Yahya Wrede

Der Cyber-Mönch


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diesen hier, und die beiden Raubtiere spüren dies, es flößt ihnen für einen Moment sogar Respekt ein. Im Unterschied zum damaligen Kräftemessen mit seinen Antenaten ist unser Björn diesmal bestens ausgestattet mit allerlei Jagdgerät, man weiß ja nie, Pfeile, Schwert, Speer, Messer, alles dabei. Viel nachzudenken braucht er jetzt nicht mehr, es geht alles intuitiv, schnell, aus Erfahrung, wobei ihm die einzelnen Sekundenbruchteile wie lange Minuten vorkommen, Zeit genug, um seine Taktik abzuwägen. Er wiegt den Speer in seiner Hand, schätzt ab, welchen der beiden Gegner er damit angehen soll, er weiß, er hat nur einen Versuch. Bären sind Einzelgänger, sie jagen nicht im Rudel, dennoch, irgendetwas verbindet gerade diese beiden, womöglich, da sie von den gleichen Eltern abstammen, auch wenn das bei erwachsenen Bären für gewöhnlich keine Rolle spielt. Normalerweise, wenn es um die Jagd geht, sind sie erbitterte Konkurrenten, gerade deshalb auch ihre Nähe zueinander, denn es bereitet jedem von ihnen eine diebische Freude, dem jeweils anderen dessen Beute streitig zu machen und möglichst wieder abzujagen. Und so eine schöne Beute wie diesen stattlichen jungen Jägersmann hatten sie lange nicht vor der Nase. Dennoch, sie spüren, das ist ein harter Brocken, seine blanken Waffen funkeln in der Sonne, eigentlich geht man solchen Erscheinungen besser aus dem Wege, trotz des Übergewichts. Sie blicken sich kurz an, ja, zusammen könnten sie es schaffen, Einigkeit macht stark, was ist schon ein edler Jägersmann gegen zwei echte Jäger des Waldes, doch dann überkommt sie wieder der gewohnte Stolz, es dem anderen um jeden Preis zeigen zu müssen, und so will jeder den grünen Koloß für sich alleine erledigen. Wo zwei sich streiten, könnte sich der dritte freuen, doch auch er hält nichts von Volksweisheiten und zieht es lieber vor, stattdessen die Waffen zu zücken, jetzt heißt es, Angriff ist die beste Verteidigung. Dann nimmt das Drama, zweiter Akt, seinen Lauf, die Einzelheiten ersparen wir uns, während die geballte Wucht eines Zweimeter-Speeres, gefolgt von einem Regen spitzer Pfeile, sich über die Jagdgesellschaft entlädt, abermals bis zum bitteren Ende, nur diesmal mit umgekehrten Vorzeichen.

