Martina Dr. Schäfer

Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln


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nun aussehen würde. Abbildungen prähistorischer Frauen fehlen im «Merkheft zum Schutz der Bodenaltertümer», trotzdem es innerhalb der nationalsozialistischen Vorgeschichtler durchaus Diskussionen um deren Art und Weise mit Abbildungen von Frauen in einigen Publikationen gegeben hatte. (KOSSINNA 1911, WILKE 1929, WIRTH 1938, WOLFF, 1929, 319 ff., RÖDER 1996, 132, SCHÄFER 2001, 51ff.)

      Die Darstellung des germanischen Kriegers im Merkheft ist insbesondere deshalb als tendenziös im Sinne der nationalsozialistischen Führerideologie zu interpretieren, als er den Arm zum «Hitlergruss» hebt und somit eine scheinbare Kontinuität zwischen den damaligen «jugendstarken Germanen» sowie den gegenwärtigen Nationalsozialisten suggeriert wird. Das Bild des Germanen mit der erhobenen flachen Hand hat hier die gleiche Funktion, wie die Herschreibung des Symbols «Hakenkreuz» auf prähistorischer Keramik. Auch Slaven, die im 6. Jahrhundert in germanisches Land einbrachen (BUTTLER 1937, 35) gehören nicht zur eigenen, prähistorischen «Ingroup». Dass es sich um «unser» Land handelte, beweist anscheinend die Summe der Bodenfunde, die Werner Buttler in drei stummen Kartenabbildungen von Schlesien dokumentiert: 9 im Jahr 1896, 52 1926 und 147 im Jahr1937. (BUTTLER 1937, 35) Auch die Fundmeldungen aus der Bevölkerung, glaubt man der abgebildeten Statistik, haben sich in dem Zeitraum zwischen 1926 und 1934 mehr wie verdreifacht. (BUTTLER 1937, 35)

      Die manipulative Botschaft bringt so den Beweis, Was bei guter Denkmalpflege herauskommt: Nämlich dass polnische und tschechische Gebiete schon immer «unser» Land war, woraus sich auch für die Gegenwart territoriale Ansprüche ableiten lassen. Die Karten suggerieren die Notwendigkeit, falls «die Fremdherrschaft» noch fort dauern sollte, abermals nach den munteren, «jugendstarken Germanen» zu rufen, damit der drängelnde Ameisenhaufen der Kartenpünktchen ein Ventil zur Eroberung «neuen Lebensraumes im Osten» (häufig verwendeter Begriff der Nationalsozialisten) erhält. Zwischen der Dissertation von Werner Buttler und diesem populärwissenschaftlichen Text liegt etwas mehr als ein halbes Jahrzehnt. Die Texte gehören zwei verschiedenen Textkategorien wissenschaftlichen Schreibens an: Dissertation und populärwissenschaftliche Information.

      Werner Buttler verfasste auch ein vorgeschichtliches Schulbuch. Es wäre interessant, im Rahmen einer Fragestellung nach den Inhalten der Ur- und Frühgeschichte in Schul-, Kinderund Jugendbüchern aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, dieses Buch näher zu untersuchen. (siehe auch: HASSMANN 1998)

      Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte 1933 stattgefunden und Hitler vereinigte seit August 1934 die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in seiner Person. Kurz zuvor war die SS als selbstständige Organisation gegründet worden, die Wehrmacht wurde auf Hitler vereidigt, eine allgemeine Wehrpflicht 1935 eingeführt und am 15.9.1935 die antisemitischen «Nürnberger Gesetze» erlassen. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein und die Vorbereitungen zum Krieg waren auf politischer und wirtschaftlicher Ebene voll im Gange.

      Die beiden besprochenen Arbeiten Werner Buttlers bilden die innere Entwicklung eines jungen Wissenschaftlers von seinem dreiundzwanzigsten bis zu seinem dreissigsten Lebensjahr während einer Diktatur ab.

      Folge ich jedoch der Charakterisierung seiner Person und seiner Stellung zwischen «SS-Ahnenerbe» – Anhängern und jenen des «Amtes Rosenberg», wie BOLLMUS (1970) sie darstellt, so sehe ich nicht innere Entwicklung sondern das Phänomen einer Abspaltung zwischen einerseits wirklich wissenschaftlicher Redlichkeit und Begabung und andererseits ideologietreuer, regimenaher Schreiberei, die den Machtinteressen einer rassistischen Diktatur diente.

      Werner Buttler war zu diesem Zeitpunkt ein junger Familienvater mit drei Kindern. Es lässt sich kaum nachvollziehen, ob und in welcher Weise Leute wie er unter Druck gesetzt wurden, um dem Regime die notwendige geistige Unterstützung zu gewährleisten. Natürlich gab es viele Menschen, die trotz Allem, solchem Druck nicht nachgaben. Vielleicht, das legt BOLLMUS (1970) Darstellung nahe, vermeinte Werner Buttler auch, eine richtige Strategie zu fahren. Eine Haltung, die Werner Buttler mit einer ganzen Reihe anderer Vorgeschichtler teilte.

