Stephan Waldscheidt

KLÜGER PUBLIZIEREN für Verlagsautoren und Selfpublisher


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beim Schreiben Ihres Romans gemacht haben und die sich jetzt rächen.

      In der Praxis: Mein eigener Traum von einem vermeintlich genialen Fantasy-Roman zerplatzte an eben dieser Unausgegorenheit. Bei einem zweitägigen Seminar stellten wir Teilnehmer unsere Exposés vor. Mein Text war am ersten Tag noch gar nicht an der Reihe. Doch hatte ich da schon genug gelernt, um in der Nacht nicht schlafen zu können. Ich wusste, dass mein Roman auf seiner ganzen epischen Breite von achthundert Normseiten nicht funktionierte. Überarbeitung? Keine Chance. Alles in die Tonne und mit einem Konzept ganz von vorn beginnen? Diese Aussicht erschien mir wie die Aufforderung, ohne Seil, Bergerfahrung und Kondition die Zugspitze zu besteigen – nachdem ich schon dachte, so gut wie oben zu sein, nur um zu erfahren, dass ich fälschlich den Feldberg im Schwarzwald bestiegen hatte. Zu einem neuen Aufbruch besaß ich weder die Kraft noch die Überzeugung, die Arbeit würde sich rentieren.

      Besser machen es die Planer, die ihr Exposé aus dem Konzept heraus erstellen und dann, während des Schreibens, immer wieder anpassen. Dann steht am Ende etwas Schlankes und Flottes da und kein Wust mühsam auseinanderklabüsterter Ideen. Dann ist auch der Weg zum Verlag viel schneller zu bewältigen – und mit weit mehr Aussicht auf Erfolg.

      Der Selbstverlag scheint da für die Entdecker unter den Autoren eine gute Alternative. Oder?

      In der Praxis: Sergej zumindest sieht das so, auch er gehört zur Zunft der Drauflosschreiber, jeder Gedanke an Planung erscheint ihm wie Blasphemie: Das Hochheilige des literarischen Schaffens darf nicht zerstört und profan werden.

      Sergej schreibt seinen Roman, er schreibt ihn fertig und darauf ist er, zurecht, auch stolz. Dann will er das Buch bei neobooks veröffentlichen – und wird während des Publishing-Prozesses von der Eingabe-Maske seines Browsers mit der Frage konfrontiert, worum es in seinem Buch geht. Das solle er bitte in dreißig Worten darlegen. Und falls er im internen Wettbewerb des zu Droemer-Knaur gehörenden Selfpublisher-Hebammen-Services um einen Verlagsvertrag antreten wolle, müsse er sogar ein – er traut seinen Augen nicht, aber da steht es – müsse er sogar ein Exposé schreiben!

      Sergej hat ein Problem. Doch dieses Problem hat nichts zu tun mit den Ansprüchen von neobooks oder epubli oder BookRix und Konsorten. Sergejs Problem ist der Plot seines Romans. Der nicht funktioniert. Was Sergej jedoch nicht sieht. Weil er nie gezwungen war, seinen Text zu erklären, ihn zusammenzufassen und das Zentrale darin zu sehen, konnte der Text wild wuchern – der Forst mit lauter Bäumen ist in Wahrheit ein Dschungel.

      Irgendwie schafft Segej es, sich um die Fragen der Publisher-Dienste herumzumogeln, und bald schon steht sein Roman »Catherine Déneuves Grammophon« überall im Web zum Download bereit. Nur, niemand kauft es.

      Sergej hat nicht bedacht, dass sein chaotisches Werk in Konkurrenz nicht zu anderen chaotischen Werken steht – sondern vor allem zu den professionellen, strukturierten und dramaturgisch besseren Büchern anderer Autoren. Tausenden davon. Für diese Autoren erweist sich der Druck, den die Suche nach einem Verlag oder einer Agentur bei ihnen aufgebaut hat, als nützlich.

      Ich will hier niemanden überreden, seinen Roman im Detail zu planen. Sie sollten sich nur bewusst sein, dass der erste, ohne Plan heruntergeschriebene Roman in neunundneunzig von hundert Fällen in der Schublade versauern wird. Was nicht schlimm ist, sondern unter »Lehrgeld« firmiert, das jeder Schriftsteller zahlen muss.

      Natürlich gibt es Autoren, die als Entdecker erfolgreich sind. Aber sie wurden das nur, weil auch sie Lehrgeld zahlten und Erfahrung sammelten – in Form von reichlich Papier in reichlich vollen Schubladen. Oder weil sie Genies sind. Aber, sorry, Sie und ich und die anderen Leser dieses Buchs gehören nun mal nicht zu diesem erlauchten Kreis.

