ist passiert?“
Diese Frage hätte sie lieber bleiben lassen, sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
„Jede Menge Ärger mit den Angestellten, die kamen und gingen, wie es ihnen passte. Wenn man sich auf seine Leute nicht verlassen kann, dann hat das alles keinen Zweck.“
„War es denn nicht möglich, zuverlässiges Personal zu finden?“
„Nein. Wer will schon am Wochenende rund um die Uhr arbeiten?“
„Stimmt, das ist ein Argument.“
„Sogar meine Ehe ist an den Arbeitszeiten gescheitert.“
„Schade, das tut mir wirklich leid für dich.“
Mit einem Mal regte sich so etwas wie Mitgefühl in ihrer Brust. Wozu sollte er sich ein heimeliges Heim schaffen, wenn sich keine Zeit für die Liebe fand?
„Egal ob an Sonn- oder Feiertagen, immer stehst du in der Küche, meist bis spät in die Nacht hinein. Urlaube fallen aus, wenn sich Kollegen krankschreiben lassen, denn Köche sind Mangelware. Du kannst dir sicher denken, wie sich das auf eine Beziehung auswirkt.“
Darüber hatte sie sich noch nie den Kopf zerbrochen, schließlich wurde sie eher selten von Köchen zum Abendessen eingeladen. Der heutige Abend war quasi ihr Debüt.
„Bist du schon länger allein?“, hakte sie nach.
„Nein, so würde ich das nicht sagen. Meine letzte Bekanntschaft war Innenarchitektin, aber wir hatten einfach keine Zeit füreinander.“
„Das ist sehr bedauerlich.“
„Falls du nichts dagegen hast, räume ich jetzt den Tisch ab.“
Er beendete abrupt das Gespräch, stand auf und brachte das Geschirr in die Küche. Julia half ihm und er beobachtete mit Argusaugen, wie ungeschickt sie sich dabei anstellte. Nicht, dass ihr die Übung fehlte, aber sein kontrollierender Blick setzte ihr zu. Wie schon erwähnt, auch ihre Mutter konnte eine Tyrannin in der Küche sein und dieses Verhalten machte Julia stets nervös.
Anschließend entkorkte Christian eine Flasche Wein und stellte zwei Gläser auf den Couchtisch. Julia setzte sich neben ihn, hielt aber einen Sicherheitsabstand von mindestens zwanzig Zentimetern ein. Es machte sie doch verlegen, auf diese Weise seine Nähe zu spüren. Ob er wohl mehr wollte? Und kam das für sie überhaupt infrage?
Christian berichtete, wo er schon überall gearbeitet hatte, selbst bis nach Sylt hatte es ihn verschlagen.
„Du hast ziemlich häufig deine Stelle gewechselt“, stelle sie nüchtern fest und diese Frage schien ihm nicht zu behagen.
„Man muss schließlich auch Erfahrungen sammeln, um sich weiterzuentwickeln.“
So konnte man das auch sehen. Dabei war er es doch gewesen, der seine Crew stets auf Vordermann brachte, oder irrte sie sich da? Immerhin gab sich Christian Mühe, den Abend auf romantische Art und Weise ausklingen zu lassen, auch wenn er nicht gerade der klassische Romeo war.
Julia war inzwischen beim dritten Glas Wein angelangt und als sie auf die Uhr schaute, stellte sie erschrocken fest, dass der letzte Bus bereits abgefahren war. Geld für ein Taxi hatte sie nicht übrig und es würde ein langer Marsch durch die Nacht werden.
„Wir haben uns ganz schön verquatscht“, stellte Christian fest. „Ich will dich natürlich nicht in die kalte Nacht hinausschicken und wenn du möchtest, kannst du hier schlafen. Selbstverständlich in getrennten Betten.“
„Ich weiß nicht so recht …“, zierte sie sich. Der Gedanke, dass seine Mutter vielleicht in einem dieser Betten genächtigt hatte, verursachte ihr Unbehagen.
„Komm, ich zeig dir deine Schlafstätte.“
Er öffnete die Tür zu seinem Schlafzimmer und sie riskierte einen Blick. Der Raum war modern eingerichtet und verfügte tatsächlich über zwei getrennte Betten.
„In Ordnung, ich nehme dein Angebot an“, willigte sie ein.
Insgeheim ärgerte sie sich darüber, dass sie diesem süßen und aromatischen Wein nicht hatte widerstehen können. Aber nun war es sowieso zu spät. Christian lief zum Schrank und reichte ihr ein großes Handtuch.
„Falls du duschen möchtest. Geh du zuerst ins Bad, ich räume noch auf.“
Sie huschte ins Badezimmer und betrachtete ihr gerötetes Gesicht im Spiegel. Ja, sie hatte ihre Lektion gelernt - nie wieder Alkohol in verfänglichen Situationen! Es war sicher von Vorteil, in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.
Nach der Dusche fror sie wie ein junger Hund und die Müdigkeit machte sich bemerkbar. Sie trat auf den Flur und hörte Christian in der Küche hantieren. Welche der Türen führte noch einmal zum Schlafzimmer? Rechts oder links? Leise drückte sie die Klinke herunter und schlüpfte in den Raum. Blind wie ein Maulwurf tastete sie nach dem Lichtschalter und schrie erschrocken auf.
„Was ist denn los?“ Christian erschien in der Tür. „Durchsuchst du immer die Zimmer fremder Leute?“, fragte er schroff.
„Tut mir leid, ich habe die Türen verwechselt“, stammelte sie verlegen. „Das liegt wahrscheinlich am Wein.“
„Du hast dich in Mutters Zimmer verirrt, hier geht’s entlang.“ Er schob Julia ins Schlafzimmer. „Ich bin gleich bei dir.“
Seine Mutter schien wohl ein übertriebenes Faible für Puppen gehabt zu haben. Sie hockten in Reih und Glied auf sämtlichen Möbelstücken und glotzten Julia mit ihren ausdruckslosen Knopfaugen an - das reinste Gruselkabinett. Jede der Puppen steckte in einem bunten Kleidchen mit kitschigen Rüschen und das überwiegend blonde Haar war zu zwei Zöpfen geflochten. Natürlich hatte Julia im Kindesalter auch mit Barbies gespielt, aber von jeher einen großen Bogen um diese unheimlich wirkenden Geschöpfe aus Porzellan gemacht.
Nachdem sich ihr Herzschlag beruhigt hatte, setzte sie sich gähnend auf die Bettkante. Pullover und Slip hatte sie angelassen und nur die Jeans auf den Stuhl gelegt. Das Bettzeug roch stark nach Weichspüler und das machte es um einiges leichter, sich in die fremden Federn zu legen. Der Wein ließ sie schläfrig werden und mit geschlossenen Augen sank sie auf das Kissen.
Christian riss sie polternd aus ihren Träumen. Er war nicht unbedingt ein Leisetreter und nahm keinerlei Rücksicht. Nachdem er das Licht gelöscht hatte, setzte er sich zu ihr.
„Schlaf schön“, murmelte er und strich ihr zärtlich eine Strähne aus der Stirn. Dann näherte er sich ihr behutsam, streichelte ihre Wange und vergrößerte dabei den Radius. Inzwischen war er am Schlüsselbein angekommen. Sie mochte seine Berührungen und gestattete ihm, dass seine warme Hand tiefer glitt. Ihre Brustwarzen richteten sich auf und nur mit Mühe unterdrückte sie ein wohliges Stöhnen. Der Wein. Dieser verdammte Wein.
Nun gab es kein Halten mehr. Hastig zerrte sie ihren Pullover über Schultern und Kopf und hörte das Reißen einer Naht. Christian fummelte inzwischen ungeduldig an ihrem BH und löste die Ösen. Stürmisch fanden sich ihre Lippen und die Hände ertasteten Neuland.
Christian lag bereits auf ihr, als das Desaster passierte. Egal wie sehr er sich auch abmühte, es wollte einfach nicht klappen. Ungehalten stieß er sie weg und legte sich auf den Rücken. Sie ärgerte sich maßlos über seine übertriebene Reaktion, aber das Mitleid überwog.
„Das kann doch mal passieren“, warf sie tröstend ein.
„Ach, was weißt du denn schon …“, zischte er, sprang auf und verschwand im Bad.
Es musste ihn kränken, bei so einer jungen Frau versagt zu haben. Oder sah sie vielleicht doch zu kindlich aus, um einen reifen Mann wie ihn zu beglücken? Aber das war jetzt nicht mehr ihr Problem.
Frustriert zog sie sich die Jeans über, schnappte sich ihre Jacke und schlich aus der Wohnung. Nachdem sie die Haustür leise ins Schloss gezogen hatte, eilte sie die Stufen