Oliver Speier

Lykanta


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Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen. Vielmehr muss ich mich, für mein Verhalten gestern, bei dir entschuldigen. Ich wollte dir nicht weh tun. Es war nur ein schwerer Schock für mich, zu erfahren, dass es von meinem peinlichen Ausrutscher auch noch Fotos gibt. Ich hab mich wie eine Schlampe verhalten und muss nun wohl die Quittung dafür einstecken. "

      Mir brach die Stimme. Ich hatte sie losgelassen und starrte betreten vor mich hin. Petra hatte ihre Angst scheinbar überwunden, denn sie blieb bei mir stehen und legte mitfühlend ihre Hand auf meine.

      " Lykanta, das dürfen sie nicht denken. Keiner von den Leuten, die dabei waren, hat auch nur ein schlechtes Wort über sie verloren. Weder die Männer, noch die Frauen, was ja bestimmt nicht selbstverständlich ist. Der Abend war so lustig und vielleicht etwas frivol, aber alles blieb im Rahmen. "

      Ich schnaubte frustriert auf.

      " Im Rahmen ist gut, ich habe praktisch nackt auf einem Tisch gestanden und Sexpraktiken mit Männern vorgeführt. "

      Sie musste lächeln.

      " Ja das war ganz schön lustig und wie sie schon gesagt haben, ihr habt ja nur so getan. Es ist eben spontan dazu gekommen. Sie haben auf dem Tisch getanzt und irgendwer hat ' Ausziehen! ' gerufen. Zu der Begeisterung aller Frauen haben sie gesagt, sie würden es machen wenn auch zwei Männer mitstrippen würden. Das war natürlich der Brüller, vor allem weil der dicke Sepp mitgemacht hat. "

      Ich legte mir stöhnend die Hand vor die Augen.

      " Gott wie peinlich. Die Frauen müssen doch denken ich wollte in ihrem Revier wildern? "

      Petra kicherte leise.

      " Nein, sie haben eher Pluspunkte gesammelt bei denen. Als die Männer auch noch verlangten sie sollten den Slip ausziehen, haben sie lachend abgelehnt und schnippisch geantwortet, das würden sie für ein privates Stelldichein aufheben. Statt dessen haben sie auf die Frauen im Raum gedeutet und den Männern laut verkündet, sie sollten lieber mal auf die hübschen Frauen achten, mit denen sie jeden Tag zusammen arbeiten, statt sich an dir aufzugeilen. "

      Mit dem Satz haben sie schwer gepunktet bei uns Frauen. Zwar waren die Jungs danach erst mal recht enttäuscht, doch sie haben angeboten, zum Trost dürften sie mit ihnen oben ohne Fotos machen. "

      Ich stöhnte erneut auf. Nun war auch geklärt wie es zu den Bildern gekommen war. Durch ihrer Schilderung hatte ich nun auch ein bis zwei kurze Flashbacks, wie ich mit den Männern posiert hatte. Petra beugte sich beschwörend zu mir.

      " Hey, machen sie sich keinen Kopf. Wie schon gesagt, blieb alles im Rahmen. So gut wie alle Frauen hier in der Enklave lagen schon oben ohne am Pool. Einige haben sogar Dinge abgezogen da würden sie vor Scham im Boden versinken. "

      Zaghaft versuchte ich mich an einem Lächeln. Ihre letzten Worte hatten mich etwas beruhigt und so, wie sie es schilderte, klang mein Absturz recht harmlos. Wenn ich an den Pool dachte, musste ich ihr zustimmen. Dort lagen Leute immer wieder vollkommen nackt.

      Sie richtete sich auf und wollte gehen, als ich sie ein letztes Mal ansprach.

      " Petra? "

      Fragend drehte sie sich zu mir um.

      " Wegen dem Autogramm? Wenn sie wollen, können sie mir das Bild zur Unterschrift bringen. "

      Das Erstaunen über mein Angebot war ihr deutlich anzusehen, doch sie nickte begeistert, ehe sie davon eilte. Danach kam erst mal mein Essen und ich ließ es mir schmecken. Wie immer war es vorzüglich. So wie hier gekocht wurde, konnte die Küche locker mit Sterne Restaurants mithalten. Erneut fragte ich mich, wo all das Geld herkam um die Enklave zu verhalten. Ich musste zwar für alles hier bezahlen, doch wenn ich überlegte wie viel Geld ich für das Töten des Werwolfs bekommen hatte, musste es noch weitere und ergiebigere Einnahmequellen geben. Ich tippte mal auf Aktien wenn ich an Bertrams Vermögen dachte.

      Beim Servieren des Nachtisches kam es zu einem kleinen Scherz auf meine Kosten. Der Kellner blieb aufgeregt vor mir stehen und druckste etwas herum als er das Teller abstellte, welches mit einer silbernen Haube abgedeckt war.

