Martina Dr. Schäfer

Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln


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an das Ministerium zurück gesandt werden sollten. Herbert Kühn, der sich anscheinend Zeit lassen wollte und vermutlich auch noch nicht so ganz die Tragweite dieses Vorgehens erfasst hatte, strich das Wörtchen «April» durch und datierte den Fragebogen auf den 6. Juni 1933 um. (UAK Zug 17 3213)

      Neben den Fragen nach der eigenen Abstammung fanden sich auch unter Punkt 5 des Fragebogens Fragen nach der Zugehörigkeit zu politischen Parteien und dem Zeitraum des Engagements.

      Herbert Kühn war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei von 1919 bis 1921. «Aus prinzipiellen Gründen», so seine Darstellung, trat er 1921 aus. Seit seiner Habilitation gehörte er keine Partei mehr an. (UAK Zug 17 3213) Seine Herkunft ist eindeutig «arisch». Am 5.7.1933 erkundigte sich ein «Sachverständiger für Rasseforschung beim Reichsministerium des Innern», Dr. Gercke, beim Sekretariat der Universität über den Privatdozenten Herbert Kühn. Diese Auskunft war für das Amt gebührenfrei. Wie ich dem gesamten diesbezüglichen Aktenzusammenhang entnehme, wurde Herbert Kühn ausserdem nicht darüber informiert. (UAK Zug 17 3213)

      Da mittlerweile ja Herbert Kühns ausgefüllter Fragebogen vorlag, sandte man umgehend die Abschrift von diesem nach Berlin. Christian Eckert, den GOLCZEWSKI (1988) als antisemitisch bezeichnet, wie ich unter Abschnitt 3.2. meiner Arbeit erwähnte, beeilte sich auch sehr eilfertig, genauestens darauf hinzuweisen, dass Herbert Kühns Ehefrau «nichtarischer» Abstammung sei.

      Am 23.8.1933 wird das Gutachten des Sachverständigen Gercke dem Kuratorium zugesandt: Danach stellt sich heraus, dass der Genannte – - arisch – - im Sinne der ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 11. April 1933 (RGBL S. 195) ist. (UAK Zug 17 3213)

      Zu dem Gutachten gehörten auch eine Ahnentafel bis zu den Urgrosseltern sowie eine Chronik über das Wappen eines Vorfahren. (UAK Zug 17 3213)

      Unter der Sparte Ergebnis hiess es sodann: Prof. Dr. Herbert Kühn ist arisch, da seine unter Nr. 2 – 15 genannten Ahnen arisch sind. Seine Ehefrau Rita Ruth Gerssmann, geb. 3.8. 1900 in Halberstadt ist jüdisch. Sie ist die Tochter der jüdischen Eheleute Fabrikbesitzer Benno Gerssmann und Jenny Alter in Halberstadt. (UAK Zug 17 3213)

      Zuerst einmal schien das keine unmittelbaren Folgen für Herbert Kühn zu haben. Christian Eckert war mittlerweile von den Nationalsozialisten selber entfernt worden. Am 25.1.1934 schrieb Peter Winkelnkemper an Bürgermeister Brandes, dass die Tatsache, dass Kühns Ehefrau Jüdin sei, kein Grund für eine Entlassung darstelle. Er könne nur nie ordentlicher Professor werden oder sonst in den Staatsdienst treten. (GOLCZEWSKI 1988, 180) Doch man versprach, Herbert Kühn zu beobachten.

      Schon am 18.1.1934 hatte sich Eduard Hollerbach, der Schulungsleiter der NSDAP an den Kurator der Universität, Peter Winkelnkemper, gewandt. Eduard Hollerbach griff Herbert Kühn auf wissenschaftlichem Gebiet an, warf ihm Plagiat und das falsche Verwenden von Fundgut vor. Ausserdem wies Eduard Hollerbach darauf hin, dass es bereits vor einem Jahr im «Westdeutschen Beobachter» eine Pressefehde gegen Herbert Kühn gegeben habe. Peter Winkelnkemper war Hauptschriftleiter an dieser, dem Nationalsozialsozialismus nahe stehenden Zeitung.

      Wie aus der Anlage ersichtlich, hatte ich damals insbesondere das geistige Schmarotzertum dieses «Forschers» anzuprangern, das sich damals in dessen mehr als freier Verfügung über die wissenschaftliche Autorschaft der Entdeckung des mondbezüglichen Ursprunges des Hakenkreuzes durch Erwin Richter zu erkennen gab. (Eduard Hollerbach UAK Zug 17/3213)

      GOLCZEWSKI (1988) weist in der Einleitung seines Buches darauf hin, dass die Aufarbeitung der Geschichte der Universitäten zur Zeit des Nationalsozialismus dringend auch der Arbeiten aus den einzelnen Fachbereichen bedürfe und unter dem Aspekt der jeweiligen Wissenschaft zu geschehen habe. Ausser für sein eigenes Fach, könnten er und auch andere Forscher, die zumeist aus den Fachgebieten Verwaltungsrecht, neuere Geschichte oder Politologie kämen das nicht leisten. (GOLCZEWSKI 1988, 10)

      Eduard Hollerbachs Kritik bezog sich wahrscheinlich auf Vorlesungen, die mir im Moment nicht zugänglich sind sowie auf das Nachwort Herbert Kühns zu dem Buch von Carl Hentze: Mythes et Symboles Lunaires. Antwerpen 1932. (s.u. 5.5.)

