Beth St. John

City Vampire


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telefonierte konzentriert. Janus hielt respektvoll Abstand, bis sie aufgelegt hatte und aufmerksam zu ihm aufsah. Sie lächelte sehr freundlich: „Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?“

      „Hallo.“ Janus erwiderte ihr Lächeln höflich und kam näher. „Ich bin Janus von Marten. Ich habe einen Termin bei Frau Winter.“

      „Oh ja, wir haben gestern telefoniert. Ich bin Julia Fischer, Frau Winters Assistentin. Sie erwartet Sie bereits. Einen Moment bitte …“ Sie drückte einen Knopf an ihrer Telefonanlage und sprach in das Mikrofon. „Herr von Marten ist da.“

      „Vielen Dank. Schicken Sie ihn bitte herein“, erklang eine wirklich angenehme Frauenstimme aus dem Lautsprecher.

      Frau Fischer wies auf eine große Milchglastür zu ihrer Rechten. „Bitte sehr, gehen Sie einfach hinein.“

      Janus nickte, ging zur Tür und klopfte – der Höflichkeit halber – dennoch an.

      „Herein“, erklang die sympathische Stimme wieder und Janus folgte der Aufforderung.

      Vor ihm saß eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hatte – und er hatte im Laufe seines sechshundert Jahre währenden Lebens bereits viele Frauen gesehen. Das Foto auf ihrer Homepage wurde ihr bei Weitem nicht gerecht. Ihre dunklen Haare glänzten wie Klavierlack, umspielten sanft ihr zartes Antlitz und ergossen sich sinnlich bis über ihre wohlgeformte Taille. Sie hielt noch einen Füllfederhalter in ihrer zarten Hand, den sie in einer fließenden Handbewegung beiseite legte. Dann stand sie auf und Janus hielt unwillkürlich die Luft an.

      „Herr von Marten. Guten Tag. Ich bin Lara Winter.“

      „Janus von Marten“, stellte er sich törichterweise vor, denn sie wusste ja längst, wer er war. Er machte zwei große Schritte auf ihren Schreibtisch zu und streckte ihr die Hand entgegen.

      Lara Winter erstarrte für einen Moment und ihre Pupillen verengten sich augenblicklich. Sie machte keine Anstalten, ihm ebenfalls die Hand zu reichen, geschweige denn, überhaupt hinter ihrem Schreibtisch hervorzukommen.

      Dann setzte sie dem seltsamen Moment ein jähes Ende: „Ich fürchte, Sie sind umsonst gekommen.“ Der anfängliche Anflug eines Lächelns auf ihren blutroten Lippen war längst erstorben. „Ich kann Ihnen leider nicht helfen.“

      Janus war völlig verwirrt. Was war hier los? Hatte er etwas Falsches gesagt oder getan? Aber er hatte ja eigentlich noch gar nichts gesagt.

      „Wieso können Sie mir nicht helfen?“, wollte er schließlich mit Nachdruck wissen und hob die Augenbrauen. Er machte keine Anstalten, das Büro der Detektivin ohne eine Antwort zu verlassen.

      Lara Winter sah ihn mit festem Blick an. „Ich vertrete Ihresgleichen nicht.“

      „Meinesgleichen?“ Janus’ Verwirrung wurde größer, doch dann, mit plötzlicher Wucht, traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht.

      „Ich weiß, was Sie sind“, flüsterte die junge Detektivin dann zwar höflich, aber distanziert. „Ich kann es spüren. Und ich möchte nichts mit Ihrer Spezies zu tun haben.“

      Janus fühlte sich völlig überrumpelt. Es war ihm noch nie passiert, dass ein Mensch, der ihn bloß ansah, sein Anderssein bereits bemerkte. Und ihm wurde schlagartig klar, warum diese Frau so hervorragend war in ihrem Job. Ihre Sinne waren viel schärfer als die anderer Menschen. Sie besaß eine Gabe, die sowohl Segen als auch Fluch zugleich sein konnte. So wie bei ihm.

      „Bitte, hören Sie mich wenigstens an“, begann er nun. Vielleicht mochte sie ihn nicht, vielleicht fürchtete sie ihn gar – aber Kai hatte recht gehabt: Wenn ihm tatsächlich jemand helfen konnte, dann diese Frau.