      Trotzdem muss bemerkt sein, dass populärwissenschaftliches Schreiben die grössere Öffentlichkeit hat und somit auch eine stärkere Funktion politischer Manipulation und Beeinflussung wie wissenschaftliches. Hierin entspricht das bilderreiche und sehr verständlich geschriebene Merkheft den späteren Bildmedien, deren manipulative Einflussnahme ja heutzutage hinreichend bekannt ist.

      Vorgeschichtler wie Werner Buttler oder Walter von Stokar unterrichteten nicht nur im wissenschaftlichen Rahmen der Universitäten sondern auch auf der populären Ebene einer Volksbildung. Hier aber hatten sie Einfluss auf eine Klientel, die eben nicht über das methodische Instrumentarium verfügte, eventuell ideologische Thesen solcher SA-Referenten anzuzweifeln.

      Dass es möglich war, populärwissenschaftlich und trotzdem ideologiefrei zu schreiben, zeigt beispielsweise der Aufsatz von Eugen Hollerbach im «Westdeutschen Beobachter vom 25. Januar 1939 (UAK Zug 44/183), den ich im Folgenden kurz referieren möchte. In journalistischer Weise stellt Eugen Hollerbach die naturwissenschaftliche Arbeit am Institut für Vorgeschichte von Köln dar. Mit einfachen Worten und humorvollen Beispielen werden metallurgische, chemische und pollenanalytische Verfahrensweisen beschrieben. Das Ziel der Spatenforschung ist, herauszufinden, was denn die Leute damals für Stoffe trugen, wie sie Brot backten oder womit sie ihre Hafermehlbrühe würzten. Der Autor lehrt seine LeserInnen staunen, wie gut und auf wie lange Zeit die Erde ihre Funde konserviert. Hier findet sich keine germanophile Sinngebung oder raunendes Einschwören auf das Ziel, germanisches Wesen überall zu erkennen und zu bewahren, wie das in Werner Buttlers Merkheft von 1937 so deutlich hervorgehoben wird.(HOLLERBACH, E. 1939 Mit Mikroskop und Retorte auf den Spuren der Vorzeit. Westdeutscher Beobachter – Abendausgabe 25.1.39 in UAK Zug 44/183)

      In dieser Beharrlichkeit des Gewordenen liegt die tiefste Bedeutung aller geschichtlichen Wissenschaft. Was die Natur selbst erhalten hat, drängt sich mit geheimnisvoller Gewalt in unser Bewusstsein. Wo die geschriebene Geschichte aufhört, spricht die Erde selber in eigentümlichen Zeichen. Vorgeschichtsforschung ist Sinngebung ihrer dunklen und vieldeutigen Sprache. (HOLLERBACH, E. 1939 Mit Mikroskop und Retorte auf den Spuren der Vorzeit. Westdeutscher Beobachter – Abend-Ausgabe 25.1.39 in UAK Zug 44/183)

      Die beiden Texte Werner Buttlers stehen für den Schritt, den die deutsche Ur- und Frühgeschichte, in gleichem Masse wie die Anthropologie, die Germanistik, die Ethnologie als Volkskunde und andere Universitätsfächer machte: Von der objektiven, an naturwissenschaftlichen Verfahrens- und Denkweisen orientierten Wissenschaft zur Apologetin rassistischer und kriegstreibender Herrschaftsideologie.

      Werner Buttlers beide Texte verweisen auf den Typus der ernsthaften und kompetenten Wissenschaftler unter einem diktatorischen Regime, die ...wie viele der Geisteswissenschaftler im «Ahnenerbe», ihre wissenschaftliche Persönlichkeit bewusst in zwei Häften gespalten hätten, von denen die eine aus opportunistischen Überlegungen heraus willens war, die lächerlichen Anregungen Himmlers scheinbar ernst zu nehmen, während die andere nach altem Brauch weiterforschte, als befinde sie sich noch in einem freiheitlichen System. Wie KATER (1997) sie, in Absetzung zu dem, der Ideologie vollkommen hörigen Schmalspur-Forscher charakterisierte. (KATER 1997, 86)

      Im Kapitel über den Chemiker und Kölner Institutsleiter Walter von Stokar wird diese Diskrepanz zwischen (natur-)wissenschaftlicher Arbeit und populärwissenschaftlichem, regimenahen Schreiben, als einem weiteren Kennzeichen des Verhaltens von Ur- und Frühgeschichtlern unter der nationalsozialistischen Diktatur Thema sein.

      Verhindern oder fördern naturwissenschaftliche Kenntnisse und Einstellungen die kritische Haltung von Ur- und Frühgeschichtlern gegenüber einer Ideologisierung ihres Faches? Oder ist am Ende der Glaube an eine solche, «objektive Wissenschaft» doch nur, im Sinne Horkheimers und Adornos Theorie von der «Dialektik der Aufklärung», eine unter all jenen Illusionen, die Menschen zwischen sich und dem Terror errichteten?

      Wenn sich eine solche These bestätigen würde, dann hätte der Sündenfall der Ur- und Frühgeschichte unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, abgesehen von ihrer Dienstbarkeit, im Glauben an dieses Illusion bestanden.

      In Bezug auf die Nachkriegsära der Ur- und Frühgeschichte, die ja insbesondere in Köln in ausgeprägtester Weise auf die Naturwissenschaften