Werner Karl

Druide der Spiegelkrieger


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der euch das Leben zurückgab«, sagte Alasdair mit spöttischem Unterton und nickte zu Murchadh hinüber. »Wir schätzen die Kunst der Druiden hoch, doch selbst unser guter Murchadh hier ist nicht in der Lage, Tote wieder zum Leben zu erwecken …«

      Murchadh nickte pflichtschuldig.

      »Unser Druide schon … Fürst der Fidach«, antwortete der Mann und sein Lächeln war eine Mischung aus Stolz und Bedauern. »Ich war tot, niedergestreckt von einer römischen Lanze.« Er schob sein zerfetztes Lederwams beiseite und präsentierte seinen muskulösen Bauch. Weder Kratzer noch eine Narbe waren darauf zu erkennen. »Hier drang der Speer ein und durchbohrte meine Lunge. Ich starb in den Hügeln meiner Heimat. Und genau dort erwachte ich wieder.«

      Der Spott in Alasdairs Stimme steigerte sich. »Du warst tot, soso. Und eine römische Lanze war es, die dir dein Leben raubte.« Er warf sich in Positur und höhnte. »In der Regel ist es doch so, dass unsere Speere Römer töten.«

      Bevor er noch weiter ausholen konnte, sprach der Krieger ruhig: »Ich bedaure, dass es leider nicht so ist, denn sonst hätten wir die Römer wohl längst aus Breith vertrieben, nicht wahr, Fürst der Fidach?«

      Doch Alasdair hatte schon den Weg eingeschlagen, von dessen Spur es kein Zurück mehr gab.

      »Ich glaube eher, dass du ein Feigling bist und dich vor dem Kampf in den Wald verkrochen hast. Und als die Römer den Rest deines Haufens massakriert hatten, hast du dich wieder aus deinem Loch hervorgewagt.«

      Zu Argylls und Murchadhs Erstaunen führte diese Beleidigung nicht zum Ziehen der Waffen.

      Der Beleidigte winkte nach hinten, legte lediglich sein Bedauern in der Stimme ab, und die nächsten Worte schienen die Luft mit schwarzem Rauch zu färben. Mit lässiger Geste deutete der Krieger auf seine acht Spiegelbilder, die sich in einer Reihe aufstellten. Jedes Wort, das der Krieger sprach, knirschte wie brechende Kohle und verbreitete die unsichtbare Schwärze weiter um sie herum.

      »Dies ist der Zauber meines, unseres Druiden, dessen Gesicht ich noch nie gesehen habe, aber dessen Worte noch in mir klingen, so als stünde er neben mir. Meine … Brüder erhoben sich mit mir aus dem Blut, das ich auf dem Schlachtfeld vergossen habe. Wir ziehen nach Norden, wo er auf uns wartet, und sammeln uns zu einer Streitmacht, wie sie dieses Land – und die Römer – noch nie gesehen haben. Schließe dich uns an, Fürst der Fidach, und folge uns zu ihm. Er wird uns führen und die Römer ins Meer treiben, das fühlen wir genau. Mit ihm werden wir siegen.«

      Für mehrere Augenblicke war Alasdair verdutzt, dann prustete es aus ihm heraus:

      »Ich soll euch folgen? Mich ihm anschließen? Ein Druide soll die Führerschaft übernehmen und die Römer besiegen?« Häme und Misstrauen zogen über sein Gesicht, dann lachte er wieder. »Hahaha, einen Scheißdreck werde ich tun und dir und deinen Versagern folgen. Ihr seid den Römern schon einmal unterlegen und ich prophezeie dir – auch wenn ich kein Druide bin –, dass du und deinesgleichen wieder römisches Eisen spüren werden.« Er drehte sich zu seinen Reitern um und hob die Hände. »Ihr würdet mich nicht mehr als euren Fürsten akzeptieren, wenn ich einer Horde Versager, einem Haufen Leichen, folgen würde.«

      Dann wirbelte er herum und seine Augen sprühten vor Zorn. »Du glaubst doch nicht, dass euer Druide, wenn er denn all das vermag, was du ihm andichtest, sich wieder in seine Behausung zurückzieht, sollte er es wirklich schaffen, die Römer zu vernichten oder wenigstens zu vertreiben. Und danach uns, den Clanoberhäuptern und Fürsten der Cruithin, wieder die Führerschaft überlässt, so wie es uns zusteht?«

      Er schüttelte den Kopf, als gelte es, die dunklen Schwaden zu vertreiben, die nur in seinem Herzen existierten. Alasdair von Fidach lachte noch einmal und schritt dann mehr, als dass er ging, übertrieben aufrecht zurück zu seinem Pferd. Immer noch lachend saß er auf und ritt durch die Gasse seiner Reiter, die sie ihm geöffnet hatten.

