lieben! Die Menschen der Wüste sind nicht verlässlich ... sie ziehen weiter, wenn das Lied des Windes sie ruft ... und ich habe nichts weiter außer meiner Ehre ... wenigstens die konnte mir bisher niemand nehmen.
Die Matte des Zeltes wird zur Seite gezogen, und Jiadirs hochgewachsene Gestalt erscheint. Er trägt wie alle Männer die Kleidung der Wüstenkrieger. Dunkle Hosen, wadenhohe Stiefel, ein knielanges Hemd und das Tuch, das Kopf und einen großen Teil seines Gesichts bedeckt. Darüber seinen Waffengürtel. Das Einzige, was ich sehen kann, sind seine Augen, die ihn einzigartig machen. Sie sind blau ... nur ganz wenige Menschen haben blaue Augen. Bei den Wüstenstämmen sagt man, dass Menschen mit blauen Augen vom Schicksal begünstigt werden, weil der Windgott Washuu sie geküsst hat.
Jiadir ist beliebt bei den Frauen ... er könnte jede haben ... aber aus irgendeinem Grund will er ausgerechnet mich.
Er schließt die Zeltmatte hinter sich, damit die Hitze nicht hinein kann. Dann zieht er sich das Gesichtstuch herunter und schlüpft aus seinen Stiefeln. Ich stehe auf, und nehme ihm die Sachen ab, weil er sie sonst einfach in die Ecke werfen würde. Ich mag keine Unordnung im Zelt. Es liegt mir im Blut, Ordnung zu halten – nicht, weil Jiadir Anspruch als Frau auf mich erhoben hat oder ich dieses Zelt als mein zu Hause ansehe, sondern weil ich seit fast vier Jahren nichts anderes tue, als andere Menschen zu bedienen und für sie Ordnung zu halten.
Es stört mich noch nicht einmal, Jiadir zu bedienen ... aber er hat mehr als einmal klar gemacht, dass er mich nicht als Dienerin will, sondern als Frau.
"Karbal von Tigman hat bereits Verbündete für einen Krieg gegen die Stämme gefunden", eröffnet er mir wie selbstverständlich in der Sprache der Wüstenmenschen, während er sich auf das Lager wirft und es sich in den Kissen bequem macht.
Genau das ist es, was mir Sorge bereitet. Jiadir sieht mich als Frau seines Volkes an ... für ihn sind wir längst verheiratet, auch wenn ich mich gegen den letzten Schritt sträube, der unsere Ehe bindend machen würde.
Schon während Neyla und ich noch Gefangene waren, hat er mich bedrängt. Du bist eine Frau der Wüste ... Willst du nicht selbst eine Familie ... einen Mann und Kinder? Oder willst du lieber die Kinder anderer Frauen aufziehen? Ich habe Jiadir so gut es ging auf Abstand gehalten und ihm gesagt, dass ich anders über diese Dinge denke als er. Aber er konnte es nie verstehen, dass ich Neyla freiwillig diene. Immer wieder hat er versucht, mich zu umwerben. Der Stolz der Wüstenmenschen verbietet es ihnen, jemand anderem als sich selbst zu dienen.
"Was ist los, Gita?", holt Jiadir mich aus meinen Gedanken. Tatsächlich bin ich heute sehr nachdenklich und schweigsam. Es ist die Art, wie wir mittlerweile miteinander umgehen, die mir Angst macht. Als Jiadir mich gegen meinen Willen in sein Zelt brachte, habe ich ihn angeschrien, ich habe Schalen und Töpfe nach ihm geworfen und ihn verflucht. Zwischen uns gab es so viel Streit, dass sogar Jiadir seine Zeit lieber außerhalb seines Zeltes verbrachte.
Das Problem ist, dass man sich über eine so lange Zeit nicht jeden Tag bekriegen kann ... tatsächlich ist unsere Gemeinschaft mittlerweile zu einer stillen Übereinkunft geworden. Ich tue alles, was eine Frau für ihren Mann tut – aber ich weigere mich beharrlich, Jiadir auf dem Lager seine Frau zu sein.
Trotzdem ist die Art und Weise, wie ich mich in mein Schicksal gefügt habe, beängstigend. Ich bin fest davon überzeugt, dass Jiadir auf Zeit spielt ... dass er glaubt, auch noch den letzten Rest zu bekommen, wenn er mich nur lange genug zermürbt. Er lässt mich Neyla nicht sehen und isoliert mich von allem und jedem. Das nehme ich ihm besonders übel!
Ich denke, dass es mal wieder Zeit für einen Streit ist. Nur, damit Jiadir nicht auf falsche Gedanken kommt. Ich stehe auf und sehe ihn an. "Wann darf ich Neyla sehen?"
Er seufzt. Mein ständiges Fragen nach Neyla geht ihm auf die Nerven. "Neyla ist mit Rafai verheiratet. Sie erwarten ihr erstes Kind. Sie hat keine Zeit für dich."
