Marc Eisinger

Erfolgsflüstern


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sein mag - der Marktschreier hatte sein erstes Ziel erreicht und war bereits auf Beutefang. Mit sicherem Blick suchte er sein Opfer aus und schlug unmittelbar zu: „Für Sie, junge Frau. Ja, genau! Für Sie, mit dem schönen Lächeln! Sie werden es nicht glauben, aber genau für Sie habe ich heute morgen diesen wunderbaren Aal mit meinen eigenen Händen gefangen!“

      Ein kollektives Lachen heiterte die ohnehin schon gute Stimmung weiter auf und obwohl jedem klar war, dass es sich hierbei natürlich nur um eine dreiste Lüge handeln musste, folgten alle weiter gespannt seinen Worten (vielleicht gerade deshalb, weil es eben eine dreiste Lüge gewesen sein muss): „UND weil meine Tochter heute Geburtstag hat und ich ihr versprochen habe sofort nach Hause zu kommen, sobald ich all meine Fische verkauft habe, lege ich Ihnen zu diesem wunderbaren Aal noch einen Hecht, drei Forellen und einen herrlichen Wildlachs oben drauf, den mein Bruder heute frisch geangelt direkt aus Norwegen mitgebracht hat! Und jetzt das Allerbeste, junge Frau: Sie bekommen diese Delikatesse nicht für 50 Euro und auch nicht für 45 Euro. Nein, für Sie mache ich einen Hammerpreis, nur heute und nur für Sie! Sie zahlen jetzt dafür nur 40 Euro, ach, was sag' ich, Sie zahlen heute sogar nur 35 Euro! Sind wir im Geschäft, oder muss ich meine Tochter anrufen und ihr sagen, dass ich heute leider später kommen werde, um mit ihr den Geburtstag zu feiern?“

      Ja, wir alle wissen, dass es sich auch hierbei wohl eher wieder um glatte Lügengeschichten handelt, bei denen selbst Baron Münchhausen errötet wäre! Aber Klappern gehört ja schließlich zum Handwerk und ganz ehrlich: Der Marktschreier hat´s ja super verpackt und wenn der Fisch dann tatsächlich gut geschmeckt hat, ist es fast schon unwichtig, dass der gleiche Fisch in einem anderen Geschäft vielleicht um einiges weniger gekostet hätte - seine Masche hat funktioniert!

      Und solange er sein wichtigstes Marketingtool, seine Stimme, behält, wird seine Masche noch lange funktionieren – zumindest solange, bis ein anderer Marktschreier mit einer noch lauteren Stimme und noch dreisteren Lügengeschichten, um mit ihm um die Zielgruppe zu buhlen. Nur gut, dass es auf den Märkten in der Regel so organisiert ist, dass es kaum zu lauthalsen Wortgefechten zweier Wettbewerber mit der gleichen Ware kommt! Wenngleich sich durchaus schon Marktschreier mit verschiedenen Waren in Wort- oder besser Schreiduellen messen - meist, um später das wohlverdiente Feierabendbier gemeinsam zu genießen.

      Der Markthandel und das damit verbundene Marktschreien ist ohne Zweifel die älteste Form des Handels, weshalb es eine Art genetische Selbstverständlichkeit zu sein scheint, dass uns die hier aufgetischten Lügengeschichten kaum kümmern. Mit wenigen Ausnahmen, denn in manchen Branchen landen Verkäufer mit solchen Verkaufstricks im besten, beziehungsweise im schlechtesten Fall – je nach Sichtweise – tatsächlich hinter schwedischen Gardinen. Zwischenzeitlich haben solche und ähnliche Verkaufstricks sogar dank der Massenmedien bereits den Einzug in unseren Alltag gefunden, denkt man nur an die wundervolle Welt der Reinigungsmittel, die den hartnäckigsten Schmutz mit scheinbar müheloser Leichtigkeit entfernen wollen...

      2. Kalt versus Warm – oder Was ist Hot Selling?

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      Das offensichtlich legitime Gegenmittel der Verbraucher lautet: „Geiz ist geil!“, „Der Preis ist heiß!“ oder „billig, billig, billig“.

      Gekauft werden auf Rolls Royce getunte Mercedes zum Volkswagenpreis, die sich am Ende vielleicht sogar noch als Trabant entpuppen! Gemessen an der Dreistigkeit der Verkaufstricks eine ganz normale und durchaus nachvollziehbare Entwicklung.

      Da fragt man sich, ob grundehrliche Firmen mit fairen Konditionen für Mitarbeiter und Lieferanten und hohen Qualitätsansprüchen an ihre Produkte oder Dienstleitungen überhaupt noch die Chance haben, einen adäquaten Preis zu erzielen?

