Катя Брандис

Der Elefanten-Tempel


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Mango in die Hand. "Und das ist für deine neue Freundin. Daeng. Sie musste in Bangkok betteln, ehe wir sie rausgeholt haben. Übrigens ist sie erst zwölf, fast noch ein Kind.“

      Die Mango war sehr, sehr klebrig und es liefen ein paar Ameisen darauf herum. Ricarda schaute sich nach einem Eimer Wasser um, in dem sie sich nachher die Hände waschen konnte. Sie überlegte, ob sie Chanida gestehen sollte, dass sie einen dieser Bettelelefanten gefüttert hatte. Doch eine Sekunde später platzte schon Sofia damit heraus.

      Chanida blickte grimmig drein. „Das Betteln in Bangkok ist inzwischen verboten, und das ist gut so. Aber manche Mahouts riskieren es trotzdem. Wenn die Polizei sie erwischt, passiert nicht viel, dann werden sie einfach aus der Stadt geworfen.“

      „Elefantenwerfen? Ist das eine eurer Sportarten?“ Sofia blickte todernst drein. „Da braucht man ganz schön Muskeln für, oder?“

      Chanida lachte begeistert, packte Sofia an einer Hand und zog sie mit sich, in Richtung einer friedlich fressenden Elefantin. Etwas langsamer folgte Ricarda. Sie fragte sich, welches der vielen Tiere Daeng sein mochte. Nein, sie waren nicht einfach groß und grau, Ricarda konnte sie schon ein wenig unterscheiden. Die Elefantin, an deren Seite die kleine Noi immer wieder zurückkehrte, hatte längere Beine als die anderen und eine herunterhängende Unterlippe. Ein anderes Tier hatte einen besonders stark gewölbten Kopf und sein Rüssel war auffällig rosa gesprenkelt. Auch die Ohrform sah bei jedem unterschiedlich aus, bei manchen Tieren – wahrscheinlich den älteren – war der obere Rand ein bisschen eingerollt. Nur zwei der Elefanten hatten Stoßzähne, wahrscheinlich waren das die Bullen.

      Sofia und Chanida waren schon ein Stück voraus und lachten gerade über einen Witz. Die kleine Noi trabte hinter ihnen her und fing an, sich mit einem jüngeren Kalb zu balgen. Ein Tauziehen um einen Zweig begann, und dann, als das langweilig wurde, eine Rangelei mit verschlungenen Rüsseln.

      Mae Jai Di nahm die Ananas wohlwollend entgegen. Dann befahl Chanida der Elefantin, in die Knie zu gehen, und Sofia, die Schuhe auszuziehen. Sofia strengte sich an, um mit bloßen Füßen die Schulter ihres neuen Schützlings hochzuklettern und sich in ihren Nacken zu hieven. Geduldig ließ Mae Jai Di es sich gefallen, dass Sofia sie am Rand des grauen Ohrs packte, um sich hochzuziehen. Schließlich thronte Sofia oben und winkte stolz. Ricarda ließ die Mango fallen, wischte sich die Hände an der Hose ab und zückte die Digitalkamera – Sofia hoch auf dem Elefanten, das musste für die Nachwelt festgehalten werden! Vielleicht gab es hier sogar Internet, dann konnten sie das Foto an Lilly, Fabian und die anderen mailen.

      Als sie das nächste Mal hinschaute, angelte ein Rüssel nach der Mango, Sekunden später verschwand die Frucht in Mae Jai Dis Maul.

      „Nong, kleiner Bruder, holst du bitte eine neue?“, bat Chanida Tao, und der flitzte sofort los zur Obstkiste – gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, dass der Inhalt von einem Rüsseltier geplündert wurde.

      „Nächstes Mal kannst du bestimmt schon aufsteigen, während Mae Jai Di steht“, erklärte Chanida Sofia. „Der Befehl lautet song suung. Sie hebt dann ein bisschen das Vorderbein und du kletterst daran hoch nach oben. Wenn du wieder nach unten willst, sagst du hab suung.

      Ricarda wurde immer zappeliger. Wann war sie endlich dran? Zum Glück kam kurz darauf Kaeo vorbei und schien zu erraten, was sie dachte, denn er nahm sie mit zu „ihrer“ Elefantin Daeng. Sie war etwas kleiner als die anderen erwachsenen Tiere der Herde und wirkte zurückhaltender, aber freundlich. Wie ähnlich wir uns sind, dachte Ricarda mit einem schiefen Grinsen und fütterte ihre neuen Freundin mit einer Mango. Daengs Rüsselspitze schloss sich geschickt um die Frucht und beförderte sie zum Maul. Ricarda ertappte sich dabei, dass sie immer darauf schaute, was Daengs tastende, schnuppernde, greifende Rüsselspitze gerade machte; ihre neue Freundin zu füttern und ihr gleichzeitig in die Augen zu sehen ging nicht. Das war gewöhnungsbedürftig.

