Geshe Kelsang Gyatso

Sinnvoll zu betrachten


Скачать книгу

würde es niemand wagen, ihm zu schaden. Auf ähnliche Weise wird unser Körper durch die Darbringung an die Buddhas zu deren Diener, und deshalb kann ihm von Menschen und nichtmenschlichen Wesen kein Schaden mehr zugefügt werden.

      GEISTIG UMGEWANDELTE DARBRINGUNGEN

      Es gibt zwei Arten geistig umgewandelter Darbringungen:

      1. Gewöhnliche Darbringungen

      2. Erhabene Darbringungen

      GEWÖHNLICHE DARBRINGUNGEN

      Shantideva beschreibt jetzt eine ausführliche, visualisierte Zeremonie, in der den Buddhas zwölf geistig umgewandelte Gaben dargebracht werden. Diese umfassen: (1) Parfümiertes Wasser zum Baden der Buddhas, (2) Himmlische Gewänder, (3) Juwelenschmuck, (4) Öle zum Salben der Buddhas, (5) Blumen, (6) Weihrauch, (7) Speisen, (8) Lampen, (9) Paläste, (10) Schirme, (11) Musik und (12) Gebete für einen unaufhörlichen Regen an Darbringungen. Wir sollten bei der folgenden Visualisierung daran denken, daß die erleuchteten Wesen selbst keine Unreinheiten von Körper oder Geist besitzen, die gereinigt werden müßten. Wir selbst müssen jedoch äußerlich unsere unreine Form und innerlich die Negativität und die Behinderungen unseres Geistes aufgeben, wenn wir den reinen Zustand eines Buddhas erreichen wollen. Deshalb ist die Waschung und Reinigung, die wir nun ausführen wollen, in Wirklichkeit zu unserem eigenen Nutzen.

      [10] Zuerst visualisieren wir den Badesaal, in dem die Waschung stattfinden wird. Der Boden aus schönem Kristall schimmert, und die Luft ist von süß duftendem Sandelholz erfüllt. Vier mit Juwelen und Edelsteinen besetzte Säulen stehen in den vier Himmelsrichtungen. An der Decke hängen zwei kostbare Baldachine, die mit Perlen verziert sind. In der Mitte des Badesaales ist ein Becken, das mit wunderbar parfümiertem Wasser gefüllt ist. Aus drei Richtungen führen drei juwelenverzierte glitzernde Stufen zum Becken hinunter.

      [11] Nachdem wir diese wunderschöne Umgebung visualisiert haben, laden wir alle Tathagatas und Bodhisattvas ein, herbeizukommen und im Becken zu baden. Während wir ihre Ankunft beobachten, manifestieren wir aus unserem Herzen viele Göttinnen, für jeden Buddha und Bodhisattva eine. Diese Göttinnen nehmen die Gewänder der erleuchteten Wesen und ihrer Söhne ab, während andere sie mit reinem, duftendem Wasser aus schönen juwelenverzierten Krügen waschen. Alles wird von Musik und Gesang begleitet.

      [12] Als nächstes stellen wir uns vor, daß die Göttinnen die Gäste mit Tüchern aus unvergleichlichem Stoff abtrocknen. [13] Dann bieten wir all den herrlichen Höheren Wesen wie Samantabhadra, Manjushri, Avalokiteshvara und anderen erlesene Roben in passenden Farben sowie viele Juwelengeschmeide an. [14] Dann salben wir, als ob wir reines, feines Gold polieren würden, die strahlenden Körper der Buddhas und Bodhisattvas mit seltenem Parfüm, dessen Duft Tausende von Millionen von Weltsystemen durchdringt.

      Nach der Salbung visualisieren wir diese heiligen Wesen vor uns am Himmel und schicken schöne Göttinnen zu ihnen, wobei jede eine besondere Gabe trägt. [15] Die Göttinnen bringen den glorreichen Wesen folgendes dar: Kränze aus schönen, wohlriechenden Lotosblumen, Mandaravas, Utpalas und andere auserlesene Blumen; [16] Wolken aus duftendem Weihrauch; herrliche Speisen und Getränke; [17] Lampen auf goldenen Lotosknospen, deren Licht die dunkle Unwissenheit von Tausenden von Millionen von Weltsystemen vertreibt, [18] und ein wunderschöner himmlischer Palast aus Perlen und Edelsteinen. Die durchsichtigen Böden in diesem prachtvollen Palast sind mit einem Teppich aus schönen Blumen bedeckt, und die Wände sind mit unbezahlbaren Juwelen und Perlen verziert. Schöne Göttinnen lassen ihre freudigen Gesänge zum Lobe der Buddhas im ganzen himmlischen Palast erklingen. [19] Überall stehen zahlreiche wohlgeformte Schirme von großem Durchmesser mit goldenen Handgriffen und Rändern, die mit vielen verschiedenen Juwelen verziert sind. [20] Alle diese prachtvollen Darbringungen schwingen im Klang wunderbarer Musik, deren schöne Harmonien selbst den letzten Hauch des Leidens aller Lebewesen vertreiben.

