Beth St. John

City Vampire


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Beamten aber bewusst nichts zu trinken an. Besser, sie blieben nicht lange.

      Die Männer setzten sich auf die Couch und Janus nahm den breiten Sessel gegenüber.

      „Also gut. Was wollen Sie wissen?“ Seine Stimme war höflich, aber distanziert.

      Kommissar Schmidt kam ohne Umschweife zur Sache. „Haben Sie heute irgendetwas Ungewöhnliches bemerkt? Seltsame Geräusche vielleicht? Oder ist Ihnen eine Person aufgefallen, die nicht hierher gehört?“

      „Nein“, antwortete Janus und das entsprach der Wahrheit. Er war am frühen Morgen zurückgekehrt, hatte noch ein wenig Musik gehört und sich schließlich schlafen gelegt. Dann hatten ihn die Polizeisirenen geweckt. Wenn ein Schuss gefallen wäre – nein, unmöglich. Seine Ohren nahmen Stecknadeln wahr, die zu Boden fielen, und zwar buchstäblich.

      „Wie wurde das Opfer denn … ermordet?“, wollte er wissen.

      „Man hat sie erschossen. Mit einer Kugel ins Herz“, kam der jüngere Polizist dem älteren zuvor. Er hatte helle blonde Haare, die kurz geschnitten und akkurat nach hinten frisiert waren.

      „Hm“, Janus wusste nicht, was er dazu hätte sagen sollen.

      „Nun, das trifft es nicht genau“, warf Kommissar Schmidt jedoch ein. „Die Leiche hatte zudem eine Bisswunde am Hals. Wir können noch nicht sagen, was von beiden die Todesursache war.“

      Janus’ Miene erstarrte und glich nun dem Gesicht einer Statue. „Wie bitte?“, fragte er heiser. Ein Schauer durchfuhr ihn.

      „Ja, das ist wirklich grausig. Wir vermuten, dass man das Opfer andernorts getötet und dann hier abgelegt hat“, ergänzte der Kommissar.

      „Aha.“ In Janus’ Kopf wirbelten die Gedanken nur so umher.

       Eine gebissene Leiche. In diesem Haus. Sogar auf dieser Etage. Vor seiner Tür.

      Das war eine Katastrophe.

      „Sie verstehen sicher, dass wir Sie fragen müssen, wo Sie heute Vormittag zwischen neun und zwölf Uhr gewesen sind.“ Trotz der höflichen Wortwahl hatte Janus nicht das Gefühl, dass Klaus Schmidt sonderlich wohlwollend ihm gegenüber war.

      „Ich war hier“, meinte Janus knapp. „Ich habe geschlafen.“

      „Den ganzen Vormittag?“, fragte Pfarr überrascht und zog die Augenbrauen hoch.

      „Ich wüsste nicht, was mein Lebenswandel mit Ihrer Mordermittlung zu tun hat“, entgegnete Janus kühl. Seine Stimme bekam einen scharfen Unterton.

      „Nichts, sofern Sie mir ein glaubwürdiges Alibi für die Tatzeit liefern können.“ Schmidt fixierte Janus mit zusammengekniffenen Augen. „Gibt es irgendjemanden, der bezeugen kann, dass Sie Ihre Wohnung nicht verlassen haben?“

      Janus atmete einmal tief durch. „Nein“, erwiderte er schließlich. „Aber wäre es nicht ziemlich dumm von mir, jemanden irgendwo zu töten und die Leiche dann hierher zu bringen und vor meine Tür zu legen?“

      „Wer sagt denn, dass der Mord nicht hier geschehen ist?“, meldete sich Pfarr zu Wort. „Im Affekt. Der Mörder könnte Angst bekommen und die Leiche einfach liegen gelassen haben.“

      Janus sog scharf die Luft ein. Sie verdächtigten ihn tatsächlich. „Ihr werter Kollege Schmidt hat es selbst gesagt“, entgegnete er. Sein Gesicht war hart wie Stein. Er drehte den Kopf und sah Schmidt unverwandt an. „Nicht wahr? Sie sagten, die Frau sei wahrscheinlich woanders umgebracht und dann hier abgelegt worden.“

      Schmidt lächelte eisig. „Sie haben gut zugehört. Bitte verzeihen Sie meinem ungestümen Kollegen. Nicht nur Sie sind verdächtig, jeder auf dieser Etage ist es. Wir müssen Ihnen diese Fragen stellen.“

      „Ich verstehe.“ Natürlich verstand er. Die meisten anderen Bewohner dürften allerdings ein Alibi haben – sie waren zum Zeitpunkt der Tat auf der Arbeit gewesen. Er konnte nichts dergleichen vorweisen.

