Geshe Kelsang Gyatso

Sinnvoll zu betrachten


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Kreislauf der Verwirrung und Unzufriedenheit zu lösen, der unser bisheriges Leben bestimmt hat, und uns einem vernünftigeren und tugendhafteren Leben zuzuwenden. Wie zuvor erwähnt wurde, ist unsere vergangene Ansammlung negativer Handlungen durch Körper, Rede und Geist sowohl dafür verantwortlich, daß wir Tag für Tag Verwirrung und Unglück erfahren, wie auch für unsere Schwierigkeiten, Realisationen auf dem spirituellen Pfad zu erlangen. Wenn dieses unkontrollierte Verhalten ungehindert weitergeht, wird es uns künftig in noch weitaus leid- und qualvollere Zustände führen. Somit gibt es zwei voneinander abhängige Gründe, Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha zu nehmen. Als erstes müssen wir eine tiefempfundene Furcht vor den elenden Zuständen samsarischer Existenz haben, in die uns das unkontrollierte Verhalten unseres Körpers, unserer Rede und unseres Geistes hineintreibt. Gemäß der buddhistischen Kosmologie wird diese Furcht als eine intensive Abneigung gegen die drei niederen Existenzbereiche verstanden, oder mehr noch, als ein Gefühl der Abscheu vor der unbefriedigenden Natur aller Existenzbereiche, die durch Unwissenheit bedingt sind. Zusätzlich zu dieser Furcht müssen wir unerschütterliches Vertrauen in die Drei Juwelen haben und dabei genau verstehen, wie sie die Macht haben, uns vor allen Formen des Leidens zu beschützen. Indem wir unsere Überzeugung auf Begründungen, korrekte Autorität und, als wichtigstes, auf unsere eigene Erfahrung stützen, wenden wir uns den Drei Juwelen der Zuflucht mit dem Gedanken zu, daß nur sie uns den Pfad zeigen können, der uns von Angst und Unzufriedenheit weg- und zu innerem Frieden hinführt.

      Die buddhistischen Unterweisungen beschreiben drei aufeinander aufbauende Stufen der spirituellen Praxis, und die beiden Gründe für die Zufluchtnahme variieren gemäß der Stufe, auf der wir uns befinden. Eine Person anfänglicher Ausrichtung sieht klar, wie ihr Geist von heftigen Verblendungen wie Haß, Neid, Gier und dergleichen verunreinigt ist. Sie fürchtet, daß dieser ungezähmte Geist sie ohne angemessene Schulung dem großen Leiden der drei niederen Bereiche aussetzen wird: den Leiden der Höllenbereiche und der Bereiche der Hungrigen Geister und der Tiere, die das Ergebnis sehr nichttugendhafter Handlungen von Körper, Rede und Geist ist. Eine Person anfänglicher Ausrichtung entwickelt das Vertrauen und die Überzeugung in die Macht der Drei Juwelen, Schutz vor diesen Schrecken zu gewähren.

      Wenn man zur mittleren Ausrichtung fortschreitet, sieht man, daß die gesamte samsarische Existenz - die höchsten Bereiche genauso wie die niedrigsten - von Unzufriedenheit und Leiden durchdrungen ist. Des Wanderns durch diesen endlosen Existenzkreislauf überdrüssig, wendet sich eine Person mittlerer Ausrichtung den Drei Juwelen zu auf der Suche nach einer Methode, die die vollständige Befreiung von jeder Art bedingter Existenz ermöglicht.

      Auf der höchsten Motivationsebene ist der spirituell Praktizierende durch Großes Mitgefühl motiviert. Er geht über die eigenen selbstsüchtigen Belange hinaus und erkennt, daß alle anderen Wesen genauso in der Dunkelheit der Unwissenheit umherwandern und dabei fortwährend Ursachen für immer neue Leiden schaffen. Mit dem innigen Wunsch, diesen Lebewesen zu helfen, die er alle als seine Mütter aus früheren Leben erkennt, wendet er sich mit der Überzeugung den Drei Juwelen zu, daß nur sie ihn zur vollen Erleuchtung führen können - dem vollendeten Zustand, in dem es möglich ist, allen Lebewesen in höchstem Maße von Nutzen zu sein.

      DIE ZUFLUCHTSOBJEKTE

      Es ist sehr wichtig, eine klare Vorstellung davon zu haben, was genau die Drei Juwelen der Zuflucht sind. Im Buddhismus sind sie als die Drei Juwelen oder die erhabenen kostbaren Drei bekannt: Buddha, Dharma und Sangha. Eine allgemeine Definition der Drei Juwelen wurde bereits im ersten Kapitel gegeben, wo es hieß, daß sich «Buddha» auf das erleuchtete Wesen (den Arzt), «Dharma» auf seine Unterweisungen (das Heilmittel) und «Sangha» auf die spirituelle Gemeinschaft derer bezieht, die diesen Unterweisungen folgen (die Krankenschwestern). Wir nehmen zu den Drei Juwelen in der gleichen Weise Zuflucht wie ein Kranker zum Arzt geht, um geheilt zu werden, sich dabei auf das verschriebene Heilmittel verläßt und Hilfe und Unterstützung von ausgebildeten Krankenschwestern erhält.