      [21] Die letzte Darbringung dieser Gruppe besteht aus dem eigenen Gebet, daß, so lange bis Samsara endet, ein unaufhörlicher Regen von Blumen, Weihrauch und kostbaren Juwelen auf die Bilder und Statuen der Buddhas, Bodhisattvas, des heiligen Dharmas sowie auf alle heiligen Reliquien herabfallen möge.

      ERHABENE DARBRINGUNGEN

      Erhabene Darbringungen sind reiner als die gewöhnlichen visualisierten Darbringungen, die wir gerade dargebracht haben. Es sind Darbringungen, die von den heiligen Wesen tatsächlich manifestiert werden. In dem Bestreben, es ihnen gleichzutun, betet Shantideva:

      So wie Manjushri und Samantabhadra den Buddhas und Bodhisattvas schöne Gaben dargebracht haben, so möge auch ich den Beschützern und ihren Söhnen Gaben darbringen. [22]

      Höhere Wesen wie Manjushri und Samantabhadra besaßen aufgrund ihrer Realisationen die Fähigkeit, die obengenannten Gaben tatsächlich zu manifestieren. Im Moment können wir diese Darbringungen nur visualisieren. Höhere Bodhisattvas aber, das heißt die fortgeschrittenen Wesen, die den Erleuchtungsgeist, Bodhichitta, sowie eine direkte Einsicht in die Wirklichkeit erlangt haben, können diese Dinge manifestieren und den erleuchteten Wesen darbringen. Solche Manifestationen können auch von gewöhnlichen fühlenden Wesen benutzt werden.

      Manifestationskräfte dieser Art waren in Tibet und in Indien nicht unbekannt. In den Hunderttausend Gesängen des Milarepa (tib. Mi la ras pa'i mgur 'bum) wird die Geschichte von der Ankunft des großen indischen Pandits Padampa Sangye in Tibet erzählt. Milarepa wollte die spirituellen Kräfte Padampa Sangyes auf die Probe stellen und flog deshalb auf wunderbare Weise zum Berg, an dem Padampa Sangye vorbeikommen mußte. Während Milarepa auf die Ankunft des Pandit wartete, verwandelte er sich in eine Blume am Straßenrand. Als Padampa Sangye kam und an der Blume vorbeilief, scheinbar ohne die Verkleidung Milarepas zu erkennen, dachte der tibetische Yogi, daß der Inder keine hellseherischen Kräfte besitzen würde. Kurz nachdem Milarepa dies dachte, hielt der Pandit jedoch inne, wandte sich um und ging zur Blume zurück. Er trat heftig gegen sie und rief: «Milarepa, steh auf!» Sofort nahm Milarepa wieder seine menschliche Form an, begrüßte den Pandit herzlich und sagte: «Willkommen in Tibet. Du bist wirklich ein großer Meister.» Darauf antwortete Padampa Sangye: «Auch du bist in Indien als sehr großer Yogi bekannt.» Der Bericht des Wettkampfes, der dann stattfand, um ihre magischen Kräfte zu demonstrieren, und die Gesänge der Realisation, die Milarepa danach vortrug, können in verschiedenen, ins Deutsche übersetzten Biographien nachgelesen werden.

      Wenn wir häufig in der Vorstellung gewöhnliche Darbringungen der zwölf obengenannten Arten machen, werden positive Prägungen in unserem Geist geschaffen. Sie werden schließlich als Fähigkeit heranreifen, die erhabenen Darbringungen eines Höheren Bodhisattvas machen zu können. Es gibt jedoch eine weitere erhabene Darbringung, die wir schon jetzt machen können: Es ist das Praktizieren der Unterweisungen, die wir von unserem Spirituellen Meister oder Guru erhalten haben. Wenn uns unser Spiritueller Meister Unterweisungen gibt, wie wir Nichttugend aufgeben und Tugend praktizieren können, und wir diesen Unterweisungen vertrauensvoll folgen, dann ist dies eine höchst erhabene Darbringung. Milarepa sagte zu seinem Lehrer Marpa, daß er keinen materiellen Besitz habe, den er ihm darbringen könne, aber er habe statt dessen die Absicht, seinen Körper, seine Rede und seinen Geist dem Dharma zu widmen, um die Güte seines Gurus zu erwidern. Weil ein Spiritueller Meister einzig und allein am Wohl seiner Schüler interessiert ist, ist eine derartige Darbringung der spirituellen Praxis wesentlich erfreulicher für ihn als jeder noch so große materielle Reichtum.

      Eine andere Methode, erhabene Darbringungen zu machen, ist das Umwandeln sämtlicher aus positiven Handlungen erworbenen Verdienste in Geschenke, die als Darbringung sowohl an erleuchtete als auch gewöhnliche Wesen geeignet sind.

      VERBEUGUNGEN

      Das zweite vorbereitende Glied der Praxis ist das Darbringen von Verbeugungen oder Ehrerbietung an die höchsten Wesen. Das ist eine sehr große Praxis, und Shantideva faßt sie folgendermaßen zusammen:

      Mit unendlichen Versen wohlklingenden Lobes werde ich die Buddhas und Bodhisattvas verehren, die Ozeane an grenzenlosen Vortrefflichkeiten besitzen. Mögen Wolken von sanften