      " Mit besten Empfehlungen aus der Küche. Durch ihre Show hat sich das Küchenpersonal zu einer neuen Kreation inspirieren lassen. Darf ich Vorstellen... Lyks süße Früchte! "

      Mit einer theatralischen Bewegung hob er die Silberhaube an und ich konnte einen Blick darunter werfen.

      Vor mir lagen zwei Halbkugeln aus Vanillepudding. Darauf war jeweils eine halbe Kirsche gelegt die in roter Soße schwamm.

      Na super, es war unschwer zu erkennen, dass hier wohl mein Busen Pate gestanden hatte. Ich wollte kein Spielverderber sein und ließ mir mein Unbehagen nicht anmerken. So nahm ich den Löffel und drückte ihn in eine der Puddingteile. Sofort zeigte sich, dass mein Dessert raffinierter aufgebaut war, als ich zuerst vermutet hatte. Unter dem Pudding verbarg sich eine Bisquittschicht, die dem Ganzen eine besondere Note gab. Der Clou war jedoch das Innere. Hier verbarg sich ein Kern aus heißen Waldfrüchten in einer Soße.

      Der Kellner beobachtete gespannt meine Reaktion beim Probieren. Ich musste zwar über den Namen den Kopf schütteln, doch das Gericht war ein Gedicht. Eine kleine Spitze konnte ich mir dann doch nicht verkneifen.

      " Sehr lecker, aber wohl etwas zu klein wenn ich das so vergleiche. Ansonsten hat sich die Küche jedoch erneut selbst übertroffen."

      Er grinste und deutete eine Verbeugung an. Gutgelaunt stolzierte er davon. Dabei schritt er an Petra vorbei die mit blitzenden Augen und leicht geröteten Wangen eine Weinkarte im Arm hielt und auf mich zueilte. Ich konnte mir schon denken was darin war und bereitete mich innerlich auf das Schlimmste vor. Als sie die Karte vor mich hinlegte und öffnete, war ich angenehm überrascht. Das Bild zeigte mich wie erwartet, tanzend auf dem Tisch. Zu meiner großen Erleichterung war es jedoch wohl sehr früh aufgenommen worden. Meine Bluse war zwar tief aufgeknöpft und die Haare hingen in einer wilden Mähne um meinen Kopf, doch wenigstens war ich darauf komplett angezogen. Zu meiner Verblüffung war ich sehr vorteilhaft getroffen. Ich hatte eine sexy Pose eingenommen und strahlte pure Erotik aus.

      Petra legte mir nach einem kurzen Kontrollblick über ihre Schulter einen Stift hin. Zuerst wollte ich nur meinen Namen hinschreiben, doch dann überlegte ich es mir anders und kritzelte los. Als ich fertig war strahlte sie übers ganze Gesicht. Sie wirkte als habe sie das Autogramm eines berühmten Hollywoodstars erhalten. Dabei würde dies wohl mein erstes und einziges Autogramm bleiben, dass jemand von mir wollte. Mit andächtiger Stimme las sie leise vor.

      " Für Petra, die mir Trost und Zuversicht gab, als ich es am nötigsten hatte. Deine Lykanta. "

      Mit einem seligen Ausdruck im Gesicht klappte sie die Weinkarte zu und drückte sie beschützend an ihre Brust.

      " Vielen, vielen Dank. Die Anderen werden vor Neid platzen, wenn ich ihnen das zeige. Sollten sie je mal einen Blutspender suchen, scheuen sie nicht mich zu fragen" , meinte sie mit tiefer Inbrunst.

      Ihr Angebot brachte mich zum Erröten und ich nickte nur stumm. Petra schien etwas enttäuscht, als ich nicht weiter auf ihr Angebot einging. So verabschiedete sie sich mit einem zögerlichen Lächeln und eilte davon.

      Erleichtert so glimpflich aus dieser Situation herausgekommen zu sein, blickte ich ihr nachdenklich hinterher. Jemanden zu beißen, erschien mir immer noch als etwas unvorstellbares. Ich hatte keine Ahnung wie ich es Anstellen sollte und jemanden zu fragen, fand ich schrecklich peinlich. Da war ich jetzt schon einige Zeit Vampir und hatte von nichts eine Ahnung. In Filmen und Romanen wurde über solche Sachen nicht mal groß nachgedacht. Kaum waren die Leute zum Vampir geworden, bissen sie sich durch die Gegend als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Man sollte den Roman- und Drehbuchautoren mal ihre Ergüsse um die Ohren hauen, damit sie besser recherchierten.

      Ich schob mir den letzten Happen der Nachspeise in den Mund, ehe ich mich zum Bezahlen begab. Erneut gab ich ein gutes Trinkgeld und sprach dem Kerl am Empfang mein Lob für die vorzügliche Speiseauswahl aus. So seltsam es auch klang, doch mein Gespräch mit Petra hatte mir tatsächlich geholfen. Jetzt sah ich meinen Ausrutscher im Pausenraum längst nicht mehr so schlimm wie vorher. Mit