Patrick Sandro Nonn

Abschiedsbrief an die Liebe


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Au­gen, war schlank und un­ge­fähr so groß wie ich. Wir ver­stan­den uns blen­dend vom ers­ten Tag an. Voraus­schau­en­der Wei­se erahn­te oder be­fürch­tet ich, sie wür­de einen Freund ha­ben und na­tür­lich lag ich da­mit rich­tig.

      Kein Pro­blem, sag­te ich mir, den wirst du über­le­ben. Und so ge­sch­ah es. Ich über­leb­te ihn als… na du weißt schon.

      Ich jonglier­te nun al­so mit min­des­tens zwei hei­ßen Ei­sen auf ein­mal. Pl­an­los und oh­ne Stra­te­gie. Wen von euch bei­den soll­te ich mehr lie­ben? Wel­cher den Vor­zug ge­ben, vor der an­de­ren? Wer war so wich­tig, dass ei­ne ma­xi­ma­le In­ves­ti­ti­on an Ge­fühl ver­nünf­tig sein moch­te? Ich glaub­te ja nicht ein­mal an mich selbst. Wie soll man sich da Chan­cen aus­rech­nen? Ei­ner­seits gab es hier und jetzt An­ja, neu und au­ßer­or­dent­lich in­ter­essant.

      An­de­rer­seits wur­de ich im­mer wie­der von dir ge­fes­selt. Ich ha­be mich ger­ne fes­seln las­sen, so­oft wir uns tra­fen. Im­mer spiel­te ich brav den bes­ten Kum­pel, wie du es woll­test. Ha­be schmerz­haft dei­ne Umar­mun­gen zur Be­grü­ßung und zum Ab­schied ge­nos­sen. Wuss­te nicht, ob ich sie ge­nie­ßen darf. Oh Herz, wie zer­riss es mich je­des­mal, dei­ne Brüs­te an mei­ner hemds­ver­hüll­ten, haa­ri­gen Bä­ren­brust zu spü­ren. Wuss­te nicht ob ich dei­ne Nä­he ge­nie­ßen darf, dich zu füh­len, die zar­te Schön­heit dei­ner See­le, die mich im­mer schon be­ein­druckt hat. Al­so tat ich es mit ge­misch­ten, zwie­späl­ti­gen Ge­füh­len, oft­mals lin­kisch und ver­krampft, an­ge­spannt bis zum Bers­ten, muss­te ich mei­ne wah­ren Emp­fin­dun­gen doch vor dir ver­ber­gen. Ich durf­te ja nur bes­ter Kum­pel sein. Dies war dein Spiel und mein Schlacht­feld. Aber du kann­test und kennst mich viel zu gut, als dass dir mei­ne in­ner­li­che Er­star­rung, mein Kampf nicht auf­ge­fal­len wä­re. Wir bei­de stell­ten ein reich­lich selt­sa­mes Ge­spann dar. In un­se­rer rein freund­schaft­li­chen Zu­nei­gung durch so gut wie nichts zu er­schüt­tern. Wir wa­ren See­len­ver­wand­te, wie ein ein­zi­ger Ge­dan­ke, Bluts­brü­der, je­der auf sei­ner Sei­te des Grand Ca­ny­on. Ich er­in­ne­re mich dar­an, wie es war, ne­ben dir