Bande mit Karl würden zerbrechen, bevor sie richtig begannen. Doch im Moment sieht sie nur den gedeckten Tisch und freut sich auf ein gutes Essen und ein Glas Wein und danach wollen beide nach dem erlebnisreichen Tag nur noch über ihre Eindrücke reden und dem anderen eigene Geschichten erzählen. Es war schon im Morgengrauen als sie die Liebe einschlafen ließ, doch der Sonntag begann so, wie der Samstag endete, sie konnten nicht voneinander lassen und zum Frühstück waren sie zu spät, also setzten sie fort, was sie abends erfreute. Beim Mittagsessen sagte Karl zu Dorli etwas unbeholfen: „Darf ich dir einen Heiratsantrag machen? Ich habe zwar keine Blumen mit, aber ich lieb dich über alles, meine kleine Göttin Dorli.“ „Angenommen Karl, es ist ja recht unvermutet rasch gekommen, aber auch ich liebe dich sehr. Wann denkst du sollte das sein?“ „Bevor der Bauch zu sehen ist.“ „Hast du eins gemacht?“ „Ja, ich glaub, es war nicht zu halten.“ „Wir werden sehen, aber Hochzeit könnten wir recht bald feiern. Meinen Vater wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit niemals kennenlernen, meine Mutter würde sich sehr freuen. Noch dazu, weil ich ein uneheliches Kind bin und sie darunter sehr zu leiden hatte, das war eine Generation früher. Sollten wir ein Kind bekommen, wäre es die größte Freude meiner Mutter bereits verheiratet zu sein. Der Kellner nähert sich und kommt mit dem Tablett: „Die Hochzeitsplatte natürlich für zwei Personen und eine Flasche Pinot Gris? Guten Appetit!“ Das Aufgebot konnte rasch bestellt werden und der Termin der Eheschließung wurde am Standesamt Mattighofen bekannt gemacht. Es waren wenig geladene Gäste, das Brautpaar, die Eltern von Dorli, Karin und Waldemar, Dorlis Jugendfreund Max, die Eltern von Karl, Elisabeth und Franz. Karl hatte wie Dorli keine Geschwister und trotz seiner umgänglichen Art kaum Freunde, so blieb die Anzahl der Hochzeitstafel bescheiden, aber die Stimmung umso ausgelassener. Die Tafel feierte im Pfandlhof und die Musik kam von einem jungen Trio zusammengesetzt aus Harmonika, Klarinette und Gitarre, das zur Eröffnung der Tafel den Brautmarsch aus Lohengrin spielte. Da kam Bewegung in die Gäste. Karl nahm Dorli um die Mitte und die beiden glänzten um die Wette. Es folgten Walzer, Polka und ein Boarischer nach dem anderen, bis allen die Luft knapp wurde. Dorli erlernte den Boarischen mit Wechselschritt und Drehschritt sehr rasch und die Gesellschaft war lustig und ausgelassen. Karin fragte nichtsahnend: „Werde ich nun Großmutter?“ „Das weiß nur Gott allein. Kauf bitte noch kein Gitterbett und Strampelhose, wir werden dich rechtzeitig informieren.“ Elisabeth möchte wissen: „Werdet ihr in der Gegend bleiben, oder habt ihr vor wegzuziehen? Karl hat eine gute Stelle hier und du hast auch gute Arbeitsmöglichkeiten. Sollte Nachwuchs kommen können wir aushelfen.“ „Die Lebensbedingungen hier sind ideal für euch“, meint Franz. Das Baby ließ nicht lange auf sich warten und Dorli wurde von einem 3,4 kg schweren und 51 cm großen Buben entbunden, den sie Georg tauften.
Georg
Dorli und Karl nahmen das Angebot der Eltern dankend an. Nach dem Abstillen übernahm Karin die Erziehungsaufgabe und Georg fühlte sich sichtlich wohl. Karin und Waldemar lebten nun in Leoben, weit weg von der Kartenrunde. Die Stadt ist umgeben von Hügeln und Bergen. So kam es auch, dass dort ein kluger Herzog im neunzehnten Jahrhundert eine Montanuniversität und viele Berg- und Hüttenbetriebe gründete. Auch Karins Wohnung, im ersten Stock eines Mietshauses, befand sich am Fuße eines Hügels, den Georg oft zum Spielen nützte. Sein Spielkamerad gleichen Alters wohnte nebenan. Karin war sehr katholisch zumindest was das Brauchtum betraf. Vor Weihnachten kam, wie jedes Jahr der Nachbar, als Nikolaus verkleidet, begleitet von einem finsteren Höllengesellen, dem Krampus. Er klopfte energisch an die Türe, begehrte Einlass. Nikolaus, der Georg aufforderte ein Gebet zu sprechen füllte den Raum mit der Mitra und dem Hirtenstab, sowie mit seiner Stimme. Georg ließ vor Schreck und Ehrfurcht den Löffel in die Suppe fallen, um sich mit einem Gebet, von der Bestrafung durch diesen zotteligen Kompagnon, freizukaufen. Monate später die Wiese erblühte, sie war voll von Pusteblumen, die in dieser Gegend Löwenzahn genannt werden. Georg genoss das Spiel mit seinem Kameraden. Doch eines Tages war da kein Kamerad und er suchte den Spielfreund im Haus gegenüber, vergebens. Als er nach ihm fragte, rannen der Mutter dicke Tränen über das Gesicht und sie kreischte nur noch. Eine zweite Frau stand daneben und bedeutete Georg, dass er gehen möge. Erst Karin klärte ihn auf. „Dein Freund ist in der Waschküche in die heiße Lauge gefallen und er kommt nie wieder.“ Georg kapierte die Situation nicht ganz und fragte: „Ist nie wieder, dann Morgen?“ Dann ging er noch tagelang zu den beiden Frauen und fragte nach seinem Spielkameraden. Doch er bekam keine Antwort mehr und ging unbeantwortet seiner Frage zu Karin, die ihm nochmals erklärte: „Dein Spielkamerad kommt nicht mehr.“ Waldemar war wie ausgewechselt, seit Georg in Leoben war. Er trank wie immer gern einen Schluck, aber nicht zu viel, doch er nahm Georg ins Gasthaus mit und bestellte ihm ein ‚Himbeerkracherl‘ und ein Glas Bier für sich, als sie ausgetrunken hatten, zahlte er und sie traten gemeinsam den Heimweg zum Hügel an. Georg war die Freude von Karin und Waldemar und der Nachbarn. Der ‚Nikolausnachbar‘ besaß einen Fotoapparat und posierte Georg auf dem leicht geneigten Abhang gegenüber der Wohnung. Er schnitzte Georg einen Wanderstab, den dieser zaghaft zwischen zwei Fingern hielt. Georg war steirisch gekleidet, Steirerhut mit Fasanenfeder und Steirerjanker durften nicht fehlen. Mit diesem Bild, auf Papier und in der Erinnerung, siedelte Georg zu Elisabeth nach Mattighofen, denn die Ersteinschreibung für die Schule begann.
