werden nicht ausbleiben, und wo erst Zusammenstöße sind, da ist unser Sieg gewiß.«
»Sie sind ein Optimist, Senkpiel«, bemerkt Temborius. »Nichts ungewisser als der Ausgang eines derartigen Prozesses. – Die Staatsanwaltschaft fehlt heute hier.«
»Nichts gewisser«, betont der Oberst »Wenn die Bilder gut sind.«
»Die Bilder machen es nicht allein. Auch die beiden Beamten des Finanzamtes werden auszusagen haben. Sind Sie deren sicher, Herr Kollege?«
Andersson verzieht das Gesicht. »Richtig. Richtig. Ich habe da heute früh etwas von Berg in Altholm gehört, was mich verblüfft hat. In Altholm kursiert das Gerücht, daß Kalübbe – Sie erinnern sich, jener tüchtige Beamte, der seinen Ochsen nach Lohstedt brachte –, daß also Kalübbe strafversetzt werden soll. Daß der andere, Thiel, der nur aushilfsweise bei uns beschäftigt war, fristlos entlassen worden sei.«
Der Regierungspräsident bewegt die Schultern: »Was ist das nun wieder?«
Andersson strafft sich: »Jedenfalls keine Bauern. Es ist kein Zweifel, daß andere Leute ihre Finger in diesem Spiel haben. Ich vermute –« geheimnisvoll, vor gespannten Gesichtern – »Berlin. Diese Karte ist fabelhaft geschickt gespielt. Mein Kollege Berg versichert mir, daß Kalübbe vollständig verändert ist, nichts mit ihm aufzustellen. Eine in Aussicht gestellte Beförderung nahm er mit Skepsis auf, zweiflerisch, kurz, glaubte sie einfach nicht.«
»Aber warum befördert man ihn nicht gleich!« ruft der Regierungspräsident aus.
»Jetzt, vor dem Prozess?« gibt Andersson zu bedenken.
»Erlauben Sie«, sagt der Polizeioberst eifrig. »Ich erinnere mich, seinerzeit beförderten Majestät einen Wachtposten, der Leute, die ihn geneckt, erschossen hatte, sofort zum Gefreiten.«
Ein ungemütliches Schweigen entsteht. Diesmal tauschen Andersson und Temborius Blicke, während der Oberst sich mehrere Male kräftig räuspert.
»Immerhin«, sagt kühl der Finanzrat, »eine Beförderung im Moment ist ausgeschlossen. Auch wenn der Beamte nicht mit der Freudigkeit aussagen sollte, die erwünscht ist. Für viel bedenklicher halte ich es übrigens, daß der andere, Thiel, völlig verschwunden ist.«
»Verschwunden? Wie denn verschwunden? Man verschwindet doch nicht! Er wird doch eine Wohnung haben? Eltern?«
»Er wohnte möbliert. Die Sachen sind noch dort. Er bleibt, trotz unauffälligen Forschens der Kriminalpolizei, verschwunden.«
Der Oberst will die Scharte wieder auswetzen: »Nach ihm zu forschen ist vielleicht nicht richtig. Man suche den Mann, der dies Gerücht aufgebracht hat. Es ist doch nur ein Gerücht?«
»Gerücht ...« sagt Andersson gereizt. »Nun ja. Es ist natürlich untersucht worden, ob die beiden nicht ihre Befugnisse übertreten haben, als sie die Ochsen statt nach Haselhorst nach Lohstedt brachten. Jedenfalls werden wir bei der jetzigen Sachlage weder strafversetzen noch entlassen.«
Der Oberst triumphiert: »Dacht ich mir! Es haben also doch Erwägungen geschwebt ... Suchen Sie die Leute, die nicht dichthielten.«
Das Telefon schrillt.
Temborius dreht sich um. »Herr Assessor Meier, wollen Sie sehen. Ich habe ausdrücklich verboten, daß ich jetzt angerufen werde. Stellen Sie fest, wer mein Verbot übertreten hat.«
Der Assessor geht an den Apparat. Die drei Herren sprechen nicht. Irgend etwas hängt in der Luft. Sie starren gespannt auf den Assessor, der hört, ein »Ja« sagt, wieder hört, ein »Nein« spricht, immer noch hört ...
