Uve Kirsch

Gutland


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58. Bürgerwache

       59. Bier verbindet

       60. Summertime sadness

       61. Besorgte Bürger

       62. Zentral weit weg

       63. Camel Trophy

       64. Platt

       65. Gutmenschen-Sport

       66. Returnmobbing

       67. Ein stolzer Preis

       68. Stabiles Strichmännchenniveau

       69. Bettenbasar

       70. Banküberfall

       71. Russe weg

       72. Kulturscheune

       73. Nigger-Knigge

       74. Spannender Schlaf

       75. NetzNaziJäger

       76. Konrad

       77. Augenzeugen

       78. Secret Beauties-Kalender

       79. Flambierte Dusche

       80. Bromberger TV

       81. Araberdressur

       82. Turbulenzen

       83. Alles togal

       Impressum neobooks

      1. Dorfarzt

       Gutland

       Wir haben nichts gegen Flüchtlinge, aber...

      Den Ort Bahlenbrede gibt es ebenso wenig auf der Landkarte Deutschlands wie die Tablette Valuron in den Apotheken. Leider. Alles Andere in diesem Roman könnte ebenfalls frei erfunden sein.

       Gutland

      Uve Kirsch

       Erster Teil

      Im Wartezimmer war es still. Es war Montag und kurz vor 12 Uhr, Zeit für einen kleinen Mittagstisch im Deutschen Haus. Renate, die Sprechstundenhilfe, lugte kurz in das Behandlungszimmer. "Vorne habe ich schon abgeschlossen und im Wartezimmer sitzt nur noch die alte Frau Eulend. Kann ich dann schon mal gehen?" Dr. Hofkrampe nickte. Die Tür fiel hinter ihr zu und Dr. Hofkrampe hörte das Geklacker harter Absätze im Flur und im Treppenhaus. Ausgerechnet Frau Eulend. Gab es heute keine angenehmeren Patienten?

      Dr. Ralph Hofkrampe hasste Montage. An Montagen fiel das Arbeiten besonders schwer, da kamen sie alle. Die, die keine Lust hatten und die, denen das Wochenende auf den Magen oder die Psyche geschlagen war. Ein paar davon kamen am Dienstag und natürlich die Schüler, die einer Klassenarbeit aus dem Weg gehen wollten. Mittwochs kamen die, die Rücken hatten oder einen Infekt. Oder einen akuten Anfall von Heuschnupfen. Donnerstags kamen die ernsthaft Kranken. Die, die er weiter verweisen musste an spezialisierte Fachärzte oder sogar in die Kliniken der Landeshauptstadt. Freitags würden die Montagsblaumacher kommen, aber freitags hatte die Praxis geschlossen. Die Blaumacher kamen deshalb alle am Montagmorgen, schon am Donnerstag zu kommen trauten sie sich nicht.

      In den kalten Monaten war das Wartezimmer überfüllt mit überbesorgten Müttern, die ihre verrotzten Kleinkinder auf dem Arm trugen und ihn mit besorgten Mienen anstarrten. Die Mütter litten mit, ihnen ging es psychisch oft schlechter als den Kindern und sie hatten keinerlei Hemmungen, dies offen zu zeigen. Aber jetzt war Sommer, das Dorf lag träge in der Hitze, die dynamischen Neubürger, die Zugezogenen mit ihren Traumjobs im IT- oder Managementbereich, waren samt ihrer Musterfamilien in den Urlaub entschwunden.

      Nur die Alten oder Daheimgebliebenen, die weniger Vermögenden und die Vergessenen hielten hier die Stellung in ihren Datschen und Gärten, am Grill und in der Hollywoodschaukel. Jeder, der einen Wagen besaß und nicht arbeiten musste, war jetzt an der Ostsee, auf dem Priwall oder an der Küste bei Barendorf. Die Moped- oder Radfahrer rollten bis an die Badestelle am See und blieben dort im sicheren Schatten, mit den Füßen im Wasser, die Kiste Bier einen halben Meter tief auf dem Grund des Gewässers, bis es erträglicher wurde. 34° Grad sollte es heute werden und windstill. Unerträglich.

      Wer heute kam, war ernsthaft krank oder hatte ein anderes wichtiges Anliegen. Ralph Hofkrampe war seit einem Jahrzehnt Dorfarzt. Bei ihm landeten alle Geschichten, Dramen und Triumphe. Alle Sorgen, Nöte und Neidereien, die im Dorf im Umlauf waren, fanden früher oder später ihren Weg zu ihm. Meistens früher.

      Er kannte die Ehegeschichten der meisten Bewohner besser als deren Nachbarn. Gerade die Neuen suchten nach Kontakt und gaben ihm mehr preis als manch Alteingesessener. "Vielleicht ein Versuch, die Isolation zu durchbrechen", dachte er.

      Dr. Hofkrampe atmete einmal tief durch und betätigte dann die Taste der Rufanlage. "Frau Eulend, bitte in das Sprechzimmer eins." Aus dem Wartezimmer hörte er das Knarren von Stuhlbeinen auf den nackten Holzdielen. Er stellte sich an das Fenster, ließ seinen Blick über den langgestreckten See schweifen, im Osten der neue Sportplatz mit den Wiesen davor, das westliche Ufer mit seinen gewaltigen Trauerweiden, die Seewiesen nahe am Ort, an deren Rand der breite Schilfgürtel im leichten Wind wogte. Die tiefen Wälder, die sich nach Norden am Horizont in Richtung Ostsee verloren gaben dem Land diese Weite, für die er es liebte.

      "Es ist schön hier", dachte er, "ein gutes Land". Der alte Wasserturm am östlichen Ufer strahlte etwas Verwunschenes aus, besonders, wenn die Nebel über dem Wald hingen, aus den er um viele Meter herausragte. Über dem Schilfgürtel kam ein Reiher im Sinkflug nieder und verschwand im Halmdickicht am Ufer. Er sah bunte Schlauchboote nahe der Badestelle am Ende der Seewiese treiben, Schwimmer und dazwischen ein Surfbrett. Pferde standen auf der Koppel und grasten und über ihnen kreiste träge ein Habicht auf seiner Suche nach einer unvorsichtigen Feldmaus. Am alten Schulgebäude stand ein schwarzer Kombi, aus dem ein Pärchen stieg. Die Tür des Sprechzimmers