Juna Herold

Winner of my Soul


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beste Lösung für uns alle war dann was? Darüber wollte ich schon gleich überhaupt nicht nachdenken.

      Es musste eine Erklärung dafür geben! Zugegeben, Brians Kindheit war schwer gewesen und sie hatte ihm mehr als einen Knacks versetzt, das war mir schon lange klar. Er wollte deswegen auch selbst keine Kinder in die Welt setzen, aber dass ich das nicht so sah, wusste er schon, als er im Rosengarten seiner Eltern vor mir kniete und mir einen sehr romantischen Heiratsantrag machte.

      Eigentlich wollte er sich das mit dem Vaterwerden überlegen und ich wollte ihn in derselben Zeit mit meiner Liebe davon überzeugen, dass er sich auch das Vatersein zutrauen durfte. Über diesen Plänen und guten Vorsätzen war ich inzwischen fast dreißig geworden und jetzt war ich schwanger von dem Mann, von dem ich dachte, dass er mich über alles liebte, so wie ich ihn. Weil sich die Natur selbst geholfen hatte! Weil sie mir offensichtlich ersparen wollte, dass ich irgendwelche Prozeduren durchmachen musste von der Eizell- und Samenspende bis zur in-vitro-Befruchtung. Und überhaupt, auch bei einer künstlichen Befruchtung hätten wir mit mehr als einem Kind auf einmal rechnen müssen. Es war doch alles gut so, wie es war. Die beste Lösung, um zu eigenen Kindern zu kommen, die natürlichste Sache der Welt …

      Vielleicht brauchte Brian einfach nur etwas Zeit, sich mit dem Gedanken anzufreunden? Oder … ja, natürlich, das war die Lösung! Ich hatte ihn vorhin mitten aus einer außerplanmäßigen Besprechung geholt und das ärgerte ihn, er war mit den Gedanken ganz woanders gewesen. Das war es.

      Ich beruhigte mich wieder etwas angesichts dieser Erklärung. Und heute Abend, wenn er von der Baustelle heimkommen würde, würde sich das ganz bestimmt bestätigen.

      Ich stieg ich ins Auto und nahm das Ultraschallbild noch einmal aus meiner Tasche, um mir meine beiden in aller Ruhe anzusehen. Zwei Kinder auf einmal. Das würde unser Leben bestimmt ganz gehörig auf den Kopf stellen, du meine Güte! Ich packte das Bild wieder weg.

      Den Motor zu starten und Gas zu geben fühlte sich gerade genau gut an. So würde es gehen. Gestartet war schon, jetzt mussten wir nur noch ein bisschen Gas geben.

      Als ich zuhause aufsperrte und ins Haus trat, wäre ich beinahe wieder rückwärts zur Tür hinausgefallen. Der Geruch von Obst- und Gemüseabfällen aus dem Eimerchen, das Brian heute früh dann wohl doch nicht mit nach draußen genommen hatte, empfing mich auf unangenehmste Weise. Warum vergaß mein Mann eigentlich immer, das Ding mit nach draußen zu nehmen, nachdem er sich seinen exotischen Smoothie zum Frühstück gegönnt hatte? Das war doch nicht zu viel verlangt, oder?

      Diese Abfälle stanken einfach bestialisch. Normalerweise hätte ich jetzt gewartet und ihn das abends machen lassen. Bei solchen Gelegenheiten kam bei mir die Erzieherin durch, die ich einmal hatte werden wollen. Schließlich will man ja etwas erreichen bei den Kleinen und nicht immer alles selbst machen. Vor allem im Hinblick auf weitere Mitbewohner dieses Hauses und die Vorbildfunktion, die man als Eltern haben sollte, würde ich wahrscheinlich ab jetzt immer so denken. Ich schmunzelte ein bisschen.

      Die Sache mit dem Was-Hänschen-nicht-lernt-Prinzip half mir jetzt nicht wirklich. Das Ding musste aus dem Haus und Brian musste mir einfach glauben, dass es unerträglich gestunken hatte und ich nicht darauf warten konnte, bis er zurückkam und das übernahm. Lerneffekt hin oder her.

      Als ich den Kompost-Sammelbehälter im Garten öffnete, gab mir das den Rest. Ich hoffte nur noch, dass gerade nicht alle Nachbarn in ihren Gärten saßen und das kleine Malheur mitbekommen würden und übergab mich ins Gras.

      Himmel, das ging nun aber auch noch mächtig auf den Kreislauf, das kannte ich so überhaupt nicht.

      Ich taumelte über die Wiese zurück zum Haus und musste mich erst mal auf einen der Stühle auf unserer Terrasse setzen.

      »Katie?«, fragte mein Nachbar Shawn durch die Büsche, die unsere Grundstücke voneinander trennten.