"Das ist eine Lüge ... Neyla und ich sind Freundinnen!"
Er springt vom Lager auf. In der letzten Zeit ist Jiadir immer öfter gereizt, und ich kann mir vorstellen, warum. Er hätte nicht damit gerechnet, dass ich mich ihm so hartnäckig widersetze.
"Glaub, was du willst, Gita. Tatsache ist, dass Rafai und Neyla glücklich sind ... und wir das auch sein könnten."
Ich schnappe nach Luft. Das ist ja wohl die Höhe! "Du erwartest von mir, dass ich dir auch noch dankbar bin, dass du mich verschleppt hast und in dein Zelt sperrst?"
Er kommt zu mir und wir funkeln uns an. Keiner will dem Blick des anderen ausweichen, obwohl ich Jiadir gerade bis zur Brust reiche. "Und warum nicht, Gita? Ich biete dir ein Leben! Willst du denn ewig das Leben von anderen leben? Ich kann dir ein Mann sein ... ich kann dir Kinder schenken und dich glücklich machen."
Ich beuge mich langsam vor. Jiadir ist angespannt ... ich kann spüren, dass er auf ein Zeichen meiner Zuneigung hofft ... einen Kuss vielleicht. Soll er nur ... dieser eitle Pfau mit den blauen Augen. Ich werde ihn sehr schnell in die Realität zurückholen. "Wenn der Himmel die Wüste verschlingt ... erst dann wird es dir gelingen, mich glücklich zu machen", fauche ich kratzbürstig.
Jiadirs Mundwinkel zucken. In seinen Blicken wechseln sich verletzter Stolz und Wut ab.
"Fein ...", antwortet er leise, zieht seine Stiefel an und verlässt das Zelt.
"Gut ...", rufe ich ihm hinterher und verspüre tiefe Genugtuung, als Jiadir fort ist. Zumindest der gefährliche Waffenstillstand zwischen uns ist vorbei. Gleichzeitig weiß ich, dass es sehr dumm ist, mich so zu verhalten. Denn wenn Jiadir das Interesse an mir verliert, stehe ich wirklich ganz alleine da.
Jiadir
Diese Frau bringt mich noch um den Verstand! Und viel schlimmer ... sie macht mich lächerlich. Rafai und die anderen Männer sehen mich mit gerunzelter Stirn an und die Mädchen kichern hinter meinem Rücken. Sie sagen: Jiadir schafft es nicht ins Herz und auf das Lager seiner Frau! Sie kennen Gita nicht ... sie mag klein sein, weil sie von einem der südlichen Stämme abstammt. Die Frauen der Südstämme sind dunkelhäutiger und kleiner als unsere Frauen, aber sie haben Temperament und sind störrisch. Gita ist das beste Beispiel dafür.
Ich schlage den Weg zum Gatter ein, in dem mein Hengst Arajmandir steht. Im Augenblick habe ich das Gefühl, dass nur er mich versteht. Selbst Rafai wird langsam ungeduldig. Er meint, dass man Frauen manchmal zu ihrem Glück zwingen muss – Neyla und er wären das beste Beispiel dafür. Ich mache ein verächtliches Geräusch. Neyla ist ein sanftes Wesen im Vergleich zu Gita.
"Jiadir ... Rafai will dich sehen", ruft mir einer der Krieger zu, während ich Arajmandirs Hals klopfe. Ich lege kurz die Stirn gegen das Gatter, bevor ich gehe. Ich kann heute nicht auch noch Rafais Vorwürfe ertragen.
Rafai kommt mir auf halbem Weg zu seinem Zelt entgegen und klopft mir auf die Schulter. "Lass uns ein paar Schritte gehen. Neyla muss nicht hören, was wir reden. Ich habe die Vermutung, dass sie unsere Sprache mittlerweile besser versteht, als sie zugibt."
Ich folge Rafai zu einem Felsen, in dessen Schatten wir uns unterhalten können.
"Wie läuft es mit Gita?", beginnt er ohne Umschweife.
Ich würde am liebsten meinen Kopf gegen den Felsen rammen. "Wir verstehen uns wunderbar ... sie hält mein Zelt sauber."
Rafai hebt eine Braue. "Das meinte ich nicht."
"Was willst du hören?", frage ich frustriert.
Rafai seufzt. "Hör zu, Jiadir ... die Sache mit Gita wird langsam ... etwas peinlich. Du solltest sie entweder freigeben oder endlich dafür sorgen, dass eure Ehe bindend wird."
Ich funkele Rafai wütend an. Durch den Streit mit Gita bin ich in Stimmung, auch mit meinem Bruder zu streiten, wenn es sein muss. "Du meinst, ich soll sie auf mein Lager werfen und meinen Schwanz gegen ihren Willen in sie stoßen."
Rafai zuckt mit den Schultern. "Du verlierst