      Ganz unabhängig jedoch davon, ob Herbert Kühns Thesen nun wissenschaftlich mit den damaligen Methoden zu verifizieren oder falsifizieren waren: Es war der Stil in Eduard Hollerbachs Brief, der aus einer angeblich wissenschaftlichen Kritik ein denunziatorisches Schreiben machte.

      Herbert Kühn blieb auch weiterhin Zielscheibe der rechts gerichteten Presse, so z. B. des «Vortrupps», dessen Vorstellung zur Aufgabe eines Professors man 1935, in der gleichen Nummer, in welcher der Angriff auf Herbert Kühn stattfand, auf Seite 4 nachlesen konnte: Ein wahrhafter Hochschullehrer im Sinne der neuen Universität kann nur der sein, der die nationalsozialistische Weltanschauung in seinem ganzen Wollen vertritt. Wer das nicht kann oder will, kann vielleicht technisches Wissen vermitteln, er kann aber niemals das, worauf es entscheidend ankommt: junge und wertvolle deutsche Menschen zu Führern des Volkes machen. (Vortrupp 1935 UAK Zug. 197/769)

      Auf der gleichen Seite fand sich auch die Attacke gegen einen liberalen Philosophieprofessor, der anscheinend noch einmal versucht hatte, eine Lanze für die «objektive Wissenschaft» zu brechen und anmahnte, im wissenschaftlichen Arbeiten «Leistung» wichtiger als «Haltung» zu nehmen.

      Der Angriff gegen Herbert Kühn bezog sich auf eine Diskussion in seiner Vorlesung über die Germanen, in welcher Herbert Kühn einen Studenten in ironischem Stil abkanzelte. Dieser Student wehrte sich nun dagegen. Für Herbert Kühn gehörten die Eigenschaften Gefolgschaftstreue, Sippentreue, Mut u. a. nicht zu einem ethischen Gebäude. Der Student, indem er sich auf das Buch Alfred Rosenbergs: «Der Mythus des 20. Jahrhunderts» bezog, war da anderer Meinung.

      Betrachtet man das im Hintergrund schwebende Verfahren zur Entziehung der Lehrbefugnis, war folgender Satz mit Sicherheit von fataler Wirkung: Sie gestatten doch, Herr Professor, dass ich als «dummer Junge» den Begriff der Ethik anders sehe als Sie in ihrer «weisen», allerdings von anderen Grundsätzen beschatteten Auffassung. (Vortrupp 1935 UAK Zug. 197/769)

      Herbert Kühns abfällige Bemerkung wird durch die ironische Anrede «Herr Professor» gekontert. Man kann daraus nur schliessen, dass wohl auch die Hochschullehrer, insbesondere jene, die sowieso gegenüber den Nationalsozialisten bereits mit dem Rücken zur Wand standen hin und wieder eher scharfe und unsachliche Töne in ihre Argumentationen und Diskussionen mit den Studenten einfliessen liessen.

      Aber welche «Grundsätze» meinte nun der Schreiber weiter? Sicherlich keine für ihn selber positiv besetzte, das sie ja «überschatten». Also wohl auch keine aus dem Gedankengut der Nationalsozialisten. Geradezu karrieregefährdend für Herbert Kühn unter den gegebenen Voraussetzungen beschloss «der dumme Junge» seinen Angriff: Dadurch bin ich leider nicht in der Lage, Ihrem Wunsche zu entsprechen, Ihre Vorlesung als eine im nationalsozialistischen Geiste gehaltene anzusprechen, solange Sie germanische Ideale von einer ethischen Wertung ausschliessen. (Vortrupp 1935 UAK Zug. 197/769)

      Am 8. Juli 1935 wehrte sich Kühn in einem Schreiben an den Dekan gegen diese Hetze im «Vortrup». ( UAK Zug. 197/769)

      Dieses und auch ein anderes Schreiben Herbert Kühns vom selben Tag an den Dekan waren nur mehr nutzlose Rechtfertigungsversuche eines Menschen, gegen den nun von allen Seiten und mit Hilfe der verschiedensten Institutionen und bürokratischen Verfahrensweisen vorgegangen wurde. Denn zu diesem Zeitpunkt ging es überhaupt nicht mehr um eine genaue Unterscheidung zwischen «Ethik» und «ethischer Haltung», wie sie Herbert Kühn in seinem Schreiben an den Dekan vom 8.7.1935 anmahnte.

      Zum Beschuss in der Presse hatte sich schon im Mai 1934 eine Denunziationskampagne gesellt, in welcher Herbert Kühn sexueller und anderer Orgien in seiner schlossähnlichen Villa (Wöhrmeyer an Frielingsdorf, 29.5.1934 UAK Zug 17/3213) bezichtigt wurde:...dass diese Kreatur noch Vorlesungen halten darf...damit wir recht bald von dieser Missgeburt befreit werden. (Wöhrmeyer an Frielingsdorf, 29.5.1934 UAK Zug 17/3213)

      Der Vorwurf: Überhaupt versucht dieser saubere Prof. sich den Studentinnen, die seine Vorlesungen belegt haben, zu nähern. (Wöhrmeyer an Frielingsdorf, 29.5.1934 UAK Zug 17/3213) stand hier ganz sicher nicht im Dienste sexuell belästigter junger Frauen,