Oliver Speier

Lykanta


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läuft bei mir alles aus dem Ruder. Ständig ecke ich bei den falschen Leuten an oder werde von jenen enttäuscht, denen ich vertraue. Das Schlimme dabei ist, ich habe hier eigentlich niemand mit dem ich darüber reden kann. "

      Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, war es mir peinlich ihn so voll zu jammern, doch ich brauchte momentan jemanden, um meinen Frust loszuwerden. Pierre betrachtete mich mit nachdenklichem Blick. Betreten erwiderte ich ihn. Er nickte und schien einen Entschluss gefasst zu haben.

      " Madame, ich will mich nicht aufdrängen, aber ich glaube ich weiß, was ihnen jetzt gut tun würde. Er warf heimliche Blicke nach links und rechts, ehe er sich zu mir beugte. Ich fragte mich, ob er mir gleich Drogen anbieten wollte, weil er so ein Geheimnis daraus machte. Als ob er meine Gedanken lesen konnte, meinte er beruhigend.

      " Keine Sorge, es ist nichts illegales. Folgen sie mir einfach. "

      Er kam hinter seinem Tresen hervor und öffnete eine Tür neben sich, welche mir bis jetzt noch nie aufgefallen war. Dahinter zeigte sich ein kurzer Gang, der links und rechts von Regalen flankiert war, in denen sich Tischtücher, Servietten und allerhand Schachteln türmten.

      Ich gab mir einen Ruck und trat an ihm vorbei in den Gang. Eine gewisse Neugierde hatte mich gepackt. Wo würde er mich hinbringen?

      Pierre schloss die Tür und übernahm die Führung. Wir kamen an weiteren Türen vorbei. Eine stand offen und zeigte Umkleideschränke des Küchenpersonals. Kaum hatte er die Tür am Ende des Ganges geöffnet, schallte uns lauter Küchenlärm entgegen. Bestimmt fünfzehn bis zwanzig Leute wuselten durcheinander und warfen sich kurze Sätze mit wirren Angaben zu. Es herrschte Hochbetrieb, um die Speisen für die Gäste zügig herzurichten. Unser Eintreten erzeugte kaum Aufmerksamkeit, auch wenn uns der ein oder andere neugierige Blick folgte, als mich Pierre ohne Worte durch die Küche zu einer anderen Tür führte.

      Wir betraten einen Art Pausenraum. Um einen großen Tisch saßen mehrere Leute und waren dabei zu essen. Es ging fast genauso laut her wie in der Küche, doch bei unserem Eintreten verstummten die Unterhaltungen und alle starrten neugierig in meine Richtung. Ohne auf mein Unwohlsein zu achten, trat Pierre an den Tisch und zog einen Stuhl heraus. Mit einem Lächeln bedeutete er mir, mich zu setzen. Das hatte ich nicht im Sinn gehabt, als ich ihm vorgejammert hatte, ich bräuchte jemanden zum Reden. Doch jetzt, da alle Blicke auf mich gerichtet waren, konnte ich schlecht einen Rückzieher machen und ihn dadurch vor den Kopf stoßen. So trat ich vor und ließ mich unsicher auf dem Stuhl nieder. Ich hatte erwartet Pierre würde sich neben mich setzen, doch zu meinem Entsetzen verabschiedete er sich mit einem Diener von mir. Danach richtete er noch das Wort an die Anwesenden.

      " Leute, Lykanta braucht nur etwas Auszeit von ihrer Spezies. Seid nett zu ihr und gebt ihr etwas zu essen. "

      Ehe ich noch groß Protest anmelden konnte, hatte er sich umgedreht und war zur Tür hinaus geeilt.

      Eingeschüchtert blieb ich zurück und schaute mich unsicher um. Keiner sagte ein Wort, doch alle blickten mich neugierig an. Ich überlegte krampfhaft was ich tun sollte, um die Stille aufzuheben, doch mein Hirn war wie leergefegt.

      Zu meiner großen Erleichterung ergriff einer der Männer am Tisch das Wort. Mit einem freundlichen Lächeln hob er eine Kanne.

      " Kaffee? "

      Diese simple Frage löste die Spannung. Noch während ich den Kopf schüttelte, lebten die Gespräche am Tisch wieder auf. Schüchtern fragte ich.

      " Gibt es auch Tee? "

      Fast zeitgleich deuteten mehrere Leute auf eine Ablage hinter mir. Eilig erhob ich mich und war froh, etwas zu tun zu haben. Ich nahm eine der Tassen und stöberte in einem reichhaltigen Angebot an Teesorten. Nachdem ich mir eingeschenkt hatte, setzte ich mich, wohl oder übel, wieder an den Tisch. Irgend jemand hatte mir einen Teller und Besteck hingestellt und als ich saß, reichte mir ein Mann einen Korb mit Brötchen. Zögernd nahm ich eine heraus, doch der Kerl drängte mich.

