Johann Widmer

Die Damaszener-Rose


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      Der General riss dem zittrigen Alten die Blume aus den Händen, beförderte ihn mit einem wohlgezielten Fusstritt die Treppe hinunter und befahl seinen Soldaten, dieses Stinktier hinter dem Wachhaus zu erledigen und endgültig totzuschlagen und eilte dann, ja, er flog förmlich zu seinem Herrn und Meister, um ihm die Blume, die er vorher selber gar nicht angeschaut hatte, zu bringen.

      Als er vor dem Herrscher aller Gläubigen kniete und ihm die Blume überreichte, merkte er plötzlich voller Schreck, dass ihn der Alte ganz bös hereingelegt hatte und dass der grauenhaft fürchterliche Pestillenzgestank von vorhin von eben dieser Blüte stammte.

      Über weitere Beförderung und Belohnung des Exoffiziers brauchen wir uns keine Gedanken zu machen und es freute den Scharfrichter natürlich ganz besonders, dass er endlich einmal einen echten General köpfen durfte und nicht nur einen armen Schlucker, wie sonst.

      Die Soldaten hatten es aber nicht besonders eilig gehabt den stinkenden Bettler totzuschlagen, um so eiliger ist der auf seinem Esel davongeritten, förmlich davon gesprengt.

      Und das Ende der Geschichte?

      Nach ein paar Tagen hiess es, der Sultan sei krank.

      Gerüchte summten durch die Stadt. Cholera oder Pest sei es, meinten einige, Liebeskummer vermuteten andere. Die berühmtesten Ärzte aus dem gesamten Gebiet des arabischen Halbmondes strömten herbei, bekannte Wundertäter und berüchtigte Hexen folgten und schliesslich kamen Gärtner, Blumenzüchter und Botaniker.

      Sie kamen und gingen.

      Im Harem begann man zu weinen und nachts drang ein grausiges Heulen aus den Frauengemächern und war bis weit in die Wüste hinaus hörbar und wurde von vielen Leuten fälschlicherweise den Hyänen zugeschrieben.

      Die Schneider begannen schwarze Fahnen zu nähen.

      Schliesslich kam an einem sonnigen Sommermorgen der alte Bettler eilig auf seinem Esel angeritten. Die Palastwache liess, da blind vor lauter Trauer und Verzweiflungstränen, jeden unbesehen das goldene Palasttor passieren. Ungehindert drang der Alte bis zum Sterbezimmer des Beherrschers aller Gläubigen vor. Mit beiden Händen umklammerte der Bettelmann ein Pflänzchen, das er sorgsam mitsamt den Wurzeln ausgegraben hatte und hielt es dem todkranken Sultan vors Gesicht. Ein einziger Atemzug genügte und der Totgeglaubte sprang von seinem Sterbelager auf und tanzte quicklebendig und vergnügt in seinem seidenen grünen Nachtgewand im Palast herum und liess sogleich ein grosses Volksfest im ganzen Reich verkünden.

      Den alten Bettler wollte er mit Gold überschütten, ihn zu seinem Grosswesir machen, zu seinem Freund und Berater, der in seidener Kleidung links von seinem Thron zu sitzen hatte, mit eben dieser wunderbaren Blume in den Händen, die er ihm, dem Vertreter des Propheten, alle paar Minuten vor die Nase zu halten hatte.

      Aber der Bettelmann gab ihm zu bedenken, dass er dazu wirklich keine Zeit hätte, denn er müsse jeden Tag pflichtgetreu vor der Moschee stehen. Wenn nämlich der Bettler, der von Allah nun mal zum Betteln bestimmt war, wenn der vor der grossen Moschee fehlen würde, wäre dadurch den Gläubigen die Möglichkeit genommen, ihren täglichen Almosenpflichten nachzukommen und die göttliche Ordnung würde in Gefahr laufen, im Chaos zu versinken.

      Diesem überzeugenden Argument konnte sich selbst der Sultan nicht verschliessen.

      So war alles wieder wie vorher, mit dem einzigen grossen Unterschied, dass wir seitdem die herrliche Damaszenerrose kennen, die unsere Nasen und unsere feinsten Sinne mit ihrem betörenden Duft erfreuen und beleben kann.

      Hasan der Töpfer

      Kaum waren seine Beine stark genug, musste der kleine Hasan in Vaters Töpferei Lehm stampfen. Es machte dem Jungen grossen Spass im feuchten Dreck herumzuwaten und sich dabei mit Ton derart zu verschmieren, dass er nach kurzer Zeit aussah, wie eine frisch geformte Statue, wie ein kleines graues Lehmteufelchen.

      Besonders angenehm war ihm bei dieser Arbeit, wenn die nasse und geschmeidige Tonerde zwischen den Zehen durchquoll.

      Kamen Nachbarsjungen vorbei, so bewarf er sie lachend mit feuchten Lehmklumpen, bis sie laut schreiend Reissaus nahmen und einmal hatte er sogar seine kleine Schwester Fatima, die er wirklich gut mochte, herzlich umarmt und dabei auf ihren schönen Kleidern echt garstige Spuren hinterlassen.

