Emma Mahler

Nichts ist, wie es war


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Kind gekämpft.

      Auch wenn ihn sein Vater nicht wollte. Das schmeckte bitter. Meine Entscheidung war richtig! Trotzdem war eine Traurigkeit in mir. Normalerweise freut sich doch der Vater über sein Kind.

      Das erste Füttern. Die Schwester legte mir mein Kind in den Arm. Du schaust aus wie ich. Mein kleiner Spatz. Absetzen. Strengt an die erste Mahlzeit, tröstete ich ihn. Im Bogen spuckte mein Sohn alles wieder raus. War vielleicht zu viel? Langsam. Wieder das gleiche. Alles wurde rausgespuckt. Ich lief zur Schwester und sagte, ob sie mir helfen könnte. Mein Baby spuckt alles wieder raus.

      Können sie ihr Kind nicht füttern? keifte sie.

      Also hören sie, das ist mein zweites Kind. Da werde ich es wohl können.

      So viel zum Thema freundliche Schwestern. Ich habe sie beim Telefonieren gestört!

      Knäckebrot hilft, die Figur wieder zu bekommen. Beim Abbeißen trat unser Arzt ins Zimmer. Ich schaute erwartungsvoll auf ihn. Ich bat ihn, mein Baby anzuschauen. Irgendetwas stimmt nicht. Das spüre ich.

      Fr. S. wir haben ihr Kind in die Kinderstation gelegt.

      Was? Was, hat er denn?

      Regen sie sich nicht auf! Das können wir noch nicht genau sagen.

      Kann ich meinen Mann anrufen? Kann er kommen? Jetzt?

      Ja, ich sage an der Pforte Bescheid.

      Nach der Besuchszeit durften nur Väter, die ihre Frauen ablieferten, in die Klinik!

      Oma, wo ist mein Mann? Er muss sofort kommen. Es stimmt etwas nicht mit unserem Baby. Die haben ihn in die Kinderstation gelegt. Er muss sofort kommen. Meine Schwiegermutter legte auf, nachdem sie mir sagte, dass sie ihm sofort Bescheid geben lässt.

      Kurze Zeit später war er da.

      Bitte frag den Arzt, was los ist. Mir sagen die nur, ich darf mich nicht aufregen. Da kommt er, frag ihn. Mein Mann sprach in an: Herr Doktor, was ist mit unserem Kind? Ihr Sohn liegt im Inkubator. Nur zur Vorsorge. Kümmern sie sich um ihre Frau. Sie darf sich nicht aufregen!

      Warum darf ich mich nicht aufregen? Das ist mein Kind. Ich habe so viel auf mich genommen, dass ich

      ihn bekomme.

      Kümmern sie sich um ihre Frau! beendete der Arzt das Gespräch.

      Tränen liefen mir über das Gesicht. Leise klopfte ich an die Glastür. In der Mitte des Raumes lag mein Baby. In einem Glaskasten. Und ich durfte nicht zu ihm. Durfte ihn nicht berühren. Nicht mal streicheln. Aber mein Kind liegt ja nur zur Vorsorge hier. Diese Gefühl der Hilflosigkeit, des nicht Wehren können gegen diese Entscheidung machte mich unendlich traurig.

      Dazu noch die Sehnsucht, mein Baby in den Arm zu halten. Seine Wärme und Nähe zu spüren. All das wurde mir versagt!

      Lasst mich heim. Daheim habe ich auch einen Sohn, fragte ich nach einer Woche. Der braucht mich auch. Sie können ihr Kind doch nicht alleine lassen, brauste die Schwester mich an. Die ist doch einfach nur nett.

      Ihr lasst mich nicht zu meinem Kind. Durch Glasscheiben kann ich ihn anschauen. Jede Frau im Zimmer bekommt ihr Kind. Ich nicht. Nicht mal anfassen darf ich ihn. Daheim ist noch ein Kind von mir. Ich fahr jeden Tag hierher und besuche ihn.

      In Ordnung Fr. S. sie können am Freitag gehen. Wir sagen ihnen bevor sie gehen, wann sie ihr Kind abholen können. Der Arzt war nur lieb. Warum wohl?

      Traurig war ich, als mein Mann die leere Tragetasche aus der Klinik trug. Ihm sah man keine Regung an.Mittag soll ich anrufen, dann erfahre ich mehr. Wir aßen bei meiner Schwiegermutter. Um eins rief ich an. Malte war sehr enttäuscht, dass sein Bruder nicht mit heimkam.

