Matthias Herberich

Zeithüter


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Hajo war verschwunden und die Speere flogen nur noch ins Leere. In letzter Sekunde hatte der Zeitsprung Hajos Leben gerettet, und ihn in eine andere Zeit geschleudert.

      Hans-Joachim van den Bosch, von Kindesalter an von allen immer nur Hajo gerufen, war zu einem Aqua-Jumper geworden!

      Zufällig? Nein! Es fällt uns nichts zu! Alles hat seinen Sinn! Aber alles Begann wie folgt…

      Kontakt

      Mit leichtem Klappern fuhr ein Toyota Pickup auf der National Route von Kapstadt kommend, auf der N7 in Richtung Norden.

      Die rostigen Flecken an dem Wagen wurden mit brauner Farbe elegant kaschiert. Dem Motor hörte man die 15 Jahre an, die er bereits auf dem Buckel hatte.

      Mit gemütlichen 80 km/h fuhr Hajo van den Bosch gut gelaunt nordwärts. Vorbei an Weingütern und Feldern, einer Landschaft die Gott an einem Sonntag bei bester Laune gemacht haben musste. Obwohl es erst Donnerstag war, begann für Hajo das lang ersehnte Wochenende.

      Turnschuhe, ausgewaschene Jeans und sein rotes Lieblingsshirt. Er war im Freizeitlook. Halt! Das wichtigste: Die Sonnenbrille a la Men in Black!

      „Endlich ein paar Tage faulenzen“, stieß er aus und pfiff vor sich hin „ Das habe ich mir redlich verdient.“

      Hajo war in Paarl, einer kleinen Stadt in der Nähe von Kapstadt, aufgewachsen. Seine Familie hatte dort seit Generationen ein Weingut. Die van den Boschs waren seit jeher Weinbarone.

      Der Rebensaft hatte der Familie einen beachtlichen Wohlstand beschert.

      „Nimm dir ein paar Tage frei Hajo“, sprach das Familienoberhaupt, Hajos Vater Robert van den Bosch gestern beim Mittagessen. „Die letzten Wochen waren hart und du warst mehr als fleißig!“

      Hajo sah seinen Vater mit offenem Mund an. „Meinst du wirklich?“ „Ja! Und Mama ist der gleichen Meinung.“ Er blickte zu seiner Frau, die lächelnd nickte.

      „Besuch doch Onkel Freddy in Clanwilliam. Er freut sich bestimmt! Du kannst in den Bergen zelten und nach Fossilien suchen“, ergänzte seine Mutter. Hajo blieb die Spucke weg. “Wie geil war das denn“, dachte er. Hajo liebte es, nach Versteinerungen zu suchen und diese Zeugnisse vergangener Epochen zu sammeln.

      Die Zederberge bei Clanwilliam sind dafür berühmt. Dort hat man alte Höhlenmalereien der San gefunden, die bereits mehrere tausend e Jahre alt sind. San sind die Ureinwohner des südafrikanischen Busches, von denen es heute noch etwa fünftausend gibt.

      Die Landschaft wurde karger, je weiter Hajo in Richtung Clanwilliam fuhr. Von weitem sah er die Zederberge, die mit jedem Kilometer größer und schöner in Erscheinung traten. Kein Gedanke an seine Ex. Er fühlte sich beim Anblick dieser Landschaft einfach nur frei. Dass er die letzten Wochen so hart arbeitete, entsprang nicht nur aus dem Umstand, dass im elterlichen Betrieb die Arbeit überhandnahm. Nein, da war noch was anderes. Er verarbeitete damit auch seinen Trennungsschmerz. Hajo redete sich zwar ein, dass sie eh nicht die große Liebe war. Doch das Aus tat mehr weh, als er sich eingestand. Dabei waren die Beiden erst ein paar Monate zusammen. Hajo van den Bosch war eher der etwas schüchterne Typ, als der Draufgänger, den er Optisch hergab. Genau das bemängelte seine Ex-Freundin des Öfteren an ihn. Bis an dem Abend vor gut vier Wochen. Da feierte ihre beste Freundin Geburtstag. Es kam wie es kommen musste. Seine bessere Hälfte und er zofften sich gewaltig. Wutentbrannt verließ sie anschließend die Party und Hajo gab sich die Kante. Er konnte rückblickend nicht einmal mehr sagen warum sie sich stritten, geschweige denn wie es anfing. Es war irgend so eine belanglose Kleinigkeit wie, trink nicht so viel oder sag halt auch mal was. Auf jeden Fall war eine Menge Alkohol im Spiel, so dass Hajo sich an keine Einzelheiten erinnern konnte. Klassischer Filmriss. Als sich seine Freundin am nächsten Tag für den Streit entschuldigen wollte, ertappte sie Hajo mit ihrer besten Freundin in flagranti. Das war so eindeutig, dass der abgedroschene Spruch „es ist nicht so wie es aussieht“ dem Ganzen noch die Krone aufsetzte. Mit einem sehr unschönen Satz, beendete sie daraufhin abrupt diese Verbindung. Eigentlich schmerzte ihn nur, dass nicht er derjenige gewesen war, der Schluss gemacht hatte. Seitdem hatte er mit den Beiden keinen Kontakt mehr. Die arbeitsreichen letzten Wochen brachten Hajo wieder auf Normalkurs. Er musste lächeln, wenn er an die Geschichte dachte. „Einen Langeweiler nennt sie mich mit Sicherheit nicht mehr.“

