Karin Kehrer

Diener des Feuers


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      Er schüttelte resigniert den Kopf. „Nein, Xarga, bestimmt nicht. Niemand kann mir helfen. Ich muss nur manchmal jemanden haben, bei dem ich meine Enttäuschung und meinen Zorn abladen kann.“ Er lächelte sie zaghaft an und fuhr unmutig mit der Hand durch die Luft.

      „Und die hässliche Alte ist genau die Richtige dafür“, murmelte sie. Xarga war nicht böse darüber, eher sogar geschmeichelt. Der junge Feuermagier schien sie zu mögen, was seine oftmaligen Besuche bei ihr bewiesen. Und sie mochte auch ihn. Die Gründe dafür verschloss sie tief in ihrem Herzen.

      Yal seufzte tief. „Weißt du, was es Neues gibt? Hast du etwas gehört?“

      Sie nickte langsam mit dem Kopf. „Es liegt Ärger in der Luft. Ich spüre es in meinen alten Knochen. Die Kobolde haben mir berichtet, dass meine Schwester ihre Trauer aufgegeben hat.“

      Yal lächelte. „Tatsächlich? Du hast nie etwas über eine Schwester erzählt.“

      Ein Schatten flog über Xargas Gesicht. „Aus gutem Grund. Lalana und ich stehen uns nicht sehr nahe. Um nicht zu sagen, wir gehen uns aus dem Weg.“

      Yal erstarrte. „Du meinst Lalana Yallasir? Sie ist deine Schwester?“ Eine seltsame Neuigkeit, die ihn frösteln ließ.

       Der feuchte Windstoß.

      War das keine Vision gewesen? Beobachtete Lalana ihn?

      Er erinnerte sich nur zu genau an den Zorn und das merkwürdige Interesse, das die schöne Wassermagierin ihm entgegenbrachte. „Vielleicht tut sie das tatsächlich“, murmelte er. „Varruk will wohl ganz sichergehen.“

      „Wovon sprichst du?“ Xarga starrte ihn mit offenem Mund an.

      Er beobachtete die Flammenzungen, die an den Holzscheiten leckten. „Ach nichts.“

      Yal fragte sich, was zwischen den beiden Magierinnen vorgefallen sein mochte. Die Tatsache allein, dass sie verschiedenen Elementen angehörten, konnte es nicht sein. Aber vielleicht verachtete Lalana auch ihre Schwester nur. Schließlich herrschte seit langem Zwist zwischen den Erdmagiern und denen der anderen Elemente. Ein uralter Groll, der damit zu tun hatte, dass die Erdmagier sich in den großen Kriegen auf die Seite der Hynnen geschlagen hatten.

      Xarga unterbrach seine Gedanken. „Du vergräbst dich in Arbeit, ich habe deine Besuche vermisst. Es ist nicht der König, der deine Dienste so sehr in Anspruch nimmt, nicht wahr?“

      Yal nickte abwesend, schwieg.

      „Ich nehme an, du darfst nicht darüber sprechen. Ich kenne Varruk. Er hatte schon immer eine Vorliebe für Intrigen und Ränke. Und am liebsten hat er die, welche er selbst inszeniert. Der Tod Madryls muss auch für ihn ein ziemlicher Schock gewesen sein.“

      Ein kurzes, dumpfes Klopfen jagte durch Yals Schädel. Er seufzte kurz. „Ich möchte eigentlich nicht über Varruk reden.“

      „Du bist wirklich ziemlich am Ende, nicht wahr?“

      Yal hörte das Mitgefühl in ihrer Stimme und fragte sich, ob es echt war. Er wusste noch immer nicht recht, ob er ihr wirklich in allem vertrauen konnte.

      Sie bemerkte die plötzliche Zurückhaltung und zuckte mit den Schultern. Dann meinte sie, etwas weicher: „Vielleicht brauchst du einfach einen Moment der Entspannung. Sieh nur, was ich für dich habe!“

      Die Erdmagierin hievte sich schwerfällig aus dem Stuhl und humpelte zu einem der zahlreichen Regale, die ihre Hütte ausfüllten. Behutsam nahm sie eine kleine Schachtel herunter, die mit einem goldfarbenen Faden verschnürt war.

      Ein Lächeln glitt über Yals Gesicht. Xarga kicherte und schob ihm die Schachtel über den Tisch zu. Er öffnete sie feierlich. Welche Überraschung hatte sie heute für ihn? Veilchenpralinen! Seine Lieblingssorte!

      Vorsichtig nahm er mit den Fingerspitzen eine der Kostbarkeiten aus der raschelnden Umhüllung. Zart tupfte er die kandierte Blüte an und löste sie von der Schokolade. Er steckte sie in den Mund. Sie zerging auf seiner Zunge und hinterließ einen süßen, nach Frühling schmeckenden Hauch. Yal seufzte sehnsüchtig. Woher um alles in der Welt hatte sie frische Veilchen bekommen? Hier in der näheren Umgebung blühten sie noch nicht.