      Sie können ihr Kind holen. Gleich. Wieso? Heute früh sagten sie mir, ein paar Tage muss er wohl noch bleiben. Ich kann ihm nicht helfen, wenn er krank ist.

      Ihr Kind ist nicht krank. Sie können es holen.

      Du sollst nicht lügen. Auch eine Krankenschwester nicht.

      Nachdem wir ihn abgeholt hatten, legte ich ihn in seine neue Wiege. Ich freute mich schon auf Malte, wenn er vom Kindergarten kommt. Endlich war es soweit.

      Schau dein Bruder.

      Oh, ist der klein! Der kann noch keinen Fußball spielen! Enttäuschung sprach aus seiner Stimme. Ein Dreijähriger denkt wahrscheinlich, wenn er einen Bruder bekommt, kann der gleich alles mitspielen.

      Aber er wächst. Wir füttern ihn jeden Tag. Dann ist er ganz schnell groß. Dann könnt ihr Fußball spielen!

      Fünf Wochen schrie und schrie mein Kind. Keine heile Welt. Er war nur zu beruhigen, wenn ich ihn auf dem Arm trug. Selbst zum Schlafen, musste ich mich mit ihm hinlegen. Ruhig wurde er nur in meinen Armen.

      Die U 6 stand an. Mein Mann fuhr uns zum Kinderarzt. Bei rechtzeitiger Absprache, unterstützte er mich schon mal.

      Mein Baby schreit den ganzen Tag. Nur, wenn ich in die Arme nehme, ist er ruhig. Sein Mund und sein Kinn werden auch blau. Was hat er denn? fragte ich den Kinderarzt. Natürlich schrie er wieder.

      Da müssen wir unbedingt ein EKG machen, teilte mir der Doktor mit. Da muss er aber ruhig sein, da darf er nicht schreien. Kommen Sie am Montag wieder. Dann machen wir das.

      Diese Unruhe beschlich mich wieder, doch leider konnte ich mit dem Gefühl nichts anfangen.

      Die Untersuchung war am Mittwoch, am Montag stand dieses EKG an. Mein Kleiner schrie und schrie. Er muss Schmerzen haben, mein Großer war doch auch ruhig in dem Alter, wenn er gegessen hatte und gewickelt war. Was war nur los? Am Samstag besuchte uns ein mit uns befreundetes Ehepaar.

      Wir wollten mal einen schönen Abend haben. Vielleicht kriegen wir unsere Krise wieder in den Griff? Schließlich sind wir eine Familie!

      Doch mein Kleiner schrie und schrie. War mit nichts zu beruhigen. Ständig war ich am Rennen, um ihn zu trösten. Nützte nichts. Das ist nicht gut, wenn Du am laufenden Band zu ihm rennst. Du verwöhnst ihn! Meinte mein Mann.

      Möglich, dass er schon verwöhnt ist.

      Später, als unser Besuch gegangen war, fütterte ich mein Baby und schmuste mit ihm. Unendlich traurig, für ein Baby ungewöhnlich, schaute er mich an. Diesen Blick werde ich nie vergessen.

      Was ist nur mit dir los, mein Kind. Ich legte ihn in seine Wiege. Und er schlief. Endlich. Geschafft. Es geht doch auch ohne Schreien.

      Am nächsten Tag war es still. Sehr still in unserer Wohnung. Wir standen auf um zu frühstückten. Als wir fertig waren, schaute ich nach meinem Kleinen. Er schlief immer noch.

      Ich werde ihn aufwecken, er braucht seine Flasche und baden will ich ihn auch noch.

      Wir wollten Mittag mal mit unserem Großen zum Fußball gucken. Das hatte mein Mann vorgeschlagen. Eine leise Hoffnung hatte ich, dass er jetzt wieder anders wird. Die Oma passt auf den Kleinen auf.

      Hallo Schatz, aufwachen. Du musst doch Hunger haben. Kein Räkeln, kein Strecken, keinen Laut gab er von sich. Ich streichelte über seine Pampers. Nichts. Ich umfasste seinen kleinen Körper.

      Was für ein komisches Gefühl!

      Ich rannte in die Küche. Komm schnell, irgendetwas stimmt nicht mit dem Christian!

      Mein Mann hob ihn aus der Wiege. So, dass ich meinem Baby ins Gesicht schauen konnte. Blau, das ganze Gesicht war blau. Sein Vater legte ihn wieder in die Wiege. Ich lief in die Küche.

      Er ist tot, sagte mein Mann.