Matthias Herberich

Zeithüter


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Torres, setzen Sie sich wieder auf ihren Platz und hören Sie WO Nomi weiter zu!“, befahl der Sonderbeauftragte der Raumflotte Lerch. Torres nahm seine Sitzhaltung wieder ein und ärgerte sich, weil er seine Beherrschung verloren hatte. „Commander Torres, jetzt kommt der Part, der für Sie gedacht ist.“

      Nomi schaute Torres von der Seite her an und als sie sein Nicken sah, startete sie Teil zwei ihres Vortrages.

      „Um die Technik des Aqua-Pulsers optimal zu nutzen, ist es enorm wichtig nicht nur als Beobachter in der Vergangenheit zu agieren, was aber bedingt notwendig ist, um Geschichtslügen im Nachhinein aufzudecken und zu berichtigen. Neu ist, mit einer Flugscheibe in die Vergangenheit zu fliegen, um auch Tiere und Pflanzen, die heute ausgestorben sind, wieder bei uns in der Gegenwart anzusiedeln beziehungsweise anzupflanzen.“ Jetzt glänzten Commander Torres Augen wieder und er war ganz Ohr. „Wir haben eine Möglichkeit gefunden, eine unserer Flugscheiben so zu modifizieren, dass es machbar ist mit dieser in die Vergangenheit zu springen und wieder zurück. Für dieses waghalsige und streng geheime Unternehmen brauchen wir den besten Piloten der ganzen Raumflotte. Unsere Wahl fiel auf Sie, Commander Torres.“

      Torres wurde schlagartig um zehn cm größer und Lerch, der Sonderbeauftragte der Raumflotte übernahm das Wort. „Commander Torres dieser Sprung ist nicht ohne Risiko. Sie können auch ablehnen. Ich würde das verstehen.“

      „Aber Sir. Es ist mir eine Ehre, bei dieser Mission dabei zu sein. Risiko ist mein zweiter Vorname und keiner kann mit den Flugscheiben so perfekt umgehen wie ich! Gerade bei brenzligen Situationen.“ Torres stand auf, um damit seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen. „In Ordnung Commander, dann will ich Sie mit den Einzelheiten vertraut machen. Wir drei treffen uns nach dem Mittagessen direkt vor Ort, bei der Flugscheibe.“ Lerch sah auf die Uhr. „Es ist jetzt kurz nach 12 Uhr. Um 13.30 Uhr sehen wir uns pünktlich in Gate 7. Strengste Geheimhaltung versteht sich!“ SB Lerch stand auf, grüßte kurz und verließ das Besprechungsmodul.

      Torres sah WO Nomi fragend an. „Sagen Sie! Wie ist das mit dem Springen? Wie fühlt sich das an?“ Der Commander würde nie zugeben, dass er die Hosen gestrichen voll hatte. Schließlich war er der Mann, dessen Ego seine Körpergröße überragte, wenn seine Unentbehrlichkeit von außen bestätigt wurde. „Es ist als würde man durch einen Tunnel gezogen und währenddessen hört man einen Wasserfall in die Tiefe stürzen. Es tut nicht weh. Im Gegenteil! Es fühlt sich auf eine seltsame Art äußerst angenehm an“, erzählte Nomi entspannt und löste bei Commander Torres eine leichte innere Ruhe aus. „Wollen wir gemeinsam zu Mittag essen WO Nomi?“ „Gerne! Warum nicht? Ich habe schon etwas Hunger.“ Gemeinsam verließen die beiden das Modul 14 und steuerten die Kantine an.

      Währenddessen zog die Raumstation ihre Bahn im Orbit. Gleichmäßig, ohne irgendwelche Probleme und das schon über achtzehn Jahre lang.

      Galileo2 ist eine militärische Raumstation und steht unter dem Oberkommando der Raumflotte. Doch in der Hauptsache wird sie wissenschaftlich genutzt.

      Sie wurde vor 18 Jahren gebaut. Galileo2 ist die modernste und größte in der Erd-Umlaufbahn. Von ihr aus werden neue Satelliten ausgebracht und alte repariert oder verschrottet. Auf der Station leben dauerhaft über 800 Personen und es sind weitere 400 auf Zeit stationiert. Durch die Eigenrotation von Galileo2 wird eine künstliche Schwerkraft erzeugt, was das Leben auf der Station mehr als erträglich macht. Es ist für alles gesorgt, von Werkstatt über Krankenstation bis hin zur Fitnessoase. Mit eigenem Labor, das s auf dem neuesten Stand der Technik ist.

      Nomi und Torres fachsimpelten über die Möglichkeiten, die diese neue Technik mit sich brachte. Nach dem Mittagessen fanden sie sich in Gate 7 ein, wo Lerch schon auf sie wartete. Dort stand eine Flugscheibe. Für Torres sah sie so gewöhnlich aus wie jede andere, die er bereits kannte. Sie hatte einen Durchmesser von 12 Meter und war für maximal ein Besatzungsteam von vier Personen ausgelegt. Somit war diese Flying Disc die kleinste ihrer Art. Der Commander kannte auch ihre Historie. Vor der Flugscheibentechnik waren Raketen und Raumgleiter das Bindeglied zwischen den Raumstationen und der Erde.