Der Regierungspräsident: »Bitte, Herr Assessor ...«
Der Assessor hält, durch die Weite des Zimmers, dem Präsidenten den Hörer hin. Er sieht etwas weiß aus, auf seiner Stirn stehen Schweißtropfen. »Ich glaube ...« flüstert er, »... es scheint sehr wichtig ... Sie selber ...«
Irgendwie bezwungen erhebt sich Temborius. Er geht zum Apparat, vor sich hinmurmelnd: »Was ist denn das nun wieder?« Den Hörer in der Hand: »Ja, hier Regierungspräsident Temborius ... ja doch, ich selbst ... wer ist denn dort?« Ganz ungeduldig: »Was wollen Sie denn, Mann?!«
Eine Männerstimme sagt im Apparat: »Soeben hat der Bilderverkäufer Tredup mit Polizeioberinspektor Frerksen das Haus betreten. In fünf Minuten fliegt das Regierungspräsidium in die Luft.«
2
Der lange, dürre, trockene, leise, bürokratische Herr, den Hörer in der Hand, plötzlich brüllt er, mit schreiender Stimme: »Was? Was?! Mein Herr, Ihre Witze ...« Und flehend: »Wer ist denn dort? Sagen Sie mir doch wenigstens Ihren Namen? Wer?«
Er läßt den Hörer sinken, stiert die Herren an: »Was sagen Sie nun? Was in aller Welt sagen Sie nun? In fünf Minuten fliegt das Regierungspräsidium in die Luft«
»Ein Bluff«, sagt der Oberst, schreitet auf den Apparat zu und nimmt dem Präsidenten den Hörer formlos aus der Hand. »Fräulein! Fräulein! Sofort die Schupokaserne! Wer dort? Oberleutnant Wrede? Äh, Kamerad, umgehend alle Mannschaften, alle, zum Regierungspräsidium. Ich erwarte Sie an der Auffahrt. Überfall! – Fräulein, schnellstens alle Büros anrufen: sämtliche Personen haben sofort das Präsidium zu verlassen. Sofort. Ihre Kollegin sucht unterdes festzustellen, von wo der Anruf eben kam. – Nicht wahr, Sie haben mitgehört? Sie wissen Bescheid. Ich dachte mir das schon.«
Er läßt den Hörer sinken. Lächelt: »So, meine Herren, noch vier Minuten. Aber ich sage Ihnen: Bluff!«
»Aber das ist Wahnsinn«, schreit Temborius. »Wie kann man wagen ...?«
Die Tür öffnet sich. Hinter Polizeioberinspektor Frerksen betritt in seinen zerdrückten Kleidern, blaß und beklommen, Tredup das Zimmer. Frerksen grüßt militärisch: »Zur Stelle, Herr Regierungspräsident«
Der zwinkert mit den Augen: »Von Altholm? Wegen der Bilder?«
Frerksen bejaht mit einem Nicken.
Der Präsident flüstert: »Das ist Ihr Bürgermeister! Das ist der Gareis, der uns dies eingebrockt hat! Sie Mensch mit Ihren unseligen Bildern! Machen Sie, daß Sie ...«
Andersson greift ein. »Herr Präsident, darf ich vielleicht –? Sie entschuldigen ...« Zu den ganz Verblüfften gewendet: »Das Regierungspräsidium fliegt nämlich in drei Minuten in die Luft ... Sie sehen uns etwas erregt ...«
Wieder der Präsident: »Meine Herren, Sie entschuldigen mich. Da sind wichtige Papiere, Staatsdokumente ... Ich muß erst ... Herr Assessor Meier, ich bevollmächtige Sie ... Sie werden kaufen, die Belohnung geben ... meine Herren, Dokumente ...«
Eine dunkle Flügeltür schließt sich lautlos.
Der Oberst sagt eilig: »Also, Herr Assessor, jetzt sind Sie der Mann an der Spritze. Sie entschuldigen mich. Ich muß zu meinen Mannschaften.«
Und der Polizeioberinspektor Frerksen: »Herr Kamerad, wenn Sie gestatten. Die Lösung dieser polizeitaktischen Aufgabe interessiert mich ...«
Und Andersson: »Da Sie Vollmacht haben, bin ich hier überflüssig. Auf Wiedersehen.«
Sein Abgang ist eilig.
In dem Riesenzimmer stehen zwei: Assessor Meier, klein, bleich, sehr jüdisch, etwas schwitzend. Tredup, langschinkig, blaß, schmuddelig, unrasiert.
Der Assessor mustert den an der Tür: »Haben Sie eigentlich Angst?« fragt er.
»Ich möchte mein Geld«, sagt Tredup unberührt von allem. »Hier sind die Bilder.«
Er zieht sie aus der Brusttasche, wickelt sie aus, hält sie dem Assessor hin, in jeder Hand eines.
Der Assessor wirft einen flüchtigen Blick darauf, sieht Männer, etwas Rauch, ein langer, glattrasierter, scharffaltiger Bauer schürt Feuer.
»Gut, legen Sie dort hin. Haben Sie eigentlich keine Angst?«
»Erst das Geld. –