späteren Nachmittag machte ihm ein vornehmer Scheik seine Aufwartung und hatte ihm, als kleines und absolut unbedeutendes Mitbringsel, ein edles Araberpferd gebracht. Man sprach von Pferden, von der Dienerschaft, die nichts mehr taugte, von den Fellachen, die mehr fressen, als sie produzieren, vom absterbenden Salzhandel und von gewinnversprechenden Schafherden. Dann empfahl sich der Scheik und lud Sayd ein, ihn bei nächster Gelegenheit in seiner bescheidenen Behausung zu besuchen. Es würde ihm und seiner Familie zu grosser Ehre gereichen, wenn Sayd einen kleinen Schimmer seines Glanzes in sein Haus tragen würde und so und unter vielen Salam und Baraka, mit Bücklingen und anderen Demutsbezeugungen verabschiedete sich der vornehme Besucher.
Bevor der Mond sich einmal erneuert hatte, wurde der Bau von Sayds Palast begonnen. Am Rande des Palmenhains entstand das prachtvolle Gebäude, das alle seine Schätze beherbergen sollte und Platz schaffen für seine zahlreiche Dienerschaft, Ställe für seine Rennpferde, bequeme Gästezimmer, einen märchenhaften Blumengarten im Innenhof mit kunstvollen Wasserspielen, hinter dem Haus eine weite Parklandschaft mit seltenen Bäumen, schattigen Spazierwegen und kissenbelegten Ruheplätzchen und was man sonst noch alles an geheimen Wünschen haben kann.
Dass sich Geld und Wohlstand bekanntlich vermehren, wenn man nur mal genügend davon hat, ist eine alte Tatsache und dass dabei sich auch die Freunde mehren, die wenigen echten und die vielen falschen, das ist eine andere Wahrheit. Mit diesen Freunden genoss er gemeinsam seinen unermesslichen Reichtum, der sich von Tag zu Tag zu mehren schien. Da wurden die feinsten und erlesensten Speisen aufgetragen. Eisgekühlter Schorbet, wohlschmeckende Früchte aus dem Bled es Sudan, aus dem schwarzen Süden, herbduftender Mokka aus Arabien und leckerstes Zuckerzeug aus Ägypten wurden von dem auf weichen Teppichen lagernden Freundeskreis genossen. In der Mitte des Essraums war ein riesiges Becken voll duftendem Rosenwasser, eine Fülle der schönsten Blumen erfreute die Augen und mächtige Leuchter aus venezianischem Glas beleuchteten die heitere Tafelrunde. Auf einem Podium produzierten sich die Musikanten und die Bauchtänzerinnen erfreuten die Gäste aus allernächster Nähe.
Sayd schwamm auf den sanften Wellen höchster Glückseligkeit, fand die Welt endlich in Ordnung und war mit seinem Schicksal zufrieden. Er musste wahrhaftig ein Liebling Allahs sein, dass der ihn derart verwöhnte und er dachte schon mal dran, sich irgendwann in ferner Zukunft, zum Zeichen seiner Dankbarkeit, einmal auf eine Hadj, auf eine Pilgerreise zu begeben. Einer seiner Freunde, der sich spontan bereit erklärte mitzukommen, hatte noch die gute Idee, auf der Rückreise über Baghdad zu fahren und den Kalifen, Allah gebe ihm ein langes und glückliches Leben, im Vorbeiweg zu besuchen.
Nun, das Leben und das Glück des Beherrschers aller Gläubigen nahmen beide unerwartet ein abruptes Ende, als sich der Grosswesir des Zepters bemächtigte, den ehemaligen Herrn und Gebieter samt Anhang, zahlreicher Verwandtschaft und Freundeskreis den Krokodilen des Palastgrabens als Diät verordnete. Zudem hiess es, und das war höchstobrigkeitlicher Befehl, dass im ganzen Reiche alle Verwandten, Günstlinge und Parteigänger des ehemaligen und unrechtmässigen Kalifen, seine Seele möge in der Hölle schmoren, umzubringen seien.
Sayd dachte sich, wie viele andere Gläubige, dass Baghdad eigentlich doch recht weit weg sei und was dort geschehe, ziemlich unwesentlich wäre und er schliesslich weder mit dem alten, noch mit dem neuen Kalifen recht wenig am Hut habe und dass sich auch diese Aufregung bald gelegt haben werde.
Als er sich zum Frühstück hinsetzte, hiess es, sein Leibkoch sei verschwunden. Mit ihm sei auch die gesamte Küchenmannschaft desertiert und an ein Frühstück sei daher nicht zu denken.
«So, das fängt heute gut an,» dachte Sayd, «mal sehen, was noch nachfolgt,» denn er glaubte immer noch fest daran, dass Unglücke stets zu dritt auftreten. Als er merkte, dass auch die übrige Dienerschaft abgehauen war, wusste er nicht, ob das noch zu Punkt eins zu rechnen sei, oder ob das schon zu Punkt zwei gehöre.
Während des Mittagsgebetes sah er einen schwarzen Schatten durchs Fenster huschen, der aber gleich wieder wegflog. Als er sein Gebet beendet hatte, bemerkte er den Verlust des Ringes, den er bei der Waschung auf das Fensterbrett gelegt hatte.
War das ein Dschinn, ein böser Geist gewesen, der den Ring des Kalifen gestohlen hatte? Oder einfach eine diebische Elster? Nun, weg war weg, aber ein guter Goldschmied in Kairo würde den Schaden rasch behoben haben.
Was Sayd aber am meisten beschäftigte, war nun die Frage, ob das mit dem Ring schon das dritte und somit letzte Missgeschick des Tages gewesen sei, oder eben erst das zweite und das dritte noch bevorstehen würde. Während er noch darüber nachdachte und grübelte, hörte er plötzlich Waffengeklirr und Hufgetrappel vor seinem Palast. Ein kurzer Blick aus dem Fenster machte alles klar. Eine recht grosse mordlustige Meute hatte sich da unten versammelt, alle seine ehemaligen Freunde, die schrien, tobten und heulten: «Schlagt ihn tot, den tollen Hund, ersäuft ihn, diesen räudigen Bruder des falschen Kalifen, dessen Seele bereits in der Dschehenna brennt. Komm endlich heraus, Sayd, du elender Schweinehund, damit wir dich pfählen, köpfen und vierteilen können!»
Erleichtert stellte Sayd fest, dass dies nun bestimmt Unglück Nummer drei und somit für heute endgültig das letzte sei.
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