Frank Reise

Die Schändung des Oliver S.


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ihr Lösegeld für mich bezahlt“, Geld ist für Oli die einzige Erklärung für das, was hier geschehen war, und so spricht er den Gedanken laut aus. Die Eltern seiner Mutter hatten eine Bäckerei geführt und ihr 4 Mietshäuser hinterlassen. Oli hätte nicht behauptet, dass sie reich sind, aber ihnen fehlte es an nichts, finanzielle Sorgen gab es keine.

      „Nein, es wurde nie eine Forderung gestellt“, antwortet sein Vater fast direkt.

      Sie sprechen bis zum Abendessen nicht mehr über sein Verschwinden, vielmehr wird er mit dem neusten Familien- und Nachbarschaftstratsch vertraut gemacht, sein Interesse gilt auch den sportlichen Ereignissen. Es sind belanglose unbeschwerte Gespräche, sie lachen über alte Anekdoten, einfach um nicht über das Geschehene nachzudenken, obwohl es immer in seinem Kopf präsent ist, verborgen hinter gespielter Ausgelassenheit. Nach dem Abendessen, der „klaren Brühe“, verabschieden sich seine Eltern, was auch gut ist, denn Oli überkommt die Müdigkeit und er schläft schnell ein. Er träumt, er wird gejagt, durch den Wald, etwas Unbekanntes ist hinter ihm her, er kann es nicht erkennen, er läuft, rennt, panisch durch die Äste, die seine Gliedmaßen verletzen, schweißgebadet wacht er auf, draußen herrscht noch die Dunkelheit. Nach einer Weile gleitet er ängstlich wieder hinüber in einen weiteren unruhigen Schlaf.

      -III-

      Brötchen und Müsli, und endlich einen Kaffee, sein Lebenselixier, das Frühstück erscheint ihm wie ein First-Class Menü. Ein Pfleger hilft ihm beim aufstehen und begleitet ihn ins Bad, wo er sich duschen will. Oli fühlt sich etwas wackelig auf den Beinen, er muss sich an die aufrechte Haltung erst wieder gewöhnen. Ihm ist es unangenehm, dass der Pfleger ihm helfen muss, sein Krankenhaushemd abzulegen und seinen gezeichneten Körper sieht, andererseits ist ihm bewusst, dass der Pfleger so etwas wohl täglich erleben würde.Trotzdem plagt Oli ein Schamgefühl, sich vor dem etwa Mitte 30 jährigem Mann mit dem Goatee nackt zu zeigen. Bisher hatte Oli mit Nacktheit vor anderen Personen, etwa in der Dusche des Sportstudios oder in der Sauna, nie Probleme. Der Pfleger hat zwischenzeitlich den Mischhebel der Duscharmatur betätigt und eine angenehme Temperatur eingestellt. Auch erkundigt er sich ständig nach dem Befinden von Oli und hat angekündigt, die gesamte Zeit im gleichen Raum zu bleiben, für den Fall, dass Oli die Kräfte ausgehen oder der Kreislauf versagt. Anfangs brennt das Wasser der Dusche etwas auf der Haut, doch mit der Zeit wird es angenehmer und Oli genießt das sanft auf ihn plätschernde Nass. Er gibt etwas Duschcreme auf seine Hände und wäscht damit seine Achseln, sein Geschlecht und die Pospalte, den Mut, auch seinen restlichen Körper mit dem Reinigungsmittel in Berührung zu bringen, fehlt ihm, aus Angst, das Mittel könnte in den verkrusteten aber noch vorhandenen Wunden brennen. Der Pfleger sitzt derweil, in sein Handy vertieft, auf einem Hocker, wirft nur ab und zu mal einen besorgten Blick auf seinen Schützling. Beim trocknen erforscht Oli dann in Ruhe den Zustand seines Körpers; geschunden, blaue verblassende Flecken, kleine runde Wunden, Verkrustungen an seinen Brustwarzen, Gott sei Dank haben seine Hoden wieder ihre normale Form und schmerzen nicht mehr, dafür entdeckt er, als er seine Vorhaut zurückzieht, darunter Rötungen. Sein Rücken schmerzt noch, aber es ist nur ein Spiegel über dem Waschbecken und in dem kann Oli keinen Blick darauf werfen, es gelingt ihm nicht, den Kopf so weit zu drehen.Alles, was er betastet und abfühlt, erscheint ihm fremd. Die Muskeln haben nicht mehr die gewohnte Festigkeit, seine Haut ist ungewohnt rau, das ist nicht sein bekannter Körper. Mit der ihm zur Unterstützung der Heilung verschrieben Salbe cremt er sich, soweit es geht, ein. Der Pfleger versorgt seinen Rücken und die übrigen Stellen, die er nicht erreichen kann, dann hilft er Oli die Boxershorts und den Jogginganzug anzuziehen, die seine Eltern ihm mitgebracht haben und begleitet ihn zurück ins Bett, auf das er sich erschöpft nieder lässt. Bei der morgendliche Visite bekommt Oli den Tagesplan mitgeteilt; Vormittags würde er Physiotherapie zum Muskelaufbau bekommen, nach dem Mittagessen sollte dann ein ausführliches Arztgespräch unter Beisein der Polizei stattfinden.

      Um 14 Uhr erscheint er, wie vereinbart, mit seinen Eltern an dem Arztzimmer. Dort warten schon Doktor Kleinschmidt sowie zwei ihm unbekannte Männer.