      Und wieder dürfen wir uns, aller guten Dinge sind drei, ein paar Jahrzehnte darauf am nämlichen Ort versammeln. Wieder haben wir zwei junge Burschen vor uns, noch nicht ganz auf der Schwelle zum Mann, die bei ihrem Vater in die Lehre gehen, ein Töpfer ist er, doch auch leidenschaftlicher Jäger, aus Tradition, einer seiner Vorfahren hatte einmal zwei Bären gleichzeitig erlegt, so viel Ehre verpflichtet. Die beiden Nachkömmlinge machen sich gut, sind sehr geschickt und konzentriert bei der Arbeit, wenn sie auch manches mal, nach Ansicht des Vaters, zu viel Ehrgeiz darin an den Tag legen, sich gegenseitig überbieten zu wollen, anstatt auf die formvollendete Ausführung ihrer tontöpferischen Pflichten achtzugeben. Ein Lehrling, der zum Gesellen und späteren Meister werden will, so pflegt er sie dann zu belehren, müsse Zeugnis geben seiner Fähigkeiten und, falls diese hinter den in ihn gesetzten Erwartungen zurückblieben, nochmals in die Lehre gehen, wieder und wieder, bis zum großen Tag der Lossprechung. Das Geheimnis sei, beim Arbeiten nicht an das erhoffte Ergebnis zu denken, oder an das, was die anderen meinten, sondern allein an die wohlgestalte Ausführung des Gesellenstücks, denn Einfluß könne jeder nur auf sein eigenes Tun nehmen, nicht auf dessen Wirkungen auf andere, die sich aus vielerlei Ursachen speisten. Jede andere Einstellung stände nicht mit der Würde der angestrebten Meisterschaft in Einklang, in Demut zu schaffen und sich des daraus resultierenden Segens still zu erfreuen. Größere Arbeiten verrichten sie daher zusammen, er hofft, beide würden sein Geschäft dermaleinst brüderlich fortführen. Aber wir schweifen ab, schreiten wir flugs voran zum Kern des dritten Akts, die Zeit drängt bekanntlich, gerade heutzutage, wo jeder so gerne mehr davon hätte, auch wenn die meisten dann, wenn es soweit ist, gar nicht wissen, was sie denn nun mit ihr anfangen sollen. Eines Tages nun, auf der Jagd, sahen sie nun alle drei einen stattlichen Hirsch auf einer uns bekannten Lichtung stehen, die erste der beiden nämlich, der sich, sobald er den Hauch dreier fremder Gerüche wahrgenommen, lieber zum Gehen wandte und, noch ruhig, seinem Alter und seiner Würde entsprechend, im unsichtbarmachenden Dickicht verschwand, woraufhin sie ihm alle drei nachsetzten. Nun sind Hirsche, damals wie heute, durchaus flinke Burschen, gerade wenn man ihnen zu dreien nachsetzt, und so verwundert es nicht, daß sie ihn kurzerhand aus den Augen zu verlieren drohten. Geschwindigkeit war das Stichwort, und der Vater, als der Versierteste unter den Dreien, entledigte sich kurzerhand seines schweren Jagdgerätes und sonstigen Gepäcks und eilte allein weiter, die jungen Weidmänner sollten ihm, so gut es eben ging, damit folgen. Das Rennen ging weiter, vier Füße stoben voran, zwei Füße flogen hinterher, vier Füße stolperten unter der Last des väterlichen Erbes hinterdrein. Auf der nächsten Lichtung angekommen, ja, genau die, Schauplatz zweier von der Welt weitgehend unbeachtet gebliebener bedeutender Dreikämpfe, wendet sich der Verfolgte - auch er hat eine Tradition zu wahren, denn so haben es ihm seine Vorhirsche und davor deren Ahnen sich immer ins wohlgeschwungene Ohr geröhrt - schnell nach links, mitten in den Wald hinein, gut, daß sein Softwareupdating schneller und zuverlässiger funktioniert, als wir das von unserer heutigen Navigationstechnik sagen können, denn der Wald war mittlerweile etwas dichter geworden, und er wäre ansonsten sicherlich in eine grüne Sackgasse geleitet und ihm dann freundlich anbefohlen worden, am nächsten Baum links, wenn möglich, bitte zu wenden. Der Verfolger, dem Adler gleich, der nur seinen Beutevogel im Visier hat, sprintet hinterher, so daß beide des Augenpaares nicht gewahr werden, das sich vom anderen Ende der Lichtung dieses seine wohlverdiente Mittagsruhe störende Spektakel mitansehen muß, gänzlich ungehalten ob des Lärms trappelnder Füße und krachender Zweige, jedoch unwillig, als Dritter im Bunde der Gesellschaft etwa auch noch selbst hinterherzulaufen. Nun, wir ahnen es bereits, nimmt das Schicksal zum dritten Male seinen Lauf, gleich unseren beiden jungen Helden, die mit etwas Verspätung auf ihre Lichtung stoßen, noch mehr lästige Schallwellen verursachend ob ihrer Lasten und des jugendlichen Übermutes, mit diesen herumzuscheppern. Nun müssen sie aber, wie vor langer Zeit schon einmal geschehen, bremsen, denn vor ihnen steht ein imposanter Vertreter der Spezies ursus arctos horribilis, sehr verärgert, auch das ist mittlerweile Tradition, ob des vielen Herumgerennes in seinem Revier zur schönen Mittagszeit. Alle drei stehen sie nun da und fixieren sich, mucksmäuschenstill, jeder taxiert den anderen. Der Fehdehandschuh fällt unsichtbar herab, auch das gehört mittlerweile zum guten Stil dazu, und wären wir in Griechenland, so hätte sicher Ares persönlich ihn geworfen. Die Brüder, gar nicht dumm, befleißigen sich des väterlichen Kriegsgerätes, diesmal ist zum Geschwisterzwist keine Zeit, die Griffe wirken fachmännisch, wie oft geübt, obgleich sie noch nie in einer solchen Situation gestanden haben, außer in ihrer Phantasie natürlich, denn die Geschichte ihres siegreichen Urahns hatten sie natürlich oft gehört und sich an seine Stelle geträumt, nicht ahnend, daß sie ebenso eng mit ihm wie mit seinen beiden damaligen Gegnern verbunden sind, deren Erbe sie ebenfalls verwalten müssen. Sie blicken sich kurz an, ja, zusammen könnten sie es schaffen, Einigkeit macht stark, was ist schon ein hochgereckter Meister Petz gegen zwei junge Draufgänger ihres Kalibers, jedoch, zunächst überkommt sie wieder der gewohnte Stolz, es dem anderen und dem Vater, ja dem ganzen Dorf zu zeigen, wer hier der Held ist und den Koloß für sich alleine erledigen kann, wo doch der große Urgroßahn allein gleich zwei von der Sorte geschafft hatte. Trotz alledem, ob unsere beiden Jungmannen nun etwas von Volksweisheiten halten mochten oder nicht, so halten sie im Zweifel doch lieber zusammen, ganz wie sie es der Vater mühsam gelehrt hatte, und denken nicht mehr an das Bärenfell, sondern zuvörderst an das Erlegen seines momentan Besitzers. Wie gehabt können wir uns die Einzelheiten weidmännischer Kriegsführung ersparen und nehmen nur zur Kenntnis, wie ein Speer, gefolgt von einem Regen spitzer Pfeile, sich über die Lichtung hinweg bewegt, auf das ihm und vom Schicksal vorherbestimmte Ziel zu.

      So schließt sich denn endlich der Kreis, die lange Lehrzeit ist beendet, gemeinsame Abenteuer schweißen zusammen, wenn man sie denn überlebt, und ein noch größeres wartet nun auf unsere Helden, endlich in die Fußstapfen ihrer Wegbereiter zu treten auf der weiteren Reise des Lebens. Doch das ist eine andere Geschichte.

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