der Verbrecher. Es ist, als würde man Charons Fährboot in den Straßenschluchten Roms erblicken. Als sei unsere obere Welt zum Orkus zur Schattenwelt geworden. Als wären wir gestorben und niemand hatte so viel Mitleid uns ein kleines Geldstück unter die Zunge zu legen.“ Er drehte sich dem Liktor zu und fuhr fort: „Nur in den Elendsquartieren der Subura, rührt sich etwas Giftiges! Quintus riechst du diesen Pesthauch nicht auch des Nachts? Es ist, als seien die Titanen aus ihren Kerkern entkommen, um mit den Göttern und Menschen Krieg zu führen.“Der Liktor nickte von schweren Gedanken erfüllt. „Die Stille ist ganz und gar nicht gut, Senator. Die Leute waren schon seit Ausbruch des Fiebers weniger auf den Plätzen und Straßen unterwegs, doch seitdem auch das Tragen der drei Aeskulapbildnisse durch die gesamten Viertel der Stadt keine Besserung des Fiebers gebracht hat, sieht man nur noch Verbrecherfratzen dort unten.“Lucullus schüttelte den Kopf. Er ging hinüber zu seinem hochlehnigen Weidenstuhl und setzte sich an den gewaltigen Bronzetisch, der einmal im Königspalast von Perperikon gestanden hatte und hinter dem nun zwei Sklaven nur auf ein Zeichen des Prätors warteten. Der Tisch war bedeckt mit gerollten und ausgerollten Papyri. Neben ihm stand sein Schreiber Germanicus an seinem Pult. Dahinter erhoben sich die vergoldeten Säulen des Atriums. Er hob die Arme und ließ sich von seinen Sklaven aus seiner Toga wickeln. Erleichtert und nun in luftiger Tunika sagte er lächelnd: „In dieser Luft kann man ja kaum Leben und wir wollen den Arbeitstag ja nicht zu förmlich beginnen.“ Er winkte dem Schanksklaven und schaute zu seinem Liktor und fragte: „Sind die gestrigen Totenzahlen gemeldet worden?“Quintus kam von der Balustrade zum Tisch und sagte mit gerunzelter Stirn: „Die Todesfälle nehmen nicht mehr zu, Venus sei dank. Es gab 10 Tote alle in der Subura.“ Leise fügte er hinzu: „In Transtiberim sind es bedeutend mehr Tote, vor allem Kinder und es konzentriert sich auf die Gassen direkt am Fluss.“In kraftloser Geste hob der Senator seine Hand. Er dachte an das Stadtviertel, eine Ansammlung schmutziger krummer Lehmgassen und windschiefer Hütten, in denen Zehntausende wohnten. „Transtiber liegt nicht innerhalb der servillischen Stadtmauer und wird nicht zu Rom gezählt. Schade ich habe mich mit dem Seuchenarzt des Esquilin Sosigenes unterhalten. Niemand weiß, welche Ursache das