›Den hat der Franz.‹
›Wer ist der Franz?‹ fragen die.
›Das ist mein Sekretär‹, antwortet Reimers.
Er soll ihn rufen. Aber er kann ihn nur selber holen. Das wollten sie nicht, haben Angst, daß er türmt, sie wollen ihn holen.
›Wo der Franz ist?‹
›Auf dem Boden.‹
›Auf welchem Boden? Auf dem Futterboden?‹
›Nein, auf dem Hausboden.‹
›Ob er ihn nicht rufen kann?‹
›Wenn sie meinen, daß es Zweck hat, kann er das.‹
›Ja, er soll es nur tun.‹
Alle gehen auf den Vorplatz und da steht der Reimers und brüllt auf den Boden: ›Der Franz soll runter kommen. Die Polizei will es.‹ Na, nichts rührt sich. Reimers brüllt und brüllt, hat dabei immer noch seine Knarre im Arm, aber nichts rührt sich.
›Ob der Franz vielleicht schläft?‹
Und Reimers: Das weiß er nicht, ob der Franz schläft oder ob er wach ist.
Sie wollen einen rauf schicken. Welche Tür es ist?
›Die geradezu, wenn man auf den Boden kommt.‹
Ein Schupo turnt rauf und kriecht rum und kommt wieder: vor der Tür wäre ein Vorhängeschloss. Und der Reimers tut mächtig erstaunt, ob sie das denn nicht gewußt hätten, Böden ließe man doch überall nicht so offenstehen.
Nun merken sie doch, daß er sie zum Narren hat und die Mädchen in der Küche, die den Bauern haben ›Franz‹ schreien hören, lachen auch so laut. Sie gehen wieder mit ihm in die Stube und fragen grob und kurz, was das für ein Franz ist, den er da unter Verschluss hat.
›Nun, meinen Sekretär Franz.‹
›Wieso? Man schließt doch keine Menschen ein?‹
›Wohl, das tut man auch. Darum sind sie doch grade hier, die Herren.‹
›Ob er hier Gefangene hält?‹
›Gefangene? Kann man auch einen Sekretär gefangennehmen, einen Schreibsekretär? Einen rotgestrichenen? Den er schon seit eh und je Franz genannt hat?‹
Und das ist wahr. Der Reimers hat Namen für seine Anzüge, für seine Möbel, für seine Ackerwagen und für jedes Gerät, das wissen alle.«
»Ein blöder Witz! Wenn die Bauern damit was werden wollen!«
»Sie meckern heute immerzu. Aber es macht Ihnen doch Spaß, Sie haben mich eben reden und reden lassen.«
»Spaß? Wo Sie sich nun mal an meinen Tisch gesetzt haben und nicht fortgehen wollen?«
»Sie können sich denken, wie wild die waren. Zwei Mann müssen vortreten und nehmen ihm die Büchse ab. Und die andern müssen die Verschlüsse zusammensetzen, die er grade auseinandergenommen und geölt hat. Und drei Mann müssen mit ihm auf den Boden und schauen ihm über die Schulter, wie er den ganzen Sekretär umdreht Schublade für Schublade. Bis ihm einfällt, daß er den Waffenschein doch unten hat, in seinem Schreibtisch.
Da erklären sie ihm dann, der Waffenschein interessiert sie nicht mehr. Die Waffen sind sowieso beschlagnahmt. Netter Rechtsbruch, was?«
»Sie sind ein Äffchen«, sagt Stuff.