      Alle erfolgreichen Romane fußen auf einer grundlegenden Struktur, die sich über die Jahrhunderte zu einer funktionierenden Struktur gelungenen Erzählens entwickelt hat. Das geschah nicht etwa, weil die Autoren das so wollten. Vielmehr haben die Zuhörer und Leser diese Evolution bestimmt.

      Keine starre Struktur ist das, aber sie ist doch so fix, dass sich das Wesentliche nicht von einem Jahrzehnt zum nächsten ändert. Weil sich die Menschen nicht so schnell ändern. Was mancher als starre Regeln schmäht, hat in Wahrheit weniger mit dem Schreiben zu tun als mit der Art, wie Menschen auf Geschichten reagieren. Stimmt schon, auch das menschliche Skelett ist stark einschränkend, was seine Bewegungsoptionen anbelangt. Aber es funktioniert bei Milliarden von Menschen ausgezeichnet und zuverlässig.

      Ein Kennzeichen eines schlechten Autors ist seine Selbstüberschätzung. Vor allem die, über den gewachsenen Strukturen zu stehen. Mit viel Realismus und ein wenig Demut kommen Sie weiter. Und mit einem überzeugenden Exposé sowieso.

      Dabei müssen Sie Ihren Plan oder Ihr Konzept (oder wie Sie das für sich nennen), nicht zu einem Exposé ausformulieren. Vielen Autoren genügt bereits ein ausführliches Konzept. Die zusätzliche Hilfe, die ein Exposé bietet: Es zwingt zu einer klaren Formulierung und damit zu klaren Gedanken und klaren Entscheidungen. Je mehr Schwierigkeiten Sie damit haben, desto wichtiger wird das Exposé für Sie – als Disziplinierung und als wunderbare Hilfestellung.

      Leider machen die Verlage den Autoren die Sache mit dem Exposé nicht gerade einfach. Unterschiedliche Verlage möchten oft auch unterschiedlich ausführliche Exposés haben, die einen womöglich mit einer Charakterübersicht, die anderen mit einer halben Seite zu der Frage, warum ausgerechnet Sie der beste Autor für dieses Thema sind.

      Selbst wenn Sie bereits einen Verlag haben und dort kein komplettes Manuskript anbieten, sondern nur das Konzept für einen Nachfolgeroman, wird mancher Verlag von Ihnen neben dem Kurzexposé ein längeres von zehn oder sogar zwanzig Seiten verlangen. Oder der Verlag will gleich eine Outline mit Übersicht über die Kapitel.

      Man liest immer wieder von Autoren, deren detaillierte Outline auf hundert und mehr Seiten angewachsen ist, bevor sie auch nur eine einige Zeile für den eigentlichen Roman tippen.

      Manche Verlage wollen eben möglichst früh möglichst viel Einfluss auf ein Werk haben. Das ist einerseits verständlich, für den Autor aber mindestens lästig, oft sehr anstrengend und zeitaufwendig.

      Dem Roman tut das in vielen Fällen gut. Nicht in allen. Wenn ihm zu viele reinreden, verliert der Autor den Fokus auf die Themen, die ihn umtreiben, er verliert die Leidenschaft, die er zum Schreiben einer mitreißenden Geschichte braucht. Der Plot funktioniert, aber der Roman wird tot geboren.

      Als Autor sollten Sie wissen, was für Sie selbst zutrifft. Hilft Ihnen das Strukturierte? Oder behindert diese Struktur Sie eher? Bevor jetzt alle rufen, Struktur behindert mich!, probieren Sie es erst einmal aus.

      Ich bin der Meinung, und so sind auch meine Erfahrungen aus den zahlreichen Plot-Gutachten, die ich bislang für Autoren erstellt habe, dass dem Großteil der Autoren eine gute Struktur hilft, einen besseren Roman zu schreiben. Häufig sorgt sogar erst die Struktur dafür, dass ein Roman zu Ende (!) geschrieben wird.

      Wenn bei Ihnen die Frage im Zentrum steht, wie Sie den besten Roman schreiben, den Sie draufhaben – dann sollten Sie es mit einer Planung versuchen, die Ihrem Roman zumindest eine grobe Struktur gibt. Ganz gleich, ob Sie Selfpublisher sind oder im Verlag veröffentlichen.

      Und Leser finden Sie auf diese Weise auch sehr viel leichter. Versprochen.

      Wie aber sieht es bei literarisch anspruchsvollen Romanen aus, bei denen die Sprache im Zentrum steht und die Geschichte, sofern vorhanden, erst an zweiter Stelle kommt? Autoren solcher Texte finden ihren Verlag meist auf andere Weise. Das können verlangt eingesandte Manuskripte sein, angestoßen von