Melanie Weber-Tilse

Lustvolle Qualen


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die Schulter und bog in ihre Küche ab.

      Überrumpelt schloss sie die Tür und betrat nur kurz darauf ebenfalls ihre Miniküche. Wie selbstverständlich hantierte er an der Kaffeemaschine herum, holte Teller und Tassen hervor und deckte den winzigen Tisch.

      Kurz blickt er sie an, machte dann aber ruhig weiter. »Der Anblick ist zwar wirklich nett, aber möchtest du dir nichts anziehen?«

      Scheiße, erst jetzt wurde sie sich ihrer Aufmachung bewusst und sie floh in ihr Schlafzimmer. Dort lagen noch ihre Klamotten verstreut auf dem Boden. Tief atmete sie ein, als sie an die Szene in der Nacht zurückdachte, dann straffte sie den Rücken, sammelte die Kleidung auf und zog sich schnell ein einfaches Sommerkleid über. Die Haare kämmte sie durch und ließ sie feucht, wie sie waren, an der Luft trocknen.

      Kaffeeduft erfüllte die Küche, als sie wieder eintrat. Peter stand am Fenster mit einer Tasse in der Hand. Als er sie hörte, drehte er sich zu ihr um.

      Um ihm nicht weiter in die Augen schauen zu müssen, nahm sie die bereitgestellte Tasse und trat zur Kaffeemaschine. Beim Befüllen zitterte ihre Hand und auch den Schuss Milch einzufüllen, war nur mit großer Anstrengung möglich.

      Tief atmete sie ein, ballte die Hand zur Faust und schloss die Augen. Sie konzentrierte sich wieder, ruhig zu werden, bis die Hand, die sich auf ihre verkrampfte Faust legte, sie aus ihrer Konzentration riss.

      Erschreckt schaute sie auf und direkt in Peters sanfte Augen. Ihn so nah bei sich zu haben, wo sie immer noch nicht den letzten Anfall richtig überwunden hatte, brachte sie wieder dazu, stockend zu atmen. »Geh jetzt«, presste sie hervor.

      »Das werde ich ganz sicher nicht tun«, war nicht die Antwort, die sie jetzt hören wollte und ihr Körper fiel in die altbekannte Starre.

      Es war eine lange Nacht gewesen, nachdem er sie nach Hause gefahren hatte, hinderten ihn sein Instinkt und sein Training daran, sofort zu fahren. Er ahnte, dass sie etwas Dummes tun würde. Jeder Mensch hatte seine Automatismen und würde in Ausnahmesituationen wieder dahin zurückfallen.

      So wendete er den Wagen an der nächsten Straßenkreuzung und parkte ein paar Häuser entfernt, ihren Hauseingang im Blick und wie er es sich dachte, dauerte es keine zehn Minuten und sie kam in einem Laufoutfit wieder raus. ′Mädchen, was tust du nur? Um diese Uhrzeit, verdammt′. Er war kurz davor, sofort zu intervenieren und sie zurück in ihre Wohnung zu scheuchen. Doch kannte er es nur zu gut von sich selbst, dass es Zeiten gab, in denen man einfach Dinge gegen jegliche Vernunft tat. Und dies schien nun ihr Ritual zu sein. Es war schwer, sie ziehen zu lassen, und doch ließ er sie gewähren und beschränkte sich nur darauf, in einigem Abstand hinter ihr herzufahren.

      Nachdem er sich ihr im Park offen gezeigt hatte und seine Haltung deutliches Missfallen signalisierte, schien sie ein Einsehen zu haben und machte sich auf den Heimweg.

      Erst nachdem sie in ihre Wohnung zurückgekehrt war und nach weiteren zwanzig Minuten die Lichter gelöscht wurden, konnte er davon ausgehen, dass sie nun erst einmal sicher war und keine weiteren Dummheiten machen würde.

      Zeit für ein Gespräch mit Mr. Slones, um herauszufinden, was geschehen war. Denn so gut die Kameraüberwachung auch war, und ja, er hatte jeden Raum des God´s Demons ausgerüstet und verkabelt, achtete und respektierte er dennoch die Privatsphäre ihrer Kunden. Nur er hatte Zugang zu den Kameras in den Separés und nur auf besonderen Wunsch wurden sie durch ihn aktiviert. Bei solchen Veranstaltungen wie heute waren sie immer deaktiviert, sodass jeder ungestört seine Neigungen ausleben konnte.

      Auch wenn er sich gerade wünschte, dass es anders gewesen wäre, aber gut, ein altmodisches Verhör hatte noch niemandem geschadet und er würde auch so an die Informationen kommen, die er brauchte.