Schule
Karl holt Georg Mitte August bei Karin ab. Es gab noch Kaffee und Kuchen auch Waldemar gab sich die Ehre. Bei den Abschiedsküsschen flossen bei Karin ein paar Tränen. Dorli, die es sich nicht nehmen ließ mitzukommen konnte ihre Freude nicht verbergen. Dann ging es ab nach Mattighofen. Georg musste sich erst akklimatisieren. Die Luft, die Umgebung, die Wohnung, alles war neu zu erkunden. Freunde hatte er noch keine, doch Dorli und Karl bereiteten einen festlichen Empfang. Auf der Couch lag eine Schultasche, mit Federpennal, Farbstifte, Schreibblock, Spitzer und Radiergummi und eine Schultüte. Das war reiner Luxus, denn Dorli hatte keine Schultüte zu Schulbeginn. So ändern sich die Zeiten. Der erste Schultag, die erste Woche verflogen rasch. Georg hatte Freude an der Schule, auch an den Kameraden. Alle lernten sehr rasch das Alphabet und das Einmaleins. Elisabeth umsorgte Georg, wenn Dorli arbeitete. Zu Weihnachten, Georg ging in die dritte Klasse, als er Holzklötzchen geschenkt bekam, die er zu meisterhaften Bauwerken zusammensetzte. Der Nachbau des Wiener Riesenrades, es konnte in Drehung versetzt werden und erstaunte damit Dorli und Elisabeth. Dorli meinte es ist noch zu früh an eine weiterführende Schule zu denken, aber Georg habe eine technische Begabung. Ein neues Schuljahr begann, vieles war anders. Georg wollte nach Braunau in die Höhere Technische Lehranstalt, um eine technische Ausbildung zu absolvieren. Die Fahrt mit dem Schulbus nach Braunau war die Pflichtübung für einen guten Start in die Berufswelt als Elektrotechniker, der Georg werden wollte. Der Abschluss bietet vielfältige und interessante Berufsausübung im In-und Ausland bei guter Bezahlung. Georg ist an Technikfächern interessiert, die er in der Höheren Technischen Lehranstalt bekommt. Doch an einem Freitag in der letzten Stunde muss er sich das Fach Staatsbürgerkunde anhören. Er ist nur halb bis gar nicht bei der Sache, als gerade die Professorin das Thema Wechselrecht behandelt. Am liebsten würde er die Stunde schwänzen und sich wegen Kopfschmerzens abmelden, doch der Ehrgeiz lässt ihn den Rest der Stunde, bleiben. Er hört: „Wer weiß, was ein Wechsel ist?“ Keine Antwort kommt aus der Klasse. Es ist ja Freitagnachmittag, da dreht sich alles bereits in Richtung Wochenende. Die Vortragende versucht es ein weiteres Mal: „Könnt ihr euch vorstellen, dass Euch der Sitznachbar einen kleinen Geldbetrag leiht?“ „Nein, ruft einer heraus, der hat ja selber kein Geld.“ „War jemand von Euch bereits in einer Bank und hat Geld behoben?“ „Ja, haben wir rufen einige.“ „Wieso gibt euch die Bank Geld?“ „Weil ich dort ein Schülerkonto habe.“ „Woher nimmt die Bank das Geld?“ „Das muss man vorher einzahlen.“ „Könnt ihr euch vorstellen, dass euch die Bank Geld gibt, ohne vorher eines eingezahlt zu haben?“ „Ja, wenn man einen Kredit bekommt.“ „Wie geht das, einen Kredit zu bekommen?“ „Man muss einen Bürgen bringen, der bei Ausbleiben der Rate den Betrag der Bank rückerstattet.“ „Was ist notwendig, dass die Bank einen Kredit gewährt?“ „Man muss unterschreiben, damit die Bank das Geld zurückbekommt.“ „Warum soll der Umweg über die Bank gegangen werden, man könnte doch gleich zum guten Bekannten gehen, um das Geld und dem guten Bekannten unterschreiben. Geht das?“ „Dem guten Bekannten, muss man gar nichts unterschreiben.“