      Doktor Kleinschmidt nimmt ihn zur Seite, „Es wäre vielleicht besser, wenn Ihre Eltern bei dem Gespräch nicht dabei wären“.

      „Warum?“, will Oli wissen.

      „Es könnten Dinge zur Sprache kommen, von denen Sie eventuell nicht wollen, dass Ihre Eltern sie erfahren, vertrauen Sie mir, Sie können ihnen ja nach dem Gespräch alles erzählen, wenn Sie wollen“, ermahnend wirkt Doktor Kleinschmidt auf Oli ein.

      Oli bittet daher seine Eltern in der Cafeteria auf ihn zu warten, die ihn zwar verwirrt ansehen, dann aber seinem Wunsch entsprechen und sich entfernen.

      Die beiden Herren stellen sich als Beamte der Kriminalpolizei vor, Müller aus Koblenz und Biermann aus Nürnberg. Letzter erklärt, er wäre extra angereist, weil man beschlossen hätte, die Ermittlungen am Ort des Verschwindens zu koordinieren.

      Der kleine runde Tisch, um den alle Vier Platz nehmen, ist übersät mit Akten, erkennbar von Krankenhausdokumenten und polizeilichen Mappen.

      „Herr Schwarze“, beginnt Doktor Kleinschmidt, „Sie wurden hier vor nunmehr 6 Tagen, also am 22.09., bewusstlos von zwei Beamten der Schutzpolizei eingeliefert. Sie wurden von den Beiden nackt mit erheblichen Verletzungen im Hunsrück, nähe Boppard-Buchholz aufgefunden und sind während der Fahrt Ohnmächtig geworden. Bei der Erstanamnese wurden folgende Verletzungen festgestellt“, er nimmt seine Akte und fängt an zu blättern, „direkt ersichtlich war Ihr gesamter Körper, d.h. Beine, Arme, Bauch, Brust, Rücken und Gesicht, mit Hämatomen überzogen, ältere, schon verheilende, und auch jüngere. Brandverletzungen, mutmaßlich entweder von Zigaretten oder heißem Wachs, fanden sich auf dem Rücken, der Brust und Ihrem Penis. Nadeleinstiche konnten an Ihren Brustwarzen, zwischen den Zehen und unter den Fingernägeln ausgemacht werden. Ihre Hand- und Fußgelenke wiesen Spuren von Fesselungen auf, an Ihrem Hals waren Hinweise auf Strangulationen. Wenn Sie Fragen haben oder eine Pause brauchen, melden Sie sich bitte“, unterbricht er mit einem unsicheren Blick auf Oli kurz seine Ausführungen.

      „Wow, geht es noch weiter?“, mit Bitterkeit in der Stimme versucht Oli zu scherzen.

      „Entschuldigung, möchten Sie etwas trinken?“, Doktor Kleinschmidt bemerkt aufmerksam Oli´s Verzagtheit.

      Nachdem er Oli ein Wasser gereicht hat, fährt er fort, „Striemen und offene Wunden auf Ihrem Rücken lassen vermuten, dass Sie gepeitscht worden sind. Das Nasenbein war gebrochen, Ihre Hoden waren geschwollen und“, er zögerte, „ihr Analbereich wies Risse auf, vermutlich infolge gewaltsamer Penetration“.

      Das ist zu viel für ihn, Oli springt auf reißt die Tür auf und rennt den Flur entlang bis zum Ende, wo er Licht erblickt, alles um ihn herum ignorierend, öffnet er die Tür zu dem dort befindlichen Balkon und tritt hinaus. Er lehnt sich auf die Brüstung, blickt mit leeren Augen in die Tiefe und atmet die kühle frische Herbstluft ein. Dabei hat er das Gefühl, tonnenschwere Steine, auf seiner Brust liegend, wegdrücken zu müssen. Hinter sich hört er Jemand, ohne sich umzudrehen weiß er, es würde einer der drei Männer sein, mit denen er eben noch zusammengesessen hat, „Ich werde nicht springen, geben Sie mir nur ein paar Minuten“.

      Die Tür schließt sich. Entführt, gefoltert und vergewaltigt, es will ihm nicht in den Kopf, wie ihm so etwas hat zustoßen können, ihm, dem zielstrebigen erfolgreichen Frauenverführer. Sicher war ihm die ganze Zeit bewusst, dass mit ihm schreckliche Dinge geschehen waren, sein verunstalteter Körper zeigte es nur zu deutlich, aber es jetzt zu hören, aus dem Mund des Arztes, im Beisein der Polizisten, machte es noch ein Stück wirklicher. Er stützt sich an den weißen Rohren des Balkongeländers ab und stiert, ohne wirklich etwas wahrzunehmen, in die Tiefe. Wer hat mir das angetan, ist die nächste Frage, die ihn beschäftigt. Er muss zurück, mit Hilfe der Polizisten könnte er vielleicht die Antwort zumindest darauf herausfinden. Obwohl er sich schämt, den Personen in die Augen zu sehen, die von seiner Schande wissen, kehrt er zurück. Nicht die unübersehbare Tatsache, dass er verletzt wurde, macht ihn so verlegen, vielmehr beschäftigt ihn, dass er vergewaltigt wurde. Ich bin gefickt worden, ein Schwanz (oder vielleicht auch mehrere) war in mir drin, der Gedanke versetzt