Jürgen Ruszkowski

Schiffsreisen damals - Band 123 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski Teil 1


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wurden weite Landstriche erschlossen und besiedelt, indem man die Ureinwohner bekämpfte und vertrieb oder ausrottete. Einen zusätzlichen Anreiz zur Auswanderung bildeten die Nachrichten von Goldfunden in Kalifornien seit 1848, die einen „Goldrausch“ auslösten.

      Religiöse Motivationen spielten auch eine große Rolle. Christliche Glaubensgemeinschaften, die den Kriegsdienst ablehnten oder Altlutheraner in Preußen, die sich nicht anpassen wollten, sahen in Übersee ihre Chance.

      Die Reise über den Atlantik oder über den Indischen Ozean erfolgte anfangs noch meist noch mit Segelschiffen.

      Die Reederei Sloman in Hamburg war damals unter anderem stark im Geschäft mit den Auswanderern engagiert.

      Nach 1814 wurden auch die Handelsbeziehungen nach Nordamerika und Südamerika ausgebaut.

      Den 1828 eröffneten regelmäßigen Liniendienst „Regulaire Packetschiffahrt zwischen New York und Hamburg“ gründete Robert Milles Sloman noch als Schiffsmakler, als Reeder fungierten die Kapitäne. Wie der Name aussagt, sind es die Bestrebungen einer regelmäßigen Postbeförderung (Briefe wurden zu Paketen geschnürt), die seine Pläne unterstützten.

      Die beginnende Auswanderung wurde berücksichtigt, womit regelmäßige Ladungen in eine Richtung schon garantiert waren. Somit galt Robert Miles Sloman als Pionier der Linienschifffahrt. Bisher reichte die Ladung der Schiffe oft nur für eine Richtung und der Kapitän suchte sich oft in anderen Häfen Ladung die Rückreise. Da dies häufig nicht klappte, übernahm er Ladung für andere Häfen und kam über diese Umwege manchmal erst Jahre später wieder im Heimathafen an.

      Seit 1836 war auch die Auswanderung über Hamburg offiziell zugelassen und Sloman sah darin ein zukünftiges Geschäft im Liniendienst von Hamburg nach New York. 1845 eröffnete er eine weitere Linie von Hamburg nach New Orleans. Bei dem Transport der Auswanderer soll es zu erheblichen Missständen mit vielen Todesfällen gekommen sein.

      * * *

      Die Überquerung des Ozeans unter Segeln war damals mit vielen Gefahren verbunden.

      Unter den Witterungselementen nahm und nimmt für den Seemann der Wind den bedeutendsten Platz ein. In der Zeit der Segelschifffahrt stand er derart im Mittelpunkt aller Wetterbeobachtungen, dass ihn die alten Fahrensleute oft schlechtweg „he“ nannten. Die Zahl der sonstigen Ausdrücke und Redensarten für den Wind übertrifft jede sprachliche Vielfalt, die wir bereits aus Seemannsmund kennengelernt haben. Beginnen wir mit dem höchst unerwünschten Gegenteil: der Windstille! Dazu sagte man: Dat ist de Stillde. – De Wind is boomstill oder blattstill, musenstill, mauschenstill, dootstill. – Dor is keen Fasen Wind oder keen Spierken, nich ’n. Druppen, keen Flogg Wind. – Dor is keen Treck in de Luft. Is grad, as wenn dor keen Wind in de Welt is. War der Wind nicht lebhaft genug, hieß es: Dat is so ’n ollen lauigen Wind, ’n bäten Fusselwind oder Fisselwind. – He geiht so äbendrächtig, as wenn de Buer in Krempstäwel Walzer danzt. – Dat geiht ümmer as in de düer Tiet. – Dor is keen Futt achter. – Dat is so äben, dat de Sägel sik vullgäuden. Schuld an der Flaute waren selbstverständlich die Frauen. De verdammten Wiewer hebben toväl mit ’n Taschendook winkt bi de Utreis, nu kann de goot Wind nich dörchkamen. – Wenn wi dicht bi Huus wieren, säd de Schipper: De Dierns trecken nich noog. Se weiten dat noch nich, dat ji kaamt! Wenn der Wind sich aufnahm, sagte man: Nu waakt he up. – Nu kümmt all ’n bäten Kauhling oder ’n lütten Fiest, ’n lütten Püüster, ’n lütten Hau, ’ne Luft Wind. – Dor kümmt ’n lütt bäten von Togg dörch. – En lütt Näs vull hebben wi all krägen. – Nu ward he de Sägel all utbulen. – De Sägel warden blädern oder bullern. – Nu ward he all huddeln. – He ward sik all rögen. – Dat ward all brisen. – Nu fängt he an to boedeln. – Nu fött he na. – He gifft sik bett up. – He riest up, he bätert sik. – Dor kümmt all ’n bäten Gang. Auch das Ende der Flaute fand entsprechende Begründung in Redensarten: Nu fangen de Hamborger Dierns an to treeken! – Wenn dat sünndags so bi de Kirchtiet rüm harder weihgen würd, säden wi: Nu drifft de Preester den Düwel von Land af; nu kümmt he bi uns. – Sünndags drifft de Preester den Düwel ut de Kirch rut, un denn toowt he de ganze Woch up See rüm!