      Auch wenn es auf den ersten Blick anders aussieht, die Chancen sind heute besser denn je – wenn auch weniger mit den Mitteln der Kaltakquise. Denn mit der Kaltakquise werden Unternehmen früher oder später gezwungen sein, Verkaufstricks anzuwenden, um sich vom Wettbewerb abzuheben und die Aufmerksamkeit der gemeinsamen Zielgruppe auf sich zu lenken. Sie werden mit kalt akquirierten Interessenten sehr häufig Preisverhandlungen führen müssen, in denen sie zwar mit ihren hohen Qualitätsansprüchen punkten können, sich aber letztendlich in den meisten Fällen doch im gegenseitigen Einvernehmen geschlagen geben, sodass sie damit noch überleben können. Gegen die Kaltakquise spricht zudem die Tatsache, dass sie unglaublich viel Geld verschlingt! So viel Geld, dass der endgültige Marktpreis oft um ein Vielfaches höher liegt, als er es sein müsste. Die Rede ist hierbei noch nicht einmal von landesweiter Fernsehwerbung oder großflächig angelegten Werbeaktionen in anderen Massenmedien: Selbst die regionale Werbung braucht zwischenzeitlich ein oftmals unerwartet hohes Werbebudget, um die eigene Zielgruppe wirklich signifikant zu treffen. Zwar locken die neuen Medien wie facebook, XING & Co. als preiswerte Akquise-Instrumente, doch der in Zeit zu zahlende Tribut für die Einarbeitung und Nutzung dieser Medien schreckt viele kleinen Unternehmen und vor allem Einzelunternehmen oftmals ab. Man ist zwar irgendwie drin, aber nicht wirklich mit dabei und irgendwann wieder raus – gefrustet und überzeugt: Das funktioniert vielleicht für die anderen aber offenbar nicht für mich.

      Was vielen daher zu bleiben scheint ist die altbewährte Kaltakquise in Direktansprache, sei es via Telefon (wenn der Gesetzgeber dies auch zwischenzeitlich etwas strenger geregelt hat) oder Vertreterbesuch. So werden täglich Tausende von Kilometern auf den Straßen dieser Welt absolviert und millionenfach Werbebriefe versandt – in digitaler wie in realer Form – von denen die allermeisten wiederum ungelesen in der Ablage P landen. Meist folgt dann noch das berühmt-berüchtigte und ungeliebte Nachfassen per Telefon, wofür entweder eigenes Personal herhalten muss oder externe Dienstleister beauftragt werden. Oftmals wird das Nachfassen dem Versand der Werbeunterlagen vorgelagert, um den Streuverlust der Unterlagen zu minimieren. Also werden täglich so viele Zielpersonen wie möglich kontaktiert, das Funnel-System: Für einen Neukunden müssen – entsprechend dem Gesetz der großen Zahl – circa 10 Zielpersonen angesprochen werden. Um beim ersten Anruf direkt 10 Zielpersonen persönlich sprechen zu können, müssen wiederum rund 100 Zieladressen angesprochen werden...

      Da fällt mir ein: Werden Sie bei Ihrem Einkauf auch immer gefragt: “Sammeln Sie Punkte?“, „Haben Sie eine Kundenkarte?“, „Wie lautet Ihre Postleitzahl?“. Das Gute an dieser direkten Form der Kaltakquise: sie ist relativ sicher zu kalkulieren, weil gut aufgestellte Direktmarketingfirmen bereits über eine Vielzahl an Kennzahlen verfügen, die es zulassen im Vorfeld für nahezu jede Zielgruppe ziemlich genau die erforderlichen Budgets errechnen können. Selbst Inhouse geführte Direktmarketingaktionen dieser Art werden aufgrund der schnell erzielbaren Erfolge innerhalb kürzester Zeit kalkulierbar. Was weniger in diese Kalkulation einfließt ist der hohe Verbrauch emotionaler Ressourcen derer, die aktiv in diese Form der Kaltakquise eingebunden sind und in ihrer täglichen Arbeit ein hohes Maß an Ablehnung wegstecken müssen. Darunter leidet die Gesundheit der Mitarbeiter und an extern beauftragende Firmen begeben sich aufgrund des hohen Frust-Potentials in die große Gefahr, durch unfreundliche oder inkompetente Mitarbeiter – intern wie extern – einen enormen Imageverlust zu erleiden!

      Wie die meisten Unternehmer werde auch ich immer wieder telefonisch von Firmen kontaktiert, die mich für irgendwelche wichtigen Umfragen, Optimierungen der Einträge in Suchmaschinen- und/oder Adressbüchern oder sonstige Produkte oder Dienstleistungen gewinnen möchten.

      Schon das: “Guten Tag mein Name ist Peter Pimpelhuber von der Firma XYZ, spreche ich mit Herrn Marc Eisinger persönlich?”, verrät mir sofort, dass es sich hier wieder um einen angelernten Studenten oder eine sonstige Stundenkraft handeln muss. Mein: “Schauen Sie doch mal bitte auf Ihrem Zettel unten links”, mag hier sicherlich in vielen Fällen als unverschämt ankommen. Manch einer erkennt mich dann doch als Insider und – wenn auch nur in sehr seltenen Fällen – es entsteht ein richtig gutes Gespräch (zum Verständnis: mit “Ihrem Zettel” meine ich den Gesprächsleitfaden, mit dem in 95% aller Fälle “abtelefoniert” wird und unten links steht auf diesem normalerweise “Freundlich verabschieden”).

      Vollblut-Akquisiteure hingegen arbeiten komplett ohne Gesprächsleitfaden und haben die wichtigsten Eckpunkte der zu bewerbenden