      Doch alleine die Raumgleiter ins All zu bringen, war schon sehr kostenintensiv. Anfangs wurden sie mit Raketen in die Umlaufbahn geschossen. Im nächsten Schritt wurden die Space Shuttles größer und wie Flugzeuge in die Luft gebracht. Dadurch verbrauchten sie um Längen mehr an Treibstoff, weil sie fast eine Erdumrundung in Anspruch nehmen mussten, bis sie in den oberen Orbit kamen. Doch dies war nur ein Bruchteil der Kosten, die ein Raketenstart verursachte.

      Den richtigen Schub nach vorne bekam die bemannte Weltraumforschung vor allem im Bereich Pendelverkehr mit den Raumstationen und Satelliten, durch die Flugscheibentechnik. Diese, von den Deutschen in den 1940er Jahren entwickelte Technik, die aber für den Kriegseinsatz zu spät kam und nach dem Krieg in Vergessenheit geraten war, hatte gegenüber den herkömmlichen Raumgleitern viele Vorteile. Man brauchte keine Startbahn für den Start oder der Landung, denn die Flugscheibe startete senkrecht nach oben, wie ein Hubschrauber. Durch seine in sich rotierenden Magnetfelder sind Flugmanöver möglich, wie sonst mit keinem Fluggerät. Eine Ingenieurskunst, die seinesgleichen suchte. Die Magnetfelder schützen die Scheibe auch vor der Hitze beim Wiedereintritt in die Atmosphäre. Keramik Hitzekacheln, wie bei den Raumgleitern üblich, waren Geschichte.

      Diese auf Wasserstoffbasis angetriebenen Flugscheiben kannte Commander Torres in- und auswendig. Seine Augen leuchteten als er mit seiner Hand sanft über die Scheibe strich. „Commander hier ist ihr neues Spielzeug“, lachte SB Lerch. „Würden Sie bitte WO Nomi und mich an Bord bringen?“

      „Jawohl!“

      Torres öffnete die Einstiegsluke und sie betraten das Cockpit. Das innere der Flugscheibe war sehr geräumig, und Lerch bat WO Nomi und Commander Torres Platz zu nehmen. Torres, der auf dem Kommandantensitz Platz nahm, fühlte sich wie 007, dem von Q gleich gezeigt wurde, welche neuen Waffen in seine Scheibe integriert worden waren.

      „WO Nomi, machen Sie den Commander mit allen Neuerungen dieser Flying-Disc vertraut“, ordnete SB Lerch an.

      „Zu Befehl!“

      Torres wollte alles sehr genau wissen, denn er hatte absolut keine Lust in irgendeiner Zeitschleife stecken zu bleiben, oder eventuell als Dinosaurierfutter zu enden.

      „Commander, haben Sie alles verstanden“, fragte Nomi.

      Wie auswendig gelernt wiederholte Torres: „Wenn ich das richtig verstanden habe, dann gleiten wir zwei, WO Nomi und ich, aus der Raumstation, in die Umlaufbahn. Nachdem Sie am Zusatzmodul die Frequenz eingestellt haben, beschleunige ich die Flugscheibe auf 20.000 Stundenkilometer und halte Kurs in der Umlaufbahn. Dann startet WO Nomi den eingebauten Aqua-Pulser und wir rauschen in die Vergangenheit.“

      Lerch war begeistert. „Morgen werden Sie beide Geschichte schreiben. Der erste Zeitsprung mit einer Flugscheibe.“

      Nomi und Torres waren stolz, dass sie für diese Mission ausgewählt wurden. Die beiden hatten die besten Voraussetzungen, jeder auf seine spezielle Art.

      Commander Torres war einer der besten Flugscheibenpiloten der Raumflotte. Wissenschaftsoffizier Nomi hatte die größte Einzelsprungerfahrung und war bestens mit der Aqua-Pulser Technologie vertraut. „Commander Torres! WO Nomi ist bereits genauestens mit dem Ablauf der Mission vertraut. Wir haben eine Sprung-Frequenz ausgewählt, die schon dreimal gesprungen wurde. Zweimal von WO Nomi. Damit sind wir zeitlich gesehen auf der sicheren Seite und landen nicht mitten im dreißigjährigen Krieg. Der Landepunkt wird im Kongo in Zentralafrika sein. Ihre Aufgabe ist es, ein Berggorillababy einzufangen, es zu betäuben und hierher in die Gegenwart zu bringen. Da die Berggorillas mittlerweile ausgestorben sind, haben wir jetzt die Möglichkeit, diese in der Gegenwart wieder anzusiedeln. Sollte das Tier die Reise gut überstehen, werden wir noch mehr Exemplare hierher holen und eine neue Berggorilla Kolonie gründen. Im Laderaum der Flugscheibe wurde bereits ein Käfig eingebaut. Gewehre mit Betäubungspfeilen befinden sich ebenfalls dort.“ SB Lerch dankte und bestimmte den Start der Mission auf den nächsten Tag, um 9.00 Uhr.

      „Commander Torres, Sie tanken heute noch die Flugscheibe auf und kontrollieren diese, damit morgen ohne Verzug die Mission gestartet werden kann!“

      „Zu