      Und Schmidt mochte ihn nicht, das spürte er. Janus wusste, dass er ganz hoch oben auf seiner Liste der Tatverdächtigen stand.

      „Besitzen Sie eine Schusswaffe?“ Schmidt machte weiter mit seiner Fragenliste.

      „Nein.“

      „Nun gut.“ Schmidt erhob sich und Pfarr tat es ihm gleich.

      „Falls Ihnen noch irgendetwas einfällt, rufen Sie uns bitte an.“ Er reichte Janus seine Visitenkarte.

      „Selbstverständlich.“ Janus nahm die Karte entgegen, ohne einen Blick darauf zu werfen und ließ sie in die Brusttasche seines Hemdes gleiten.

      Die beiden Beamten gingen zur Tür und Janus folgte Ihnen. „Einen schönen Tag noch“, nuschelte Schmidt, als sie die Wohnung verließen und Janus nickte kurz.

      Kapitel 2

      Janus blieb noch einen Moment in der geöffneten Tür stehen und sah den beiden Männern nach. Am Ende des Ganges stand eine Traube von Menschen – weitere Polizisten und Männer der Spurensicherung. Sie drängten sich umeinander, machten Fotos, nahmen allerlei Proben. Ein paar Schaulustige waren aus ihren Wohnungen gekommen, um den Grund für das Aufgebot zu erfahren; die Beamten schickten sie jedoch weg und bemühten sich, den Blick auf den Tatort zu versperren.

      Schließlich schloss Janus die Tür. Einen Moment lang starrte er einfach nur das weiß gestrichene Holz der Wohnungstür an. Die Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf – die ganze Sache war weit mehr als bloß unangenehm. Er wollte auf keinen Fall noch tiefer in diese Ermittlung hineingezogen werden. Er wusste, dieser Schmidt hatte ihn auf dem Kieker und wenn sie nur tief genug gruben, würden sie mit Sicherheit die eine oder andere Ungereimtheit in seinem Leben entdecken.

      Janus hatte stets darauf geachtet, so unauffällig und anonym wie möglich zu leben. Genau aus diesem Grund war er nach Frankfurt gezogen und genau aus diesem Grund lebte er in einem modernen Hochhaus. Anonymität. Niemand scherte sich hier darum, was er tat, wovon er seinen Lebensunterhalt bestritt, warum er in der Regel nur des Nachts das Haus verließ. Diese Mordermittlung drohte alles zu zerstören. Er könnte die Zelte abbrechen, alles aufgeben, wie er es alle paar Jahrzehnte tat. Doch es war zu früh, jetzt schon zu gehen. Und zu auffällig. Allerdings – wenn man ihn verhaftete, ihn gar in Untersuchungshaft steckte … Janus schüttelte den Kopf. Daran durfte er gar nicht denken. Er hätte keine Chance, sein wahres Ich geheim zu halten. Sie würden merken, dass er kein normales Essen zu sich nahm – und er würde immer schwächer werden, da das, was er wirklich zum Überleben brauchte, ihm nicht zur Verfügung stehen würde. Irgendwann würde es so schlimm werden, dass er sich nicht mehr unter Kontrolle hätte. Er würde jemanden angreifen, einen Wärter oder einen Mithäftling vielleicht.

      Und dann würden sie ihn sehen.

      Ihn, den Vampir.

      Janus musste alle Willenskraft aufbieten, um seine sich verselbstständigende Phantasie zu bändigen. Ganz ruhig, sagte er sich, so weit ist es noch lange nicht. Bisher haben sie bloß kurz mit dir gesprochen.

      Er drehte sich abrupt um und ging in sein Wohnzimmer.

      Er besaß eine sehr schöne Penthousewohnung – die Decken waren hoch, die Räume hell und weitläufig. Er hatte sich modern eingerichtet, ohne dass es steril wirkte. Die Möbel waren massiv, aus weiß lackiertem Holz, die Böden aus hochwertigem Parkett. Ein Vorteil seines langen Lebens war es, dass er reichlich Zeit gehabt hatte, ein ordentliches Vermögen aufzubauen. Er hatte die Weltkriege erlebt, aber auch den Wirtschaftsaufschwung und er hatte schon immer ein Gespür für Zahlen gehabt und es verstanden, gut zu investieren. Mittlerweile verwaltete er nur noch sein Vermögen. Dieser Umstand und auch die Anonymität der Stadt, in der er lebte, ermöglichten es ihm, völlig unbehelligt und unerkannt unter den Menschen zu leben. Bei seiner nächtlichen Jagd nach Blut verletzte er selten jemanden und tötete niemals. Zumindest nicht mehr – als junger Vampir hatte er sich nicht immer so gut unter Kontrolle gehabt. Aber damals wie heute achtete er die