      Im Autoradio spielten sie gerade den Oldie California Dreamin als Hajo mitpfeifend die N7 verlassen hatte und nach rechts auf die R364 abbog. Er fuhr den Olifants-River entlang und kam am Clanwilliam Staudamm, vorbei.

      Der in den 1930er Jahren für die Wasserversorgung und zur Feldbewässerung angestaute See, wurde in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts um etliche Meter erhöht. Er dient heute auch als Freizeit und Naherholungsraum.

      „Das Leben ist wunderbar“, trällerte Hajo, während er über den Graafenwaterweg, der direkt in die Augsburg Road mündete, nach Clanwilliam einfuhr.

      Nach etwa 100 Meter steuerte er zielbewusst seinen Toyota in die Hoofstraße, vorbei an der Standard Bank. Nur noch 30 Meter. Hajo war am Ziel. Hoofstraße 32.

      „Gut schaust du aus mein Junge“, begrüßte Onkel Freddy seinen Neffen. „Wie war die Fahrt mit deiner Nobelkarosse?“

      „Hallo Lieblingsonkel! Ich bin gut durchgekommen“, entgegnete Hajo lächelnd und umarmte ihn. „Du weißt doch, dass mit einem neuen Fahrzeug das Diebstahlrisiko enorm steigt!“ „Stimmt allerdings“, antwortete Onkel Freddy und bat seinen Neffen ins Haus.

      Frederik Vanderson war durch, wie man so schön sagte. Er war finanziell unabhängig. Sein Weingut hatte der Mitte-50er schon vor Jahren an seinen Schwager verpachtet, an Hajos Vater. Dieser Umstand sicherte Freddy ein sorgloses, unbeschwertes Leben.

      Frederik war von mittlerer Statur und so langsam wuchs ihm der Kopf durch die Haare. Die schleichende Glatzenbildung versuchte er mit einem Cowboyhut zu kaschieren. Sein leichter Bauchansatz kam nicht vom üppigen Dinieren, sondern von seiner Liebe zum Bier. Am liebsten wäre er von Anfang an Bierbrauer geworden und nicht Winzer. Frederik war ein gemütlicher Zeitgeist, ein waschechter Südafrikaner, der sein Land liebte.

      Noch mehr liebte er es seit dem Ende der Apartheid. Denn seine Freundin, seine Geliebte war eine Couloured. Freddy Vanderson liebte seit über 20 Jahren seine Rosi! Rosi ist eine Farbige. Dazu muss man wissen, dass in Südafrika zu Zeiten der Apartheid die weißen Machthaber, die Bevölkerung in vier Gruppen eingeteilt hatten. In Weiße, Schwarze, Farbige und Asiaten. Als Weiße wurden alle Nachfahren der Europäer bezeichnet. Zu den Schwarzen gehörten alle Schwarzafrikaner und die Mischlinge aus Weißen und Schwarzen wurden Farbige genannt. Die Asiaten waren in der Hauptsache indische und chinesische Einwanderer.

      Jeder sexuelle Kontakt zwischen Weißen und einer der anderen Gruppe war per Gesetz verboten. Doch das war Vergangenheit.

      „Wo ist denn deine Perle? Wo ist Rosi?“ Hajo schaute sich suchend um. „Sie ist zu ihrer Schwester nach Kimberley gefahren. Da ist Nachwuchs unterwegs und Rosi passt ein paar Tage auf die Neffen auf“, antwortete Freddy „Komm in die Küche! Ich habe Tee aufgesetzt.“

      Hajo roch bereits den Rooibostee, was Afrikaans ist und sich sehr leicht übersetzen lässt. Rooi bedeutet rot und Bos heißt Busch. (Rotbuschtee!) Die Gegend um Clanwilliam ist eines der bekanntesten Anbaugebiete des weltbekannten Rotbuschtees.

      Bei einer gemütlichen Tasse Tee berichtete Hajo seinem Onkel das Neueste von zuhause. „Ich habe dir ein paar Flaschen Rotwein mitgebracht. Mit ganz lieben Grüßen von Mama.“

      „Ich danke dir. Gib ihr einen Kuss von mir!“

      „Wie ist dein Plan Hajo“, fragte Frederik seinen Neffen. “Bleibst du in Clanwilliam, oder willst du zum Zelten in die Berge, wie du es am Telefon geäußert hast?“

      „Kannst du dich noch an die kleine Höhle erinnern, die über dem Felsvorsprung am schmalen See liegt“, antwortete der Neffe.