      Wenn das Interesse am Begehen des spirituellen Pfades in uns wächst, wird es notwendig, ein detaillierteres Verständnis der Drei Juwelen als das oben beschriebene zu bekommen. Um ein Verständnis davon zu erlangen, welches die wahren Objekte der Zuflucht sind, ist es nützlich, sich mit dem folgenden Überblick des Mahayana-Pfades, d.h. mit den Bewußtseinszuständen vertraut zu machen, die zur vollen Erleuchtung führen und darin gipfeln.

      Wenn wir einmal den Bodhichitta-Wunsch entwickelt haben, betreten wir den ersten der fünf aufeinanderfolgenden Pfade, die zur Erlangung der Buddhaschaft führen. Die Hauptarbeit auf diesen Pfaden ist das schrittweise Beseitigen aller Behinderungen, die unseren Geist bedecken und ihn daran hindern, seine ursprünglich reine und essentielle Natur zu zeigen. (Diese Überlagerungen sind unterteilt in Verblendungsbehinderungen, die die Befreiung verhindern, und Behinderungen zur Allwissenheit, die die Allwissenheit verhindern). Das Entfernen wird dadurch erreicht, daß wir Weisheit entwickeln und unseren Geist mit Weisheit vertraut machen, insbesondere mit der Weisheit, die ein direktes, nichtbegriffliches Verständnis der wahren Natur der Wirklichkeit hat. Solch ein Verständnis entfernt Schicht um Schicht der verdunkelnden Unwissenheit, von der groben bis zur sehr subtilen, bis die Natur des Klaren Lichtes unseres Geistes vollständig enthüllt ist.

      Auf den ersten zwei der fünf Pfade schulen wir uns darin, ein zunehmend genaueres und tiefgründigeres begriffliches Verständnis der Wirklichkeit zu erreichen, indem wir eine kraftvolle Konzentration und Höheres Sehen entwickeln (wie dies im achten und neunten Kapitel dieses Kommentars erklärt wird). Schließlich wird als Ergebnis dieser Schulung und durch die angesammelte Stärke oder das angesammelte Verdienst unseres Geistes unser Verständnis direkt und nichtbegrifflich. In diesem Moment betreten wir den dritten Pfad, den Pfad des Sehens, und alle unsere intellektuell gebildeten Verblendungen werden entfernt. Wir sind dann ein Höherer Bodhisattva geworden, ein edler Sohn oder eine edle Tochter der Buddhas. Was uns auf dem vierten Pfad, dem Pfad der Meditation, noch zu tun bleibt, ist das schrittweise Auslöschen aller angeborenen Verblendungen und ihrer Prägungen, die noch immer unseren Geist verdunkeln. Wenn auch dies vollständig erreicht ist und nicht einmal mehr der subtilste Schleier die Natur des Klaren Lichtes unseres Geistes verhüllt, erreichen wir den fünften und letzten Pfad, die volle Erleuchtung der Buddhaschaft. Als erwachtes Wesen wirken alle unsere Handlungen von Körper, Rede und Geist spontan und mühelos für das Wohl anderer, da wir durch unsere Bodhichitta-Motivation angetrieben werden, alle Wesen zur Glückseligkeit der Befreiung und Erleuchtung zu führen.

      Mit dieser kurzen Beschreibung des Mahayana-Pfades im Gedächtnis können wir jetzt zu den Zufluchtsobjekten zurückkehren und überlegen, was mit Buddha-Juwel, Dharma-Juwel und Sangha-Juwel gemeint ist. Ein Buddha-Juwel ist jedes Wesen, das den Mahayana-Pfad bis zu seiner Vollendung durchschritten hat und deshalb mit den folgenden vier Merkmalen ausgestattet ist: Freiheit von Behinderungen, geschickte Mittel, allumfassendes Mitgefühl und vollständige Unvoreingenommenheit, wie im vorhergehenden Kapitel erwähnt. Das Dharma-Juwel bezieht sich auf die letzten zwei der Vier Edlen Wahrheiten, nämlich die Wahren Pfade (d.h. Arten von Weisheitsbewußtsein), die uns endgültig von irgendeiner Behinderung zur Befreiung oder Allwissenheit erlösen, und die eigentlichen Wahren Beendigungen (d.h. Freiheit von irgendeiner Behinderung), die durch diese Pfade erreicht werden. Schließlich bezieht sich das Sangha-Juwel auf diejenigen, die mit dem Dharma-Juwel ausgestattet sind, nämlich die Höheren Bodhisattvas, jene edlen Praktizierenden, die zumindest den Pfad des Sehens und somit ein direktes Verständnis der wahren Natur der Wirklichkeit erreicht haben.

      DAS MASS DER ZUFLUCHTNAHME

      Die wahre Zufluchtnahme hängt davon ab, daß wir die zuvor erwähnten Ursachen klar erkennen. Wenn wir erst einmal Angst vor den verschiedenen Formen des Leidens in Samsara entwickelt und ein Verständnis erlangt haben, daß nur die Drei Juwelen die Macht haben, uns vor diesem Leiden zu bewahren, dann werden wir uns aus der Tiefe unseres Herzens vollständig auf Buddha, Dharma und Sangha verlassen. Wenn wir das aufrichtig und stetig tun, ist dies die eigentliche Zufluchtnahme. Um uns an die Zuflucht zu erinnern und sie zu vertiefen,