      „Kai Westphal hat mich zu Ihnen geschickt. Sie sollten ihn kennen.“ Er beobachtete sie genau, während er sprach. Er konnte sehen, dass die Erwähnung von Kais Namen etwas bei ihr veränderte. „Er ist mein bester Freund und engster Vertrauter, seit vielen Jahren schon. Er hätte mich nicht an Sie verwiesen, wenn er nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass Sie mir helfen. Und glauben Sie mir: Ich brauche wirklich Ihre Hilfe.“

      „Sie sind ein Freund von Kai Westphal?“, fragte sie nun zögernd und mit einem Funken Überraschung. „Es war mir nicht bewusst, dass Vampire Freundschaften zu Menschen pflegen.“

      „Ich kenne ihn praktisch seit seiner Geburt.“ Und er lebt noch, fuhr es ihm durch den Kopf. Ihm war wohl bewusst, was Lara Winter über Vampire denken mochte. Dass ihnen die Menschen nichts bedeuteten, dass sie in ihnen lediglich die nächste Mahlzeit sahen. Es mochte einige geben, bei denen das so war – die meisten jedoch hatten sich der Moderne angepasst und führten ein äußerst zurückhaltendes Leben. Die wenigsten von ihnen tranken überhaupt noch warmes Blut. Meist lebten sie von Blutkonserven und hielten sich im Verborgenen. So wie er.

      Janus wusste nicht, ob sie seine Gedanken gelesen hatte – was selbst bei ihren intuitiven Fähigkeiten unwahrscheinlich erschien – oder ob er vielleicht einfach die richtigen Worte gefunden hatte, jedenfalls hielt sie inne.

      „Nun gut. Ich werde Sie anhören und dann entscheiden. Setzen Sie sich.“

      Janus kam der Aufforderung nach und begann zu erzählen.

      Tatsächlich war es von großem Vorteil, dass sie seine wahre Identität bereits erkannt hatte, denn so brauchte er an seiner Geschichte nichts zu verändern. Unnötig zu sagen, warum er tagsüber schlief – und warum ihn gerade die Tatsache, dass die Tote neben der Schusswunde noch eine Bissverletzung am Hals hatte, so beunruhigt hatte.

      Lara Winter hörte aufmerksam zu. Hin und wieder machte sie sich Notizen und fragte nach Details, die er ausgelassen hatte; besonders hellhörig wurde sie, als der Name von Kommissar Schmidt fiel. Schließlich kam Janus zum Ende der Geschichte: „So, und das war’s. Deshalb bin ich hier. Ich brauche Sie, um den wahren Täter zu finden – bevor die Polizei mich zu genau unter die Lupe nimmt.“

      Lara zögerte. Ihre Stirn legte sich in winzige Fältchen, als sie nachdachte, das Für und Wider abwog. Janus konnte sehen, dass ihr die Entscheidung nicht leicht fiel. Sie rang mit sich. Ihre Abneigung gegen seine Art war tief verwurzelt.

      Nach einer Weile nickte sie schließlich. „In Ordnung, ich übernehme den Fall.“

      Ohne ihn aus den Augen zu lassen, griff sie in eine Schublade an der rechten Seite des Schreibtischs, zog ein Blatt Papier heraus und schob es elegant zu ihm herüber. Es waren ihre durchaus beachtlichen Honorarsätze.

      Ebenso elegant nahm Janus es zur Kenntnis, ohne überrascht zu sein.

      „Ich habe zudem eine Bedingung“, ergänzte Lara Winter ernst, „Sie und Ihresgleichen halten sich ansonsten von mir fern.“

      Sie und Ihresgleichen. Janus gefiel es ganz und gar nicht, wie sie mit ihm sprach. Ihre Stimme klang zwar sicher nicht abwertend, doch die Worte waren es. Aber was sollte er dagegen tun? Er brauchte sie.

      „Danke“, sagte er also und nickte.

      Kapitel 6

      Janus von Marten hatte sich mit der Privatdetektivin für den nächsten Abend verabredet. Lara Winter wollte sich selbst ein Bild vom Tatort machen. Janus hielt das im Grunde für Zeitverschwendung, die Polizei war bereits mit aller Gründlichkeit am Werk gewesen und auch er selbst hatte seine übernatürlichen Sinne eingesetzt, um etwas zu entdecken, was bislang vielleicht übersehen worden war. Doch er war erfolglos geblieben. Nach was also wollte sie noch suchen?

      Lara Winter ließ sich indes nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

      „Sie haben mich engagiert“, hatte sie bloß angemerkt. „Dann lassen Sie mich auch tun, wofür Sie mich bezahlen.“

      Janus ließ sie gewähren. Natürlich. Sie würde schon wissen, was sie tat.

      Als es am Abend des darauf folgenden Tages bei ihm klingelte, öffnete Janus nur einen Bruchteil später die Tür. Auch sie war äußerst pünktlich.

      „Ganz