      Nicht immer aber kam das Schiff heil in den Hafen. Mancherlei Gefahren drohten gerade in Küstennähe. Im Windschutz der hohen Küste freilich konnte man ruhig besseres Wetter abwarten. So hieß es: Hier liggen wi as in Abrahams Schoß. Die Mannschaft war damit immer sehr einverstanden: Nu hebben wi ’ne Buernacht – denn kann ’n eens ornlich utslapen. Gelegentlich wurde auch die Möglichkeit genutzt, einen Nothafen anzulaufen. Erleichtert konnte man dann sagen: Wi wieren noch so äben rinwitscht in ’n Haben. Wi sünd noch grad so rinschrammt. Eine der größten Gefahren für das Segelschiff bestand darin, dass durch auflandigen Sturm das Schiff zu dicht an die Küste auf Lägerwall getrieben werden konnte: Lägerwall is, wenn wi up Land besett’t sünd un de Wind dorup weiht. – Lägerwall, dat is’n hollandschen Utdruck: Wenn se in Leestrand sünd un koenen nich recht wedder rutkrüüzt kamen. Schwerer Schaden, oft Untergang, wurde dadurch verursacht, dass zwei Schiffe sich ansegelten. Das durfte und konnte selbstverständlich nicht geschehen, wenn man sich vorschriftsmäßig Backbord an Backbord – notfalls auch Steuerbord an Steuerbord – vorbeisegelte. Daher der Reim:

      Grün bei Grün und Rot bei Rot,

      geht alles klar, hat keine Not.

      Oder plattdeutsch:

      Rot vör Rot un Gröön vör Gröön,

      dat is de oll Regel, denn sägelt ’t kloor.

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      Trotzdem kam es oft zu schweren Zusammenstößen, und nicht immer konnte man feststellen: Wi wieren mit naugen Toegen frikamen. – Dat hadd bald ’n blaag Og kost’t. Über das Kollidieren gab es denn auch mancherlei Ausdrücke: Se hebben sik raakt. – Wi kregen ’n Gnuff wegg. – He hadd em bannig eenen wenkt. – He hadd ornlich wat uppe Snuut krägen. Dat knackt un knirschte all. – Sackte eins der Schiffe beim Zusammenstoß weg, so hieß es: Wi wieren oewersägelt oder oewerrönnt, oewerjaagt.

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      Reise mit der Deutschen Levante Linie

       Reise mit der Deutschen Levante Linie

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       Kapitän Johann Hinrichs mit seinen Orden

      Anfang der 1890er Jahre ging Johann Hinrichs zur Deutschen Levante Linie (DLL). Diese Linie war am 6. September 1889 von den Reedern Carl Laeisz und Adolph Woermann gegründet worden. Am 28. Juni 1890 erfolgte die Betriebseröffnung mit der „CHIOS“. Die Stammlinie ging alle zwei Wochen ab Hamburg nach Malta, Athen (Hafen: Piräus), Smyma, Konstantinopel und Odessa.

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      In den ersten Jahren bei der DLL führte Kapitän Hinrichs verschiedene Frachtdampfer. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit übertrug die Deutsche Levante Linie ihm im Jahre 1898 die Verantwortung für den Vergnügungsdampfer „PERA“.

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       Express-Dampfer „PERA“

      Dieses Schiff, erbaut im Jahre 1888, 2.499 BRT groß, wurde im August 1898 als „PORTO ALEGRE“ von der Hamburg Südamerikanische Dampfschiffahrts Gesellschaft (HSDG), kurz: „Hamburg Süd", erworben und in „PERA“ umbenannt. Die „PERA“ war der erste Express-Dampfer der DLL, der dazu erstmals komfortable Passagierplätze bot.

      Mit der „PERA“ bot die Deutsche Levante Linie erstmalig Vergnügungsfahrten für gut betuchte Passagiere von Hamburg nach Odessa am Schwarzen Meer und zurück an. Nebenbei wurde auch Fracht befördert, ab 1900 aufgrund eines Vertrages mit der Reichspostverwaltung auch die Post in die Türkei. Kapitän Hinrichs