Rudi Kost

Dillinger macht Wind


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      »Vielleicht ist er noch nicht dazu gekommen.«

      »Eben. Ich glaube, dass die Entscheidung, den Hof zu verkaufen, ziemlich überstürzt gefallen ist.«

      »Spräche für eine Ehekrise. Oder eine schwere Krankheit. Jetzt mal Butter bei die Fische. Reich mir doch noch was von diesem köstlichen Räucherlachs. Und dann erklärst du mir bitte, worauf du eigentlich hinauswillst.«

      »Ich glaube, mit dem Buchauer und seinem Hof stimmt was nicht.«

      »Na und? Das kann dir doch egal sein. Du verkaufst den Hof, kassierst deine Provision und fertig.«

      »Und wenn da tatsächlich etwas nicht koscher ist? Kontaminierter Boden oder so? Dann habe ich ein Problem mit meinem Kunden. Dillinger, dieser Mann ist mein Türöffner für eine ganz andere Klientel, als ich sie bisher habe. Deshalb gehen wir doch heute Abend zu dieser Theateraufführung und hören uns um. Da trifft sich das halbe Dorf.«

      »Wir?«

      »Du die Frauen, ich die Männer. Arbeitsteilung. Jeder, was er am besten kann.«

      »Hast du mich eigentlich schon immer so instrumentalisiert?«

      »Natürlich. Du hast es nur nicht gemerkt.«

      »Da faselt du was davon, dass du einen schönen Sommertag mit einem guten Freund verbringen willst, und dann spannst du mich für deine Sachen ein.«

      »Man kann das Angenehme doch mit dem Nützlichen verbinden.«

      »Ich frage jetzt lieber nicht, was für dich das Nützliche und was das Angenehme ist. Apropos, war da nicht was mit einem noch kürzeren Rock?«

      »Aber doch nicht hier, Dillinger, wo uns jeder sehen kann! Da würde ich mich ja genieren!«

      Uns sah hier höchstens ein Hase, der zufällig vorbeigehoppelt kam. Aber es war gut. Ich hatte nicht die Absicht, eine alte Geschichte wieder aufzuwärmen.

      Isabel sprang auf. »Auf jetzt in den dunklen Tann! Waldspaziergang! Es gibt nichts Schöneres als ein kühler Wald an einem heißen Sommertag. Dazu noch mit einem guten Freund.«

      Ich grummelte etwas nicht Druckfähiges vor mich hin, während wir zusammenräumten, und beschloss, mich auf die Freilichtaufführung in der Burgruine zu freuen. Ich wollte da schon immer mal hin und hatte es bisher nie geschafft. Und Isabel war halt so, wie sie war. Und es gab Schlimmeres, als mit ihr durch den Wald zu bummeln.

      Ich sah zu, wie sie die Andeutung von Rock glattstrich und die wesentlichen Teile zurechtruckelte. Dann deutete ich auf ihre Füße.

      »Du willst einen Waldspaziergang machen? Mit diesen Stilettos?«

      »Du hast das Geheimnis der großen Frauenhandtaschen gelüftet. Genügend Platz für landtaugliche Schuhe.«

      Sie hatte wirklich an alles gedacht.

      »Und wohin jetzt?«

      »Vertrau dich einfach meiner Führung an. Wie immer.«

      »Gehe ich recht in der Annahme, dass wir nicht ziellos durch den Wald stapfen?«

      »Wie kommst du denn nur darauf? Ich möchte zu einem dieser Windräder.«

      »Ich wusste doch, dass es bei dir mit der Romantik nicht weit her ist. Nett, dass wir wenigstens dort nicht gepicknickt haben.«

      »Ich will mir so ein Ding mal aus der Nähe anschauen. Und wenn wir jetzt schon mal hier sind …«

      »Und welche Hintergedanken verfolgst du diesmal?«

      »Mal sehen.«

      Sie drückte sich eng an mich und schlang ihren Arm um meine Taille, was das Gehen etwas mühsam machte, ansonsten aber durchaus angenehm war, wie ich mir eingestehen musste. Ich ermahnte mich zu äußerster Zurückhaltung. Nur ein Spaziergang unter Freunden.

      Wir gingen einen breiten, gut befestigten Weg entlang, fast schon eine Straße. Nichts mit einem lauschigen Waldpfad.