auf mei­ner oder dei­ner Couch zu sit­zen, so na­he, dass ich dei­ne Wär­me fast spü­ren konn­te. Du bist ein Stern. Der schöns­te Stern den ich kann­te. Nur willst du das lei­der nicht se­hen. Und des­halb bist du ein Traum. Du wirst dich nie­mals wirk­lich fin­den, wenn du nicht end­lich je­man­dem glaubst, der an dich glaubt. Nein, kei­ne Angst, ich fan­ge nicht schon wie­der an zu pre­di­gen. Das ha­be ich lan­ge ge­nug und oft ge­nug ver­sucht. Viel­mehr möch­te ich dir er­zäh­len, wie mei­ne Welt mit dir aus­sah. Ich wa­ge nicht zu spe­ku­lie­ren, wie sie oh­ne dich aus­se­hen wird. Sie wird lee­rer sein, sie wird schrump­fen, klei­ner wer­den und blas­ser. Die­se Tat­sa­chen sich las­sen schon er­ken­nen. Ich weiß je­doch, es muss un­be­dingt sein. Le­dig­lich dein Kum­pel zu sein, schaf­fe ich ein­fach nicht. Da­für ent­sprichst du zu sehr mei­nen Vor­stel­lun­gen von Schön­heit. Ich weiß, du willst das nicht hö­ren. Zum einen wirst du dann wie­der ar­gu­men­tie­ren, Schön­heit lie­ge nur im Au­ge des Be­trach­ters. Zwei­tens sa­ge ich dir aber, kommt für mich der wich­tigs­te Fak­tor im Be­griff Schön­heit aus Herz und Ver­stand. Drit­tens bin ich durch­aus da­zu fä­hig, ganz ein­fach nur still und lei­se zu be­wun­dern und das konn­te bis­her kei­ner von den Knil­chen, die du nä­her als na­he an dich her­an­ge­las­sen hast. Die­se Möch­te­gern Ma­chos sol­len erst ein­mal ler­nen, wie man als Mann zum Ver­wöhnaro­ma wird. Kei­ne Ver­wöhnaro­ma-Stra­te­gi­en, kein rich­ti­ger Ma­cho. So ist das eben. Nun gab es da neu­er­dings An­ja, die be­reits lan­ge Zeit einen fes­ten Freund hat­te. Je­der Mensch weiß, je län­ger so ei­ne Be­zie­hung dau­ert, de­sto grö­ßer ist die Wahr­schein­lich­keit, das es zu ei­nem Rie­sen­krach kommt, der sich in einen Knacks und einen nicht wie­der zu kit­ten­den Bruch ver­wan­delt. Hier la­gen die Trümp­fe al­le­samt in mei­ner Hand. Um den Ein­sturz ei­nes Kar­ten­hau­ses mit­zu­er­le­ben, braucht man nichts als Zeit. Die stand mir zur Ver­fü­gung. Al­le Zeit der Welt so­gar und über­all auf die­ser Welt gab es net­te, gut­aus­se­hen­de Mäd­chen in mei­nem Al­ter. Es ge­stal­te­te die War­te­zeit we­sent­lich an­ge­neh­mer, konn­te ich doch mei­ne Sen­so­ren in al­le Rich­tun­gen auf mög­li­che An­griffs­zie­le schal­ten.