      Ich überlegte, ob ich mich totstellen sollte. Bestimmt war ich noch ganz grün im Gesicht, aber ich war zweifelsfrei auch im Garten. Das zu leugnen wäre also zwecklos gewesen.

      »M-h«, machte ich.

      »Ich komme mal kurz rüber, wenn’s dir recht ist.«

      Mehr als ein weiteres M-h brachte ich nicht zustande, weil mir vom Geruch des Komposthaufens immer noch ganz übel war.

      Da stand Shawn schon auf meiner Terrasse.

      »Hi.« Er sah mich besorgt an. »Na, du? Alles okay?«

      »Geht, ja«, sagte ich matt und griff mir an den Hals.

      »Sieht nicht so aus. Was ist denn los?«

      Ich überlegte, welchen Teil der Wahrheit ich ihm erzählen sollte. Die ganze, die halbe oder lieber gar nichts von allem? Wenn ich etwas wusste, dann das: Shawn war ein Mensch, der sich nicht abspeisen ließ. Er hatte mir schon zu oft in die Augen gesehen und Bescheid gewusst, bevor ich ihm irgendetwas erzählen musste.

      »Was macht der Garten?«, fragte ich ihn sofort, damit er erst gar nicht auf dumme Gedanken kommen konnte oder sich am Ende noch Sorgen um mich machte.

      »Ich wollte auf der Terrasse die Bohlen festziehen. Könnte ich mir Brians Akkuschrauber ausleihen, wenn du ihn gerade nicht brauchst?«

      »Mach das, ja. Das Ding liegt im Keller, in seiner Werkstatt. Bediene dich ruhig ...«

      Er musterte mich, nickte dann und ging ins Haus.

      Shawn vertraute ich absolut. Er war Brians bester Freund aus Studententagen. Am Tag unserer Hochzeit war damals plötzlich eine Frau namens Alice an Shawns Seite aufgetaucht und Brian hatte noch den Verdacht geäußert, sie könnte eine Dame vom Escort-Service sein, weil Shawn nicht alleine auf dem Fest erscheinen wollte.

      Alice war aber keine bezahlte Begleitung, sie blieb bei Shawn. Sehr hübsch, nicht auf den Mund gefallen, nur ein bisschen verklemmt, fand ich, aber nach ein oder zwei Drinks passte sie immer gut in unsere Runde.

      Shawn hatte sie damals vor sieben Jahren schnell geheiratet, etwas zu schnell meiner Meinung nach. Denn so richtig fürs Leben passte sie nicht zu ihm. Aber das war ja nicht mein Problem, mit wem Shawn glücklich werden wollte. Außerdem: Wo die Liebe hinfällt …

      Unsere Häuser wurden jedenfalls direkt nebeneinander gebaut und der große Garten hatte keinen Zaun.

      So lange keiner von uns einen Hund hat, den der andere nicht mag, war unsere Abmachung.

      Zu viert hatten wir immer sehr viel Spaß. Die beiden liebten Kartenspiele genauso sehr wie wir, und die Abende, die wir miteinander verbrachten, waren jedes Mal lustig.

      Und jetzt würde alles anders werden: Brian und ich mit zwei Kindern, Shawn und Alice ohne. Oder würden sie jetzt auch auf dem Gebiet so schnell nachziehen wie mit dem Heiraten?

      »Darf ich?«, fragte Shawn und ich zuckte zusammen, weil ich nicht gehört hatte, dass er schon zurückgekommen war.

      Er legte den Akkuschrauber vor sich auf den Gartentisch und setzte sich auf einen Stuhl, ohne meine Antwort abzuwarten.

      »Bitte«, sagte ich und versuchte, mich auf einen Punkt im Garten zu konzentrieren, den ich gerade mit keinem Geruch in Verbindung brachte. Aber es gab nichts. Selbst das grüne Gras verkaufte mir meine Nase als frisch gemäht und mir wurde schon wieder übel.

      »Du siehst nicht gut aus. Hast du dir den Magen verdorben oder ist es der Kreislauf?«, fragte er besorgt. »Oder bist du … nein, bist du etwa schwanger?«

      Ich zuckte mit den Schultern und wandte den Blick ab.

      »Wenn du mit mir nicht reden willst, musst du nicht. Aber du kannst, wenn du möchtest«, sagte er.

      Ich lächelte ein bisschen. »Ich weiß, danke.«

      Er stand auf, weil er zwar ein besorgter, aber auch ein höflicher Mensch war, und ich schenkte ihm dafür ein dankbares Lächeln.

      »Bleibt’s beim Kartenspielen Freitagabend?«, fragte er und legte den Kopf etwas schief. »Vorausgesetzt, dir geht es bis dahin wieder gut.«

      »Unkraut