unwillkürlich. Und es folgt: »Oh Gott, das Salz!«
Auch er läßt den Löffel sinken, über dem Tisch, über den Tellern, über dem dicken braunen Emailletopf begegnen sich beider Blicke.
»Und sie müßte so gut sein«, klagt Lämmchen. »Ich hab alles richtig genommen: ein halbes Pfund Erbsen, ein halbes Pfund Fleisch, ein ganzes Pfund Knochen, das müßte eine gute Suppe sein!«
Er ist aufgestanden und bewegt nachdenklich den großen Auffüllöffel aus Emaille in der Suppe. »Ab und an begegnet man 'ner Schluse? Wieviel Wasser hast du denn genommen, Lämmchen?«
»Es muß an den Erbsen liegen! Die Erbsen geben rein gar nichts aus!«
»Wieviel Wasser?« wiederholte er.
»Nun, den Topf voll.«
»Fünf Liter – und ein halbes Pfund Erbsen. Ich glaube, Lämmchen«, sagt er geheimnisvoll, »es liegt an dem Wasser. Das Wasser ist zu dünn.«
»Meinst du«, fragt sie betrübt. »Hab ich zu viel genommen? Fünf Liter. Es sollte aber für zwei Tage reichen.«
»Fünf Liter – ich glaube, es ist zu viel für zwei Tage.« Er probiert noch mal. »Nee, entschuldige, Lämmchen, es ist wirklich nur heißes Wasser.«
»Ach, mein armer Junge, hast du schrecklichen Hunger? Was mache ich nun? Soll ich ganz schnell ein paar Eier raufholen und uns Bratkartoffeln und Spiegeleier machen? Spiegeleier und Bratkartoffeln kann ich bestimmt.«
»Also los!« sagt er. »Ich lauf selbst nach den Eiern.« Und ist fort.
Als er dann zu ihr in die Küche kommt, laufen ihre Augen nicht von der Zwiebel, die sie für die Bratkartoffeln geschnitten hat. »Aber Lämmchen«, sagt er, »es ist doch keine Tragödie!«
Sie wirft beide Arme um seinen Hals. »Jungchen, wenn ich nun eine untüchtige Hausfrau bin! Ich möchte es gerne alles so nett für dich machen. Und wenn der Murkel kein richtiges Essen kriegt, kommt er auch nicht vorwärts!«
»Meinst du jetzt oder nachher?« fragt er lachend. »Glaubst du, du lernst es nie?«
»Siehst du, du veräppelst mich auch noch.«
»Mit der Suppe, das habe ich mir eben schon auf der Treppe überlegt. Der Suppe fehlt doch gar nichts, nur zu viel Wasser. Wenn du sie noch mal aufsetzt und ganz lange richtig kochen läßt, daß alles Wasser richtig auskocht, was zu viel ist, dann haben wir doch 'ne richtige gute Erbsensuppe.«
»Fein!« sagt sie strahlend. »Da hast du recht. Mach ich gleich heute nachmittag, dann essen wir noch einen Teller zum Abendessen.«
Sie ziehen mit ihren Bratkartoffeln plus je zwei Spiegeleiern ins Zimmer. »Schmeckt es? Schmeckt es ganz richtig, wie du es gewöhnt bist? Ist es auch nicht zu spät für dich? Kannst du dich nicht noch einen Augenblick hinlegen? Du siehst so müde aus, Jungchen.«
»Nee. Nicht weil es zu spät ist, nein, ich kann heute doch nicht schlafen. Dieser Kleinholz ...«
Er hat sich lange überlegt, ob er es ihr überhaupt erzählen soll.