      Was ihm aber gar keinen besonderen Spass machte, das war die lästige Wascherei am Abend. Da wurde er in einen Bottich gesteckt, mit viel Wasser übergossen und geschrubbt und gefegt, bis unter der dicken Lehmschicht Hasan, der kleine Junge wieder erschien. Zwar wusste er, dass auch sein Vater sich vor dem Abendgebet reinlichst säuberte, aber wer sagt denn schon, dass Dinge, die für Erwachsene gut sein mögen, auch für Kinder geeignet sind. Und das Unsinnigste schien ihm der Umstand, dass der ganze Reinlichkeitsfimmel seiner Eltern am nächsten Morgen schon nach wenigen Minuten wieder sein Ende finden würde. Aber wozu sich unnötige Gedanken machen, das gehörte nun einmal zum Leben eines Töpfers, auch seine Brüder, die jetzt alle in der Werkstatt arbeiteten, hatten mit Lehmstampfen begonnen und durften heute Teller, Schüsseln und Krüge herstellen, wobei sie freilich schmutzige Hände bekamen. Aber was ist schon Händewaschen im Vergleich zur unangenehmen Wascherei von oben bis unten, die er täglich zu erdulden hatte.

      Ihre Keramik war weit herum begehrt und berühmt, nicht etwa, weil sie unzerbrechlich gewesen wäre, nein, denn Töpfer müssen ja auch gelebt haben, sondern die Farben der Glasur dieses Geschirrs waren das Besondere: nicht ockergelb oder umbragrün, wie es hier üblich war, sondern rubinrot oder marineblau.

      Und die Herstellung eben dieser prächtigen Glasuren war ihr streng gehütetes Familiengeheimnis.

      An den Tagen, wo die grossen Karawanen ankamen oder abreisten, war mit Hasan nicht viel anzufangen. Dann strolchte er mit andern Jungen auf dem grossen staubigen Platz vor dem Stadttor herum, dort wo die vielen Kamele lagerten und wo Händler aus der Stadt mit den Karawanenleuten tagelang feilschten. Manchmal durfte er helfen beim Füttern und Tränken der Dromedare, oder er wurde für Botengänge in die Stadt geschickt, oder ein Kamelführer zeigte ihm, wie man aus Grashalmen die Seile flechten konnte, mit denen man die Lasten festband und einmal durfte er sogar auf einem Kamel reiten, meist aber stand er einfach da und staunte und träumte.

      Auch Hasans Vater erwartete jede Karawane voller Ungeduld, denn seine Töpferware musste ja auch verkauft werden. Von dem wenigen Geschirr, das im Oasenstädtchen ersetzt werden musste, hätten sie nicht leben können, daher war es wichtig, dass er den Karawanen, die hier durchzogen, möglichst viel von seiner zerbrechlichen Arbeit mitgeben konnte.

      Hatte er einen Käufer gefunden, so musste die Ware bruchsicher verpackt werden. Das ergab jedes Mal riesige Packen, die zur Hauptsache aber aus Palmblättern, Strohhalmen und Grasmatten bestanden, unförmige Bündel, vor denen sich die Lasttiere fürchteten, weil sie annahmen, dass ein Riesenpaket auch riesig schwer sein müsse. Da galt es dann, die schlauen Kamele beim Beladen zu überlisten, weil sie sich brüllend, umsichbeissend und mit allen Vieren umsichtretend wehrten, wenn man ihnen zuviel aufladen wollte. Nun, dann verband man ihnen einfach die Augen, damit sie nichts sehen konnten, lud ihnen die Töpfe auf den Rücken, liess sie aufstehen und ein paar Schritte gehen, damit sie merkten, dass die Last nicht allzuschwer war und nahm ihnen dann die Augenbinde ab. So einfach geht das mit Kamelen.

      Wenn die Karawane die Oase verlassen hatte, wurde es wieder ruhig und auf dem grossen Platz scharrten nur noch ein paar streuende Hunde in den Abfällen und machten den Ziegen die wenigen fressbaren Brocken streitig. Hasan stampfte wieder Lehm oder einige Zeit später, als er in die ersten Geheimnisse der Töpferei eingeweiht worden war, sass er an der Töpferscheibe und formte kleine Krüge, Tassen und Teller. Dabei schweiften seine Gedanken manchmal hinaus in die weite Wüste, dort wo die grossen Karawanen ihren langen Weg gleichmütig gingen. Wenn man da mitreisen könnte! Nur ein einziges Mal! Die Welt sehen, die hinter dem Sandmeer lag. Bled es Soudan, das Land der Schwarzen, Agadez, Kano, Gao ... . Träume, unerreichbare Träume. Er würde sein Leben lang Töpfe drehen, brennen und glasieren und wenn eine Karawane kam, hinausgehen und mit den Kaufleuten verhandeln, ihnen Geschirr verkaufen, wie es sein Vater und seine Brüder taten.

      Die Karawanen kamen und gingen, die