      " Greif ruhig zu, wir haben genug. "

      Um ihn zufrieden zu stellen, nahm ich mir eine Zweite. Kaum hatte ich das Brötchen aufgeschnitten, wurden mir von zwei Seiten Wurst und Käse gereicht. Es folgten Tomaten, Gurken, Aufstrich und ich bedankte mich mehrmals. Innerhalb kürzester Zeit türmten sich unzählige Schüsseln um mich und ich konnte gar nicht alles probieren, was mir gereicht wurde. Der ganze Tisch verfolgte wie ich meine Brötchen belegte. Eingeschüchtert biss ich schweigend in eins davon hinein. Seltsame Blicke wurden unter den Anwesenden getauscht und ich legte es auf das Teller zurück.

      " Stimmt was nicht? ", fragte ich unsicher.

      Erneut war es der Kerl, welcher mir die Brötchen gereicht hatte, der das Wort ergriff.

      " Passt schon, aber ich hätte wetten können, du nimmst Blutwurst und nicht Leberwurst! "

      Verdutzt starrte ich ihn an. Scheinbar musste ich dabei recht belämmert aussehen, denn alle brachen in schallendes Gelächter aus. Mir dämmerte, dass er einen Scherz gemacht hatte und etwas verspätet brachte auch ich ein leichtes Grinsen zustande. Der Kerl zwinkerte mir zu und reichte mir die Hand.

      " Hi, ich bin Wolfgang. Nimms mir nicht krumm, doch der Scherz musste sein. "

      Lächeln schüttelte ich sie.

      " Lykanta, kein Problem. "

      Er nickte.

      " Schon klar, Pierre hat es ja vorhin erwähnt. Du bist also die großzügige Trinkgeldspenderin? "

      Erneut verstummten sämtliche Gespräche am Tisch und alle blickten zu mir. Verschämt nickte ich. Wolfgang schien zufrieden, denn er lächelte mir freundlich zu.

      " Dann passt ja alles, lass es dir schmecken. "

      Auch die restlichen Anwesenden nickten mir aufmunternd zu. Zaghaft hob ich erneut das angebissene Brötchen zum Mund. Es fiel mir schwer mich zu entspannen, vor allem jetzt da mich alle beobachteten. Ich fragte mich, was Pierre damit hatte bezwecken wollen, als er mich hier, unter lauter Fremde gesetzt hatte? Wolfgang schien das nicht zu stören, denn er plapperte munter weiter.

      " Du bist sehr beliebt bei den Angestellten. Vampire sind im Allgemeinen nicht sehr nett. "

      Ich schaute ihn mit großen Augen fragend an, konnte jedoch nichts sagen, da ich den Mund voll hatte. Er hob erklärend den Finger.

      " Nicht dass du mich falsch verstehst. Sie sind nicht unfreundlich uns gegenüber, eher, wie soll ich sagen... gleichgültig. Sie nehmen uns gar nicht richtig wahr. Dabei sind es zum großen Teil die menschlichen Angestellten, die den Laden hier am Laufen halten. Da war dein Trinkgeld eine nette Geste uns gegenüber. "

      Alle am Tisch nickten zustimmend. Die Lobhudelei war mir etwas peinlich und so lächelte ich ihnen nur dankbar zu. Es war wie in allen Firmen. Die Kleinen schufteten, doch die Arbeitgeber honorierten dies in den seltensten Fällen.

      Wolfgang schien sich langsam warm zu reden. Er rückte mit dem Stuhl etwas näher und fragte in neugierigem Tonfall.

      " So, wo drückt denn der Schuh? "

      Ich verschluckte mich fast an meinem Bissen. Der Kerl war ja ganz schön forsch. Glaubte er wirklich ich würde meine Probleme hier vor allen ausplaudern? Hektisch überlegte ich was ich sagen sollte ohne ihn zu brüskieren, doch ein anderer Kerl weiter unten am Tisch kam mir zuvor.

      " Mensch Wolfi, lass die Kleine in Ruhe. Du weist doch, dass sie Beziehungsprobleme hat. "

      Schockiert legte ich den Semmel ab und starrte den Kerl mit offenem Mund an.

      " Wie kommen sie auf die Idee ich hätte Beziehungsprobleme? "

      Sogar Wolfgang drehte sich zu ihm um und hakte nach.

      " Genau Peter, jetzt würde ich auch gerne wissen wollen, wie du darauf kommst? "

      Dieser druckste etwas herum, ehe er mir Antwortete.

      " Also es geht ja das Gerücht um, sie hätten eine Affäre mit Susanne gehabt. Nur scheint diese jetzt beim Eremiten abzuhängen, was natürlich für viel Gesprächsstoff hier in der Enklave