      „Wieso heißt sie Daeng, was bedeutet das?“

      „Rötliche Haut“, erklärte Kaeo und zeigte auf die vielen rosa Sommersprossen, die sich über Daengs Rüssel, Ohren und Körper zogen. „Leider ist es noch nicht genug, sonst könnte man sie weiß nennen. Ganz weiße Elefanten – Chang Pheuak – haben davon noch viel mehr. Und sie haben auch ganz helle Augen.“

      „Weiße Elefanten sind gar nicht weiß, sondern rosa?“ Ricarda war enttäuscht, als Kaeo nickte. Ein rosa Elefant, das sah bestimmt nicht sehr würdevoll aus, sondern eher so wie Sofias Schmuseschwein. Aber diesen Vergleich behielt sie wohl besser für sich.

      „Ist es eigentlich immer noch so, dass weiße Elefanten dem König gehören?“

      Kaeo nickte respektvoll. „Ja, soweit ich weiß, hat Seine Majestät im Moment zehn von ihnen in den königlichen Ställen.“ Plötzlich grinste er. „Aber weißt du, was lustig ist? Wilde Elefanten selbst mögen weiße nicht, die stoßen sie aus ihren Herden. Manchmal hat man Chang-Pheuak-Babys allein im Wald gefunden, über und über mit Matsch beschmiert. Wahrscheinlich ihre grauen Mamas hatten versucht sie zu tarnen, um sie zu schützen. Hat aber nichts genützt.“

      Ricarda war erschüttert. Sie fand das nicht lustig, sondern schrecklich. Es war ein Glück für Daeng, dass sie nicht ganz weiß war.

      Jetzt aber los, sie wollte endlich hoch auf Daengs Rücken. Ricarda zog sich die Schuhe aus, sie wusste ja schon so in etwa, wie das mit dem Aufsteigen funktionierte. Doch Kaeo lächelte hinter seiner coolen Sonnenbrille verschmitzt und gab der jungen Elefantin ein Kommando. Ihr Rüssel wand sich um Ricardas Hüfte, fest und unglaublich muskulös, jeder Widerstand war zwecklos. Auf einmal baumelten Ricardas Füße in der Luft.

      „He!“, japste Ricarda, aber da war sie schon auf halbem Weg zu einem Sitzplatz auf Daengs Kopf. Sie krabbelte ganz nach oben, und der Rüssel gab sie frei, schlängelte sich zurück. Klar, dachte Ricarda, wer einen Baumstamm heben kann, der schafft ein Mädchen schon lange!

      Sie machte es sich bequem auf Daengs riesigem warmen Körper. Ihre Beine hingen jetzt zu beiden Seiten von Daengs Kopf herab, manchmal flappte ein Ohr, das sich wie trockenes, staubiges Leder anfühlte, gegen ihr Schienbein. Hier oben saß man gar nicht so schlecht und sicher besser als auf Daengs Rücken, auf dem sich wie bei den anderen Elefanten ein knochiges Rückgrat weit nach oben wölbte.

      Ricarda spürte, dass Daeng abwartete, um zu sehen, was ihre Reiterin vorhatte. Ihr Rüssel ringelte sich nach oben, tastete nach dem Menschen, der auf ihr saß. Leider hatte Ricarda nichts mehr, mit dem sie ihre neue Freundin beschenken konnte, nicht mal eine matschige Mango.

      „Was soll ich jetzt machen?“, fragte sie unsicher. Ganz schön hoch oben war sie jetzt, der Erdboden schien sehr weit entfernt. Hoffentlich fiel sie nicht runter, hatte Lampang eigentlich ein Krankenhaus?

      „Du sagst ihr mit Füßen und mit Stimme, was sie tun soll“, erklärte Kaeo und schaute zu ihr hoch. „Pai bedeutet vorwärts. Gleichzeitig du drücken sie mit den Zehen hinter dem Ohr.“

      Ricarda probierte es aus. Daeng machte einen Schritt nach vorne, überlegte es sich dann wieder anders und blieb stehen.

      „Fester mit den Zehen, nicht nur stupsen! Du musst das Kommando anders sagen.“

      „Wie denn? Lauter?“ Ricarda hatte das Gefühl, sich gerade ziemlich dämlich anzustellen. Und schließlich hatten ihre Eltern es ihr schon tausendmal gesagt. Sprich doch bitte lauter, Ricarda! Es gab kaum etwas, das Ricarda mehr hasste als diesen Spruch.

      Zum Glück überraschte Kaeo sie. „Nein, nicht lauter“, winkte er ab. „Du hast schöne leise Stimme und Elefanten sehr gute Ohren. Aber so sagen, dass Daeng weiß, du meinst es ernst!“

      So bestimmt wie möglich wiederholte Ricarda den Befehl und drückte Daeng die Zehen hinter die Ohren. Und diesmal klappte es, gehorsam setzte sich die junge Elefantin in Bewegung. Ricarda spürte, wie sich Daengs große Schultern bewegten, aber es schaukelte nicht sehr, weich federten ihre runden Füße am Boden ab.

      „Und, wie es sich fühlt an?“, lachte Kaeo.

      Es war der rechte Moment, um die zwei Worte Thai anzubringen,