»Na ja, so sagt man doch. Ein Rechtsbruch ist es jedenfalls. Und dann fangen sie mit der Vernehmung an und wollen wissen, wer die Strohfuhre gefahren hat Und er antwortet ihnen, da sollen sie sich an den Otsche wenden. Nun, sie sind ja mißtrauisch geworden, der Otsche interessiert sie nicht, er soll erzählen, was er weiß. Und er sagt: ›Nein, sie sollen erzählen, was sie wissen, dann wird er sagen, was stimmt.‹ Nun, das wollen sie auch wieder nicht. Und nun sagen sie ihm, daß er verhaftet ist, daß er mitkommen soll. Und er sagt:
›Gleich kann ich nicht. Ich muß erst meine Umsatzsteuererklärung schreiben. Und die Gemeindekasse muß auch übergeben werden.‹
Und sie werden immer wilder. Und das ganze Dorf ist schwarz von Leuten und auf der Koppel parken schon Autos und Fotografen machen Aufnahmen. Und Reimers sitzt in seinem Schreibtischsessel und rührt sich nicht. Er solle ihnen die Kasse übergeben. – Das will er nicht. Es ist schon mehr Geld weggekommen. Und ob sie nicht von den Unterschlagungen gehört haben bei der Reichswehr und der Schupo und von den Munitionsschiebungen und all dem Dreck?«
»Na und –?«
»Ja, nun müssen Sie sich das so denken. Ich sehe das alles vor mir. Ich bin nicht dabei gewesen, aber so sehe ich es. Da stehen nun die Schupowachtmeister an der Wand lang und an der Tür, mit dem Gummiknüppel in der Hand und die Pistolentasche schon aufgeknöpft. Und die Kripo steht da und der Herr Oberst Senkpiel und sie kochen vor Wut. Und wenn sie ihn allein gehabt hätten, ich sage Ihnen, kein Knochen wäre in seinem Leibe heil geblieben. Aber draußen stehen Hunderte von Bauern ...«
»Fünfzig.«
»Hunderte und aber Hunderte. Keine Frau, nur Männer. Keine Frau haben die Bauern auf die Straße gelassen. Ohne ein Wort, stumm. Und die Kette von dreißig Schupos. Und drinnen sitzt der eine, einzige Mann und zieht sie seit einer Stunde durch den Kakao und sie sind wehrlos.«
»Hübsche Phantasie, die Sie haben. Aber Schupo und Kripo sind so was gewöhnt, das trifft jeder Ganove.«
»Gekocht haben sie vor Wut. Schwarzblau angelaufen war der Oberst.
›Kommen Sie mit!‹
›Rufen Sie meinen Stellvertreter an, daß ich die Kasse übergeben kann!‹
›Mitkommen sollen Sie! Wenn Sie jetzt nicht aufstehen, müssen wir Sie mit Gewalt transportieren.‹
Und drei Mann stellen sich zu ihm, zwei an seinen Seiten, einer im Rücken.«
»Und ist er gegangen?«
»Da spielt der Reimers einen Trumpf aus. Er kommt gutwillig mit, aber erst will er den Verhaftbefehl sehen. Und nun die Riesenblamage: die Kripo hat sich auf den Oberst verlassen und der Oberst hat sich auf die Kripo verlassen und alle haben keinen roten Schein.
Und sie kriegen das Streiten miteinander und die jungen Kerls, die Schupos, die sind kreideweiß gewesen vor Wut, und der Reimers hat in seinem Schreibtischsessel gehockt und hat die Beine angezogen und hat mit den Händen geklatscht und hat Ksst! Ksst! gemacht, um sie aufeinander zu hetzen und hat sich ausgeschüttet vor Lachen.«
»Na und? Haben sie ihn mitgenommen?«
»Sie sind gleich still geworden und der Oberst hat gesagt, es ist egal. Die Verhaftung ist rechtsgültig und er hat mitzukommen.
Und er hat geantwortet, er weiß auch, was Recht im deutschen Land ist und er kann seinen Verhaftbefehl verlangen. Und wenn sie etwas verbockt haben, dann müssen sie es eben machen wie die ganz gewöhnlichen Zivilisten und müssen noch mal gehen nach dem Wort: was man nicht im Kopf hat, das muß man in den Beinen haben.
Und der Oberst hat angefangen zu toben: er soll mitkommen. – Ohne Verhaftbefehl kommt er nicht. – Und sie haben ihn aufgefordert, zweimal, dreimal, aber er ist nicht aufgestanden. Da haben sie zugefaßt und haben ihn hochgerissen.
Und er hat geschrien – und ich sage Ihnen, es ist mir draußen am Knick durch Mark und Bein gegangen – da hat er geschrien: ›Wehe Recht in deutschen Landen! Wehe Recht!‹ Und dann haben sie ihm die Handfessel angelegt und haben ihn an der Kette geführt zu den Autos.
Reimers ist gutwillig mit ihnen gegangen durch die Bauernmassen durch.
Und kein Mensch hat ein Wort gesprochen, aber die Hüte haben sie abgerissen vor ihm. Und dann haben sie ihn fortgebracht.«
»Und dann? Und Sie?«
»Ich? Dann bin ich hierher gefahren und habe Ihnen dies alles erzählt und habe keinen Dank, scheint's,