      Sie suchte ab und an den Markt auf, um Kakaobohnen und andere Zutaten zu kaufen, die sie für ihre Leckereien brauchte. Woher sie die Mittel hatte, um sich diese exotischen Spezialitäten leisten zu können, wusste er allerdings nicht. Es kümmerte ihn auch nicht wirklich.

      Xarga kicherte wieder. Seine Vorliebe für Süßigkeiten war ihr nur zu gut bekannt. Mit ihren Künsten beeindruckte sie ihn immer wieder.

      Er ließ die Schokolade in seinem Mund schmelzen. Ihr zartbitterer Geschmack bildete einen starken Kontrast zur duftigen Süße, welche die Blüte in seinem Mund hinterlassen hatte. Er dachte einen flüchtigen Augenblick an eine zierliche blonde Schönheit, und an einen dunklen, kräftigen Mann, der sich mit ihr vereinigte. Xarga mit ihrer verdammten süßen Zauberei!

      „Wie geht es eigentlich Neerma?“, meinte er leise.

      Die Erdmagierin zuckte ein wenig zusammen. Ausweichend meinte sie: „Es geht ihr gut. Sie ist ihrer Bestimmung gefolgt und zu den Inseln des Lichts gegangen. Ihr Element ist das Licht. Seltsam, ich hätte nicht gedacht …“ Sie brach ab.

      Yal spürte, wie sie sich verschloss. Natürlich war es merkwürdig, dass die Tochter einer Erdmagierin sich dem Licht zugehörig zeigte, aber manchmal kam es durchaus vor, dass die Nachkommen magischer Wesen andere Kräfte als die ihrer Eltern aufwiesen. Er fragte sich allerdings nicht zum ersten Mal, wie ein solch hässliches Geschöpf wie Xarga eine so schöne Tochter haben konnte. Die Erdmagierin war offensichtlich mit einem Fluch belegt worden, aber sie schwieg beharrlich über alles, was das betraf.

      „Ach, sie ist also in der Obhut Irisanas. Schade“, sagte er leichthin, um die Stille zu überbrücken.

      Die Erdmagierin reagierte empfindlich auf alles, was ihre Tochter betraf, seit sie ihn erwischt hatte, als er das Mädchen beim Fest der Kobolde küsste. Wenn Neerma sich jetzt auf den Inseln des Lichts aufhielt, war sie unerreichbar. Magier anderer Elemente hatten nur in besonderen Fällen Zutritt zum Reich Irisanas.

      Neermas Kuss war süß gewesen. Süß wie diese Pralinen.

      „Möchtest du noch eine?“, fragte Xarga in seine Grübeleien und schob ihm die Schachtel hin.

      Yal sah überrascht auf. „Du bist heute sehr großzügig“, grinste er.

      Die Erdmagierin zuckte die Schultern. „Diese verdammte Dunkelheit schlägt sich auf mein Gemüt. Ich werde sentimental. Oder ist es das Alter?“

      „Wahrscheinlich Letzteres“, feixte er.

      „Ach du“, schnarrte sie. „So alt bin ich nun auch wieder nicht. Ich komme schon zurecht. Und ich liebe die Einsamkeit. Aber was ist eigentlich mit dir? Du solltest dir vielleicht doch eine Frau nehmen, die dein Bett wärmt. Für einen Mann ist es nicht gut, alleine zu sein, selbst wenn er ein Magier ist.“

      Yal zuckte zusammen. Sie hatte wieder einmal seinen wunden Punkt angesprochen. Es gab keine Frau unter den Menschen, die freiwillig länger mit ihm zusammenblieb. Sein Aussehen und seine magischen Kräfte schreckten die meisten ab. Das hatte er in der kurzen Zeit, seit er in Findward war, bereits erfahren. Und unter seinesgleichen war die Auswahl nicht gerade groß.

      „Es gibt viele schöne Mädchen in Findward“, meinte Xarga.

      „Ja, natürlich“, sagte er. „Aber die meisten haben Angst vor mir. Ist auch kein Wunder. Ich entspreche einfach nicht den Vorstellungen von einem braven Gefährten und Vater. Und eine vom Liebestrank berauschte kichernde Gans kann ich nicht ausstehen.“

      Sie hatten dieses Thema schon oft genug erörtert. Xarga machte sich anscheinend ernsthaft Sorgen um sein Leben. Er musste lächeln. Was ihn betraf, schien sie mütterliche Instinkte zu hegen.

      Xarga mochte ihn wirklich. Es gab vielleicht so viele Gründe dafür, wie sie Finger an einer Hand hatte.