      Dum­mer­wei­se bin ich un­ter­des­sen au­ßer­or­dent­lich vor­sich­tig, zu­rück­hal­tend und schüch­tern ge­wor­den. Kein Wun­der, wenn man ge­nü­gend Pi­ckel im Ge­sicht hat, um un­ver­klei­det als Piz­za zum Kar­ne­val zu ge­hen. Des­halb ver­schwen­de­te ich die meis­te Ener­gie, die für sol­che An­grif­fe be­reit stand an die sorg­fäl­ti­ge Ob­ser­vie­rung und das Aus­lo­ten mög­li­cher Chan­cen und Ri­si­ken. Zum An­griff üb­rig blie­ben Platz­pa­tro­nen und Knall­frösche. Da­mit ist ein­deu­tig klar, dass die Ri­si­ken, wie­der ein­mal bes­ter Kum­pel sein zu dür­fen, je­des mal ein­deu­tig über­wo­gen. Ich be­gab mich al­so im­mer nur ganz de­zent auf An­nä­he­rungs­kurs. Ein ga­lak­ti­sches „Swing­by­Ma­nö­ver“ in Zeit­lu­pe. Für ga­lak­ti­sche Ma­nö­ver hat auf die­sem em­sig ro­tie­ren­den Brumm­krei­sel nie­mand Zeit. Au­ßer­dem wird man auf die­se Wei­se so­wie­so für den zah­men Bes­terKum­pelTrot­tel ge­hal­ten. Von Ro­man­tik ha­ben Frau­en halt kei­ne Ah­nung. Und Män­ner noch we­ni­ger. Des­halb ist sie vom Aus­ster­ben be­droht. Da ich mir bei An­ja trotz­dem noch ernst­haf­te Hoff­nun­gen mach­te, ge­noss ich es be­son­ders, mit ihr im Un­ter­richt Brief­chen zu schrei­ben, ihr mei­ne Auf­merk­sam­keit zu wid­men oder mich mit ihr zu tref­fen. Die glei­che Si­tua­ti­on wie sonst auch: Mit mir kann man sich über al­les Mög­li­che un­ter­hal­ten, so­gar über se­xu­el­le Vor­lie­ben, auch wenn ich für die Pra­xis nicht in Fra­ge kom­me. Macht ja nichts, ich ha­be ja Zeit, viel mehr Zeit als ihr ahnt. So­fern ihr mich lasst, kann ich ger­ne char­mant und wit­zig, geist­reich und un­ter­halt­sam sein, oh ja, ihr müsst mich nur aus der Re­ser­ve lo­cken. Von mir aus kriegt mich kei­ner aus mei­nem Schne­cken­haus. Da brau­che ich das Si­gnal ech­ten In­ter­es­ses. Ehr­lich, wie ich bin, ha­be ich ihr wohl ir­gend­wann et­was von mei­ner großen Lie­be er­zählt. Seit dem hielt sie mich erst recht für harm­los und un­ge­fähr­lich. Na schön, soll sie doch. Ist ja nicht das ers­te Mal. Frü­her oder spä­ter wird sie schon mer­ken, was sie an mir hat. Man muss ler­nen, auf so vie­len Hoch­zei­ten wie mög­lich zu tan­zen.

      Oder auch auf Ge­burts­tagspar­tys, wie zum Bei­spiel Ka­tha­ri­nas. Die wie­der­um ist An­jas bes­te Freun­din, sitzt in der­sel­ben Bank und auch mit ihr ver­ste­he ich mich gut. Ei­gent­lich kann ich gar nicht tan­zen. Ich has­se es zu tan­zen, mei­ne Mu­si­ka­li­tät hört di­rekt un­ter mei­nem Kinn auf. Sich un­ter die an­de­ren Gäs­te mi­schen und am Rand ein klei­nes biss­chen auf­fal­len, geht gra­de so. Aber mein Ge­fühl da­für, einen Rhyth­mus in Ein­klang mit Be­we­gun­gen zu brin­gen, en­det beim ers­ten Hals­wir­bel. Ob­wohl ich sonst mu­si­ka­lisch bin. Vi­el­leicht fin­de ich Par­tys ja doch ir­gend­wann ganz nett. Ab­ge­se­hen da­von, dass ich lau­te Mu­sik nicht aus­ste­hen kann. Ei­ner rich­ti­gen Cli­que von Freun­den an­zu­ge­hö­ren, macht Ge­burts­tagspar­tys re­gel­recht er­träg­lich. Man schaut an den Leu­ten, die man gar nicht se­hen möch­te am Bes­ten ein­fach vor­bei. Schwie­rig ist es bloß dann, wenn die im­mer an dem Mä­del her­um­hän­gen, das einen selbst am meis­ten in­ter­es­siert. Nervt un­ge­mein! Er­staun­lich al­ler­dings, auf wel­che Ty­pen die Wei­ber her­ein­fal­len. An­schei­nend ist die­se Tat­sa­che ab­so­lut un­ver­än­der­lich. De­pri­mie­rend, wirk­lich. Es ist nicht schön. Erst recht nicht, wenn es sich um