      Zwei Stunden später wusste er, was es zu wissen gab. Und das war leider verdammt wenig. Im Prinzip konnte er nur vermuten, was der Auslöser war: bedrängende Nähe, ein abwertender egoistischer Tonfall, vielleicht auch ganz bestimmte Worte. Es nutzte nichts, er musste es herausfinden. Da er keinen Sinn darin sah, nach Hause zu fahren, entschied er, sich im God´s Demons eine Runde aufs Ohr zu hauen. Auch wenn die Party noch bis nach Sonnenaufgang weiter gehen würde, hatte er jedes Interesse daran verloren. Kurz war er versucht mit Patricia oder Miguel zu sprechen, doch verwarf er den Gedanken, die beiden kannten Sarah noch weniger. Er musste warten und würde in zwei Stunden zu Sam und Joyce fahren, um mit der Frau seines besten Freundes zu sprechen. Wenn einer was wusste, dann sie.

      ′Ach verdammt, was solls′. Er würde hier eh kein Auge zu machen und da konnte er auch seinem Instinkt nachgeben und das tun, was er am besten konnte. Daten beschaffen und in der Vergangenheit anderer Leute graben.

      So verbrachte er die nächste Stunde über seinen speziellen Laptop gebeugt, nutzte sämtliche Berechtigungen, die ihm seine Stellung einbrachte. Weder Polizei noch FBI rund um Leeds hatten in dem von ihm abgesteckten Zeitraum etwas, was auch nur andeutungsweise auf Sarah und dem, was ihr zugestoßen sein könnte, hinwies.

      Also grub er weiter und durchleuchtete die Krankenhäuser der Umgebung. Keine Einträge. Moment, da, die Sprechstunde für Obdachlose, einmal die Woche. Schnell überflog er jede einzelne Akte. Wie er es sich dachte, wurden die meisten Patienten anonym geführt. Sein analytischer Verstand schaltete schneller als sein Bewusstsein als er ihn veranlasste innezuhalten. Er hatte sie.

      Die Beschreibung passte perfekt auf eine jüngere Sarah und vom Datum her lag es einen Tag vor ihrer plötzlichen Abreise und dem Umzug nach Leeds. Tief durchatmend las er sich den neutralgehaltenen Arztbericht durch. Gott Frau, wer hatte dir das nur angetan? Seine Hand verkrampfte sich zu einer Faust. Wer immer es gewesen war, er würde die Rechnung bezahlen mit Zins und Zinseszins.

      ***

      Um Punkt sechs Uhr am Morgen stand er vor der alten Lagerhalle, die Sam und Joyce ihr Zuhause nannten. Peter wusste, dass Sam jeden Morgen seine Runde um diese Uhrzeit antrat und so lehnte er gelassen an seinem Camaro, die Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, als sich die Tür öffnete und Sam aus dem Lastenaufzug trat.

      Erstaunt betrachtete dieser ihn. »Peter? Was machst du denn so früh hier?« Doch als er näher trat und in seiner Miene las, wusste dieser sofort, dass etwas nicht stimmte. »Was ist passiert? Komm, wir reden drinnen!«

      Kurz umarmten sich die Freunde. »Ist Joyce schon wach? Ich müsste auch mit ihr sprechen. Hauptsächlich mit ihr!«

      Oben angekommen setzte er sich in die Küche, nachdem er sich einen Kaffee aus dem Vollautomaten gezogen hatte und wartete, bis Sam seiner Frau Bescheid gesagt hatte, und beide bei ihm saßen.

      In kurzen knappen Worten schilderte er, was letzte Nacht geschehen war, und fragte dann Joyce, ob sie das schon einmal erlebt hatte, was diese verneinte und als er sich erkundigte, ob sie sich erinnern könnte, wie damals Sarahs Umzug nach Sanderson verlief, antwortete diese nachdenklich. »Nun, ich habe mir damals nichts dabei gedacht. Sarah hatte mir nur eine SMS geschrieben, dass sie das Jobangebot ihres Lebens hätte, weil ein Headhunter sie angesprochen hätte und ihr eine Stelle anbot. Allerdings hätte sie sich schnell entscheiden müssen, da sie den Job nur bekäme, wenn sie sofort Montag anfangen könnte, darum ist sie halt so Hals über Kopf weg, ohne dass sie sich richtig verabschieden konnte.«

      »Wann hast du das nächste Mal von ihr gehört?«, hakte Peter ernst nach und als Joyce am Überlegen war und dann grübelnd antwortete, »ungefähr drei Monate später, sie hat sich tausendmal entschuldigt und meinte, es war so stressig, dass sie es nicht früher geschafft hätte«, nickte Peter, der seinen Verdacht bestätigt sah. Er würde es gleich in Ruhe nachprüfen, doch ahnte er schon, was er finden würde.

      »Aber wie geht es Sarah jetzt? Ist alles in Ordnung mit ihr?«

      »Warum überraschst du sie nicht mit einem Frühstück und schaust selbst, mein Engel? Hm? Ich denke, sie würde sich bestimmt freuen dich zu sehen«, stand Sam seinem Freund bei, der ahnte, dass da noch mehr war, was er nun nicht vor seiner Frau ausbreiten wollte. »Ich verbringe derweil den Morgen mit Leyla.«

      Er