Ute Dombrowski

Diebe in Nastätten


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aber er wollte sie noch ein bisschen zappeln lassen, denn dass sie sich zusammen mit Lene schon wieder eingemischt hatte, musste bestraft werden. Außerdem hatte sie ihm noch die ganzen Leute auf den Hals gehetzt.

      „Jaja, ich bin auf der Couch eingeschlafen, aber nach dem Duschen ging es wieder mit dem Rücken.“

      „Ach, du armer Mann, ich dachte schon sonst was.“

      Sie aßen und tranken, grüßten die ersten Marktbesucher, redeten und lachten. Jetzt ließ Reiner die Bombe platzen.

      „Ich mach mich dann mal auf den Weg, muss ja noch zu dieser Alina Barolsen und den Tatbestand aufnehmen. Danach will ich nochmal zu meiner Nachbarin. Der wurden heute früh die Gartenschuhe gestohlen.“

      „Ach nein, wirklich? Woher weißt du das denn?“

      „Ich habe den Dieb gesehen.“

      Jetzt klappte Undines der Unterkiefer herunter und Reiner feierte sich für den perfekten Überraschungsangriff. Er lachte und legte einen Arm um seine Freundin.

      Als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte, rief sie: „Was für ein Ding! Bist du ihm hinterher? Hast du ihn gestellt? Woher wusstest du, dass …“

      „Undine, Undine, bleib locker. Ich habe ihn vom Badfenster aus entdeckt.“

      Jetzt berichtete er, wie sein Morgen verlaufen war.

      „Ach du je, jetzt denken deine Nachbarn, dass du mich betrügst - ausgerechnet mit Gisela. Das ruiniert unseren Ruf völlig.“

      „Ach was, der Paul war einfach neugierig. Soll er ruhig tratschen, wenn er den Gehweg fegt.“

      „Wie sah er denn aus?“

      „Wer? Paul? Der sah aus wie immer. Jogginghose und …“

      „Der Dieb natürlich!“

      Reiner lachte.

      „Dunkle Jacke mit Kapuze und schwarze Jeans. Ich konnte ihn nicht genauer sehen und als ich rauskam, war er weg.“

      „Vielleicht kam dir die Haltung bekannt vor? Oder der Gang? Überleg mal!“

      „Ich überlege schon die ganze Zeit, aber ich kenne ja noch nicht alle Nastätter.“

      „Das war bestimmt einer von außerhalb! Wir Nastätter sind keine Diebe!“, rief in diesem Moment Jasmin, die mit Zorro vorbeigekommen war und noch einen Stapel Flyer auf den Tisch legte.

      „Ich weiß, die Nastätter sind Engel. Guten Morgen, Jasmin.“

      Undine nickte.

      „Recht hat sie. Wir sind friedlich und klauen keine Schuhe.“

      „Würdet ihr es irgendjemandem zutrauen, den ihr kennt?“

      Undine und Jasmin sahen sich ratlos an und zuckten gleichzeitig mit den Schultern. Gleichzeitig ging auf Reiners Schulter ein Schlag nieder und als er sich umdrehte, sah er in die Augen von Günther Betzberger.

      „Guude! Habt ihr schon gehört?“

      „Was?“, fragte Reiner und schüttelte die Hand ab.

      „Hier geht ein Dieb um!“

      „Aber Günther, woher weißt du das denn schon wieder?“

      Günther sah Jasmin hochnäsig an.

      „Ich bin immer gut informiert. Ich habe auch gehört, dass die Polizei sich nicht rührt. Das ist wieder mal typisch.“

      „Was Sie nicht sagen“, brummte Reiner, „ich bin eben auf dem Weg zu einer Zeugenbefragung. Ich kümmere mich nämlich um den Fall. Und das sogar an meinem freien Tag.“

      „Soll ich jetzt applaudieren? Dann mal hopp an die Arbeit! Undine, hast du noch so eine grüne Schale? Ich brauche ein Geschenk.“

      Undine zeigte Günther alles, was sie im Angebot hatte, Jasmin zog mit Zorro wieder los und Reiner fühlte sich überflüssig. Als ein paar Meter weiter auch noch der Bürgermeister in sein Blickfeld kam, winkte er Undine zu und lief in Richtung Schule.