Aber jedenfalls haben sie in der Sonnabendnacht verabredet, es soll keine Geheimnisse mehr geben. Und darum erzählt er ihr. Und dann tut es so gut, wenn man sich aussprechen kann! »Und was mach ich nun?« fragt er. »Wenn ich ihm nichts sage, kündigt er mir doch bestimmt am Ersten. Wenn ich ihm einfach die Wahrheit sagte? Wenn ich ihm sagte, daß ich verheiratet bin, daß er mich nicht auf die Straße setzen soll?«
Aber darin ist Lämmchen ganz die Tochter ihres Vaters: von einem Arbeitgeber hat ein Angestellter nichts zu erwarten. »Das ist ja dem so piepe«, sagt sie empört. »Früher, ja vielleicht, da gab's noch ab und an ein paar anständige ... Aber heute ... wo so viele arbeitslos sind und durchkommen müssen, kann's auf meine Leute auch nicht ankommen, denken die!«
»Schlecht ist der Kleinholz eigentlich nicht«, sagt Pinneberg. »Nur so gedankenlos. Man müßte es ihm richtig auseinandersetzen. Daß wir den Murkel erwarten und so ...«
Lämmchen ist empört: »Das willst du dem erzählen! Dem, der dich erpressen will? Nein, Junge. Das tust und tust du nicht.«
»Aber was soll ich denn tun? Ich muß ihm doch was sagen.«
»Ich«, sagte Lämmchen nachdenklich, »ich spräch mal mit meinen Kollegen. Vielleicht hat er denen auch so gedroht wie dir. Und wenn ihr dann alle zusammenhaltet, allen dreien wird er ja nicht kündigen.«
»Das mag angehen«, sagte er. »Wenn sie einen nur nicht reinlegen. Lauterbach betrügt nicht, der ist schon viel zu doof dazu, aber Schulz ...«
Lämmchen glaubt an die Solidarität aller Arbeitenden: »Deine Kollegen werden dich doch nicht reinreißen! Nein, Jungchen, es wird schon werden. Ich glaub immer, es kann uns gar nicht schlecht gehen. Warum denn eigentlich? Fleißig sind wir, sparsam sind wir, schlechte Menschen sind wir auch nicht, den Murkel wollen wir auch, und gerne wollen wir ihn – warum soll es uns da eigentlich schlecht gehen? Das hat doch gar keinen Sinn!«
Kleinholz stänkert, Kube stänkert und die Angestellten kneifen. Erbsen gibt es noch immer nicht
Der Weizenboden der Firma Emil Kleinholz ist eine olle verwinkelte Geschichte. Nicht einmal eine richtige Absackvorrichtung ist vorhanden. Alles muß noch auf Dezimalwaagen abgewogen werden, und aus einer Dachluke auf einer Rutsche läßt man die Säcke hinuntersausen in das Lastauto.
Sechzehnhundert Zentner sacken an einem Nachmittag, das ist wieder mal das richtige Kleinholz-Theater. Keine Arbeitseinteilung, keine Disposition. Der Weizen liegt schon eine Woche, schon zwei Wochen auf dem Boden, hätte man längst mit Absacken anfangen können, aber nein, an einem Nachmittag!
Es wimmelt von Menschen auf dem Boden, alles, was Kleinholz in der Eile hat auftreiben können, hilft mit. Ein paar Weiber kehren den Weizen wieder an die Haufen heran, drei Waagen sind in Tätigkeit, Schulz an der ersten, Lauterbach an der zweiten, Pinneberg an der dritten.
Emil rennt rum, Emil noch schlechterer Laune als am Vormittag, denn Emilie hat ihn völlig trocken gelegt, darum sind sie und Marie auch nicht auf den Boden gelassen. Über alle väterlichen Versorgungsgefühle hat die Wut des Tyrannisierten gesiegt. »Nicht riechen mag ich euch Biester.«
»Haben Sie Sackgewicht drauf, richtiges Sackgewicht, Herr Lauterbach? So ein Idiot! Ein Zweizentnersack wiegt drei Pfund, keine zwei Pfund! Genau zwei Zentner und drei Pfund werden gesackt, meine Herren. Und daß mir keiner ein Übergewicht gibt. Ich habe nischt zu verschenken. Ich wiege nach, mein schöner Schulz.«
Zwei Mann rutschen einen Sack zur Schurre. Der Sack geht auf, eine Flut rotbraunen Weizens prasselt auf den Boden.
»Wer hat den Sack zugebunden? Sie, Schmidten? Gottverdammich, Sie sollten doch mit Säcken umgehen können! Sie sind doch auch keine Jungfer mehr. Glotzen Sie nicht, Pinneberg, Ihre Waage hat Ausschlag! Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie Trottel, wir geben keinen Ausschlag?«
Nun glotzt Pinneberg wirklich, und zwar sehr böse auf seinen Chef.
»Kucken Sie nicht so dämlich! Wenn Ihnen hier was nicht paßt, bitte, Sie können gehen. – Schulz, Sie Bock, lassen Sie sofort die Marheinecke los. Will der Kerl auf meinem Weizenboden mit den Weibern loslegen.«
Schulz murmelt was.
»Halten Sie's Maul! Sie haben die Marheinecke in den Hintern gekniffen. Wieviel Sack haben Sie jetzt?«
»Dreiundzwanzig.«
»Nicht vorwärts geht das. Nicht vorwärts! Aber das sage ich euch, keiner kommt mir vom Boden runter, bis die achthundert Sack fertig sind! Vesper gibt's nicht. Und wenn ihr um elf Uhr nachts hier noch steht, das will ich doch mal sehen ...«
Es ist drückend heiß unter den Dachpfannen, auf die mit aller Gewalt die Augustsonne niederprallt. Die Männer haben nur noch Hemd und Hose an und die Weiber auch kaum mehr. Es riecht nach trockenem Staub, nach Schweiß, nach Heu, nach der frischen, glänzenden