      Noch lange hörten ihn Argyll und Murchadh lachen, die zwar ebenfalls auf ihre Reittiere gestiegen waren, aber ihrem Fürsten nicht folgten. Weder Alasdair mac Fidach noch sein Gefolge achteten auf die beiden, die in stummer Übereinkunft bei den hundert Kriegern verharrten.

      Kapitel IX

      De bello gallico

      A. D. 169, Februar

      »Meister, was sind das für Schriften hier in der Nische?«

      Túan deutete auf eine ganze Sammlung von Schriftrollen, die fein säuberlich mehrere Fächer der Höhlenwand füllten. Im Gegensatz zu anderen Dingen, welche die fünf Abteile des Höhlensystems beinhalteten, waren diese Rollen nicht mit einer Staubschicht bedeckt. Der alte Druide musste sie also öfter hervornehmen, um in ihnen zu lesen. Und dies war ungewöhnlich.

      Denn Druiden, so hatten Túans Eltern immer wieder betont, schätzten Wissen an sich sehr hoch ein. Doch vor niedergeschriebenem Wissen rümpften sie die Nase. Sie waren der Ansicht, dass wertvolle Informationen ausschließlich im Kopf eines Menschen aufbewahrt werden sollten. Die Kenntnis, die Exaktheit und der genaue Wortlaut einer Information stellten eine gute Methode dar, die geistigen Fähigkeiten eines Adepten und Druiden zu trainieren. Eigene schriftliche Aufzeichnungen schätzten Druiden nicht. Sie gaben ihr Wissen von Mund zu Mund weiter. Deshalb war allein das Vorhandensein von Schriftstücken – und deutliche Anzeichen häufiger Nutzung – mehr als ungewöhnlich.

      »Das ist die Abschrift einer römischen Eroberung. Die Römer erzählen darin von einem Krieg gegen das Volk der Gallier, welches auf dem Festland lebt. Der berühmte Gaius Julius Caesar selbst hat es niedergeschrieben, oder schreiben lassen.« Er fuchtelte ein wenig in der Luft herum, um zu unterstreichen, dass es eigentlich unwichtig war, ob Caesar es mit eigener Hand geschrieben hatte oder nicht.

      Túan griff mit einer Hand nach der ersten Rolle im Fach, besann sich dann aber und drehte seinem Meister das Gesicht zu.

      »Nimm nur und lies! Du dürftest Latein mittlerweile genauso gut lesen können, wie du es sprichst. Ich hätte dich ohnehin in Kürze mit diesem Werk bekannt gemacht.«

      Mit stiller Freude beobachtete der Druide, wie Túan die erste Rolle vorsichtig nahm und sich näher ans Licht setzte, welches zur Mittagszeit den Höhlenraum durch den Rauchabzug erhellte. Kein Feuer brannte, nur die sorgfältig am Leben erhaltene Glut unter einer dicken Ascheschicht wärmte ihrer beider nackten Füße und daher hielt auch kein Rauch die Sonnenstrahlen auf.

      Der Schüler schob eine nicht mehr grüne Grasschnur beiseite, doch zu Túans Überraschung war sie noch nicht so alt, dass sie brüchig gewesen wäre. Ein weiterer Hinweis dafür, dass Kennaigh sich der Rollen oft genug annahm.

      Ich habe ihn nie darin lesen sehen, überlegte Túan und blickte für einen Moment auf und in die grauen Augen des alten Mannes.

      Der nickte zunächst nur und in sein freundliches Lächeln mischte sich ein Ernst, der durch die folgenden Worte die angenehme Stimmung endgültig vertrieb.

      »Es trägt den Titel De bello gallico und es berichtet recht ausführlich vom Krieg der Römer in Gallien und der Niederwerfung der dortigen Völker vor über 100 Jahren.« Seine Stimme nahm nun den Klang von kaltem Eisen an, das langsam über einen Schleifstein gezogen wurde.

      »Meister, warum hast du diese Schriftstücke aufbewahrt? Ich dachte, Druiden würden ihr Wissen im Kopf behalten und an ihre Schüler nur mündlich weitergeben.«

      Kennaigh lächelte und setzte sich auf einen Hocker.

      »Ich bin – entgegen der Ansicht meiner geschätzten Kollegen – der Meinung, dass es so viel Wissen auf der Welt gibt, dass es niemals in einen Kopf hineinpasst. Außerdem kann ich mir viele Möglichkeiten vorstellen, die einen Weisen daran hindern können, sein Wissen weiterzugeben, bevor er stirbt.« Er lächelte erneut. »Außerdem kann ich in der Zeit, in der du liest, etwas anderes tun. Meine Zeit auf Erden ist begrenzt.«

      Dann huschte ein Schatten über sein Gesicht.

      »Nun lies es, und wenn du es beendet hast, werden