      Er schleppte sich den Berg hoch und schnaufte, als er endlich an Alina Barolsens Tür klingelte. Im Inneren des Hauses hörte er einen Staubsauger, der jetzt verstummte. Die Tür wurde aufgerissen und auch hier zeigte sich Alinas Temperament.

      „Ah, kommen Sie rein! Gehen Sie durch in die Küche, ich muss noch den Staubsauger übergeben. Leon!“

      Auf ihr lautes Rufen hin zuckte Reiner zusammen und im Obergeschoss knurrte ein Teenager: „Was ist denn?“

      „Hol den Staubsauger und mach dein Zimmer fertig!“

      „Mensch, warum denn? Ich kann jetzt nicht.“

      „Und wie du kannst, beweg dich, mein Sohn, sonst geht ein Wirbelwind durch dein Chaos!“

      „Ach Männo“, war das letzte, was Reiner hörte und dann polterten Schritte die Treppe hinunter.

      Alina war in die Küche gekommen und bot dem Kommissar einen Kaffee an. Er lehnte ab und erklärte, wenn er noch mehr Kaffee trinken würde, bekäme er einen Herzinfarkt.

      „Dann schießen Sie mal los? Was wollen Sie über meine Schuhe wissen?“

      Reiner holte sein Notizbuch und fragte nach dem Aussehen. Alina beschrieb die Schuhe, die weggekommen waren, im Detail.

      „Zeigen Sie mir bitte noch, wo die standen.“

      Alina führte ihn zur Tür und zeigte in eine Ecke.

      „Und jetzt stellen Sie da keine mehr hin?“

      „Gott bewahre. Am liebsten würde ich gar nichts mehr raustellen. Wenn man bedenkt, dass es nur Schuhe waren. Was ist denn, wenn er auch andere Dinge mitnimmt? Der muss ja nachts um die Häuser schleichen und vorher alles auskundschaften.“

      „Das glaube ich nicht“, sagte Reiner, „ich halte es mehr für Zufall, wo er zuschlägt.“

      Er hatte sich auf dem Weg Gedanken gemacht, nach welchem System der Dieb seine Beute auswählte. Nicht jeder hatte seine Schuhe immer draußen vor der Tür, also konnte er sich nicht darauf verlassen, dass er direkt welche fand. Er musste durch die Gegend laufen und bei passender Gelegenheit zuschlagen. Das erklärte er auch Alina.

      Sie erwiderte: „Dann machen Sie doch einen Aufruf im Netz, dass alle Leute ihre Schuhe ins Haus nehmen. Heutzutage liest das fast jeder.“

      „Na, das glaube ich eher weniger. Meine Nachbarin zum Beispiel hat kein social Media. Und der Herbert auch nicht.“

      „Da sind die Schuhe ja schon weg. Sie müssen als Polizei die Bevölkerung schützen!“

      Mit dieser Forderung war Reiners Geduld erschöpft. Um nicht noch böse Antworten zu geben, verab­schiedete sich der Kommissar und machte sich auf den Heimweg. Dort rief er bei Jennifer an, aber sie ging nicht dran. Wahrscheinlich hatte sie ein schönes Wochenende mit Juliano, während er sich mit widerspenstigen Frauen herumärgern musste. Günther hatte ihm noch gefehlt. Der machte jetzt sicher wieder Stimmung gegen die Polizei und hetzte die Leute auf.

      9

      Die Musik im großen Festzelt dröhnte laut und die Stimmung war gut. Die Leute schunkelten, sangen mit und Reiner fühlte sich völlig fehl am Platz. Undine hingegen bewegte sich im Takt des Schlagers und hatte sich bei ihm eingehakt. Er wäre am liebsten geflüchtet, doch sie hatte darauf bestanden, an einem Samstagabend und noch dazu zum Oktobermarkt nicht daheim zu sitzen. Zuerst waren sie an den bunten Fahrgeschäften vorbeigeschlendert. Am Riesenrad hatten sie nach oben geschaut und Reiner hatte schon befürchtet, dass Undine ihn um eine Fahrt bitten würde.

      Er hatte aufgeatmet, als sie weitergingen. Aber hier in diesem Zelt voller Trubel war es nicht besser. Undine kannte zudem fast jeden und zog ihn von einer Ecke zur anderen, wo sie dann ununterbrochen redete. Jetzt rempelte ihn jemand an und er drehte sich