hättest mich wenigstens vorwarnen können.«
»Das war eine spontane Eingebung.«
»Kannst du mir verraten, was diese ganze Nummer überhaupt sollte?«
»Nicht hier. Das Programm sieht jetzt ein Picknick vor, anschließend machen wir einen kleinen Waldspaziergang, dann gehen wir zu den Burgfestspielen.«
»Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Die Burgfestspiele Leofels sind legendär, das solltest du als Hiesiger eigentlich wissen. Ein paar Dutzend Amateure machen Theater vom Feinsten, und Karten sind kaum zu kriegen. Aber ich habe ja meine Beziehungen.«
»Natürlich kenne ich die Burgfestspiele. Was wird denn gegeben?«
»Der Graf von Monte Christo.«
»Ah, der Graf! Der redliche Edmond Dantes, der durch eine hässliche Intrige im Gefängnis landete. Eine wahnwitzige Flucht. Wiederauferstanden als unermesslich reicher Graf. Ei, und dann hat er seinen Freunden ihre Treue belohnt und jene zermalmt, die ihm übel mitgespielt haben. Oh, die Schändlichen! Meiner Treu, wie habe ich das Buch verschlungen! Ich kann es fast noch auswendig. Bei meiner Ehre, Sie machen mich beben!«
»Was redest du eigentlich so geschwollen?«
»Das ist ein altes Buch, zu der Zeit hat man so geredet. Ich wüsste genau, wo ich ihn da oben auf der Burg einkerkern würde. Nur die Flucht ist schwierig. Man kann ihn ja nicht gut in die Jagst werfen, da sind zu viele Bäume dazwischen.«
»Kannst du ja später sehen, wie die das machen. Jetzt ab in den Wald!«
»Du hast mich durcheinandergebracht. Darüber habe ich mich eigentlich gewundert. Du und ein Picknick im Wald?«
»Du kennst meine romantische Ader noch nicht.«
»Die ist mir tatsächlich neu.«
»Wenn du dich anstrengst, kannst du noch viele Seiten an mir entdecken, die du nicht kennst. Ich mach dir’s auch nicht allzu schwer.«
***
Isabel dirigierte mich aus dem Ort hinaus und in den Wald hinein, wo die Windräder standen.
Ich protestierte. »Das ist ein Forstweg. Siehst du die Schilder? Da darf ich nicht fahren.«
Isabel kramte in ihrer Handtasche und pappte ein Schild an die Windschutzscheibe. »Forstbetrieb« stand darauf.
»Ein Förster mit dem Porsche im Wald? Super Idee!«
»Jetzt sei kein Schisser! Oder willst du den Picknickkorb kilometerweit tragen?«
»Welchen Picknickkorb?«
»Den in deinem Kofferraum.«
»Du willst damit sagen, der zentnerschwere Rollenkoffer, über den du jede Auskunft verweigert hast …«
»Ich habe gesagt, das ist eine Überraschung.«
»… ist dein Picknickkorb?«
»Manchmal stehst du ganz schön auf der Leitung, Dillinger. Aber du wirst zugeben, dass man das Ding auf diesem Schotterweg nicht rollen kann. Also musst du ihn tragen. Oder fahren.«
Ich fuhr. Wenigstens war der Weg eben und gut ausgebaut, so dass ich nicht Gefahr lief aufzusitzen.
Ganz zufällig fand Isabel ein hübsches Plätzchen, eine kleine Wiese, auf die nur eine schmale Zufahrt führte, umgeben von dichtem Wald.
Ich wuchtete den Rollenkoffer aus dem Auto und schleppte ihn auf die Lichtung.
Isabel hatte an alles gedacht. Tischdecke, Servietten, richtige Gläser, gekühlten Wein. Irgendwie hatte sie es sogar geschafft, Ameisen und andere lästige Krabbeltiere im Zaum zu halten.
Sie zauberte ein opulentes Mal aus dem Koffer. Salate und Fisch, Schinken und Käse, Baguette und Obst, ein Tiramisu zum Nachtisch.
»Selber gemacht?«, fragte ich.