      »Wo ist eigentlich Sonja?«, fragte Isabel. »Es fällt auf, wenn sie nicht im Büro sitzt.«

      »Meine Geschäftspartnerin ist mit ihrer Lebenspartnerin in den Urlaub entfleucht.«

      »Wow! Heiße Nächte am Strand!«

      »Ich fürchte, es geht eher um die Bewältigung einer Ehekrise.«

      »Ach? Haben die zwei geheiratet?«

      »Genau das ist die Krise. Die eine will, die andere nicht.«

      »Und wer will nicht?«

      »Das wechselt.«

      »Sei froh, dass wenigstens dir solche Diskussionen erspart geblieben sind.«

      »Ich hatte tatsächlich an Heiraten gedacht. Sogar an Kinder.«

      »Mein Armer! Du bist wirklich durch den Wind. Du brauchst Trost.«

      »Von dir?«

      »Ist sonst jemand hier? Diese Anwältin hat aber auch nicht zu dir gepasst.«

      »Wahrscheinlich passt niemand zu mir.«

      »Stimmt. Außer mir natürlich.«

      Ich verdrückte innerlich ein Tränchen. Die Anwältin und ich hatten uns wirklich bemüht, aber wir waren beide nicht für eine Fernbeziehung geschaffen. Wir waren nicht im Streit auseinandergegangen, wir hatten nur die Konsequenz gezogen aus zwei Lebensentwürfen, die nicht zueinander passten. Jetzt saß Nele in Berlin und machte Karriere, und ich trottete durch einen Hohenloher Wald und machte – was eigentlich?

      Im Moment bog ich mit einer meiner vormaligen Affären von der Hauptstraße, wenn man so will, in den Weg Richtung Windrad ein. Er war breiter als so manche Landstraße.

      »Da musste ganz schön viel Wald fallen«, meinte Isabel.

      »Die Zuwegung, wie das so schön heißt, ist auf mögliche Reparaturen ausgelegt, und die Rotorblätter haben ihre 120 Meter Durchmesser oder mehr.«

      Wir standen auf dem weitläufigen Areal des Windrads. Vor dem Turm, neben der Eingangstür, parkte ein Geländewagen japanischer Fertigung.

      Isabel deutete darauf. »Da weiß noch jemand die Romantik dieses Ortes zu würdigen.« Sie sah sich um. »Auch hier ist ja kräftig gerodet worden.«

      »Der gleiche Grund. Was glaubst du denn, wie man ein Rotorblatt montiert? Da kommt ein nicht ganz kleiner Kran. Ich habe die genaue Zahl jetzt nicht im Kopf, aber ich weiß, dass so ein Ding mitsamt Rotorblatt auf 216 Meter Höhe kommt. So hoch wie der Stuttgarter Fernsehturm.«

      »Stimmt, ich erinnere mich an die Diskussionen. Man muss so hoch hinauf, weil sonst der Wind zu schwach ist.«

      »Hier kommt der schöne Begriff Windhöffigkeit ins Spiel. Wir sind halt das Hohenloher Land und nicht die Nordsee. Bei uns pfeift’s zwar manchmal auch ordentlich, aber nicht ständig.«

      »Man merkt’s. Oder warum sonst dreht sich das Ding nicht?«

      »Keine Ahnung.«

      »Schade. Ich wollte mal hören, wie laut ein Windrad nun wirklich ist.«

      »Laut genug, um als störend empfunden zu werden. Wenn der Wind mal ein bisschen kräftiger weht, was er im Sinne des Windradbetreibers ja tun sollte, hörst du ein wusch-wusch-wusch. Ständig. Auch in ein paar Kilometern Entfernung, wenn du in der Windrichtung wohnst. Klingt, als seien ein paar Flugzeuge im Landeanflug.«

      Wir standen am Fuß des Turms und schauten nach oben. Es war schon ein imposanter Anblick. Aus der Nähe sah man erst, wie groß das Windrad tatsächlich war.

      »Von da oben müsste man einen tollen Ausblick haben«, sagte Isabel.

      »Es gibt Windräder mit Aussichtsplattform.«

      »Ich will da rauf!«

      Isabel drückte die Türklinke – und die Tür