»Selber gekauft.«
Ich griff zu. Die Sonne schien, der Wald duftete, die Vögel zwitscherten, das Picknick war deliziös. Ich übte mich in Gelassenheit wie empfohlen.
Später dann, als der Bauch voll war, sagte ich: »Und jetzt raus mit der Sprache. Weshalb bin ich hier?«
»Ich wollte mit einem guten Freund einen Sommertag auf dem Land verbringen und picknicken und …«
»Red keinen Stuss! Ich kenne dich, Isabel. Wir waren mal zusammen, woran du mich erst vorhin erinnert hast.«
»Und da heißt es immer, Frauen seien schwer zu durchschauen! Also gut. Ich wollte, dass du dir den Hof anschaust. Und den Bauern.«
»Die Bewertung von Immobilien gehört nicht zu meinen Kernkompetenzen. Hast du wirklich einen Interessenten an der Hand?«
»Ja, einen schwerreichen Unternehmer aus Stuttgart, den die Landlust gepackt hat und dem es aufs Geld nicht so ankommt. Deshalb bin ich so scharf auf den Hof.«
»Du hättest den Bauern auch ohne mich herumgekriegt. Dein Aussehen verschafft dir einen gewissen Geschäftsvorteil. Und das kurze Röckchen erst recht.«
»Was glaubst du, weshalb ich das anhabe?«
»Und ich Idiot dachte, es sei meinetwegen.«
»Die Langversion war für den Bauern. Für dich geht’s noch etwas kürzer.«
»Noch kürzer wäre gar nichts.«
»Ja. Später. Erst zum Geschäft. Was ist dir an dem Hof aufgefallen?«
»Nichts Besonderes. Ein Hof, wie es ihn hier dutzendweise gibt. Nur dass die wenigsten zum Verkauf stehen. Nicht in dieser Betriebsgröße.«
»Richtig. Der Hof ist groß genug, um rentabel zu sein. Hast du dir seinen Maschinenpark angesehen? Einige der Geräte sind neueren Datums. Das heißt, er kann sie sich leisten.«
»Diese Maschinen sind alle auf Pump gekauft. Vielleicht hat er sich übernommen.«
»Das glaube ich nicht. Meine Kontakte haben mir geflüstert, dass er keine Probleme mit der Bank hat. Und ich habe ihm gesagt, dass seine Preisvorstellungen illusorisch sind. Das hat ihn nicht gestört. Er hat es mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Er will natürlich einen guten Preis erzielen, logisch, aber er scheint nicht darauf angewiesen zu sein.«
»Klar, er hat ja die Pacht für die Windräder.«
»Was glaubst du, was ihm das einbringt?«
»Schwer zu sagen, das hängt davon ab, wie hoch die Stromausbeute ist. Können schon 50.000 sein im Jahr. Pro Windrad.«
»Dillinger, das ist ein richtig gutes Geschäft.«
»Und vor allem ein sicheres Geschäft. Die Pacht ist immer fällig, auch wenn das Ding wenig Strom liefert. Oder gar keinen.«
»Also, warum will er dann verkaufen?«
»Du hast ihn doch gehört, Isabel. Lange genug gebuckelt.«
»Das ist ein Argument. Aber dann würde ich meine Felder verpachten. Dillinger, diese Familie bewirtschaftet den Hof seit Generationen, die sind hier tief verwurzelt. Ein Bauer verkauft nur, wenn Not am Mann ist. Und das ist hier eindeutig nicht der Fall. Nicht in wirtschaftlicher Hinsicht. Und kannst du dir den Buchauer als glücklichen Frührentner auf Mallorca vorstellen?«
»Nicht unbedingt. Aber was wissen wir von den Lebensträumen anderer Menschen? Jeder hat halt so seine Visionen. Gibt es eigentlich eine Frau Buchauer?«
»Wohl. Aber wenn ich nach ihr frage, weicht er aus.«
»Da hast du deine Erklärung. Auch Bauern haben Eheprobleme. Auch da bleibt nicht auf ewig zusammen, was nicht zusammenpasst. Das Schicksal teilen sie mit Versicherungsvertretern.«
»Das krieg ich raus. Aber ist dir aufgefallen, dass auf dem